Nachtwache

Beim Verladen der Nahrungsmittel auf dem alten Karren späht Lucifer im Augenwinkel auf die vorbeigehenden Wachen des Dorfes in der Nähe des Tempels. „Das ist jetzt schon das dritte Paar, das an uns vorbei geht in den letzten zehn Minuten." flüstert Lucifer, während er mit einer weiteren leeren Kiste an Haru vorbei und hinter das Haus des Dorfbäckers verschwindet, welcher für die Kinder alte Nahrungsmittel gesammelt hat, die niemand im Dorf mehr haben möchte.
Zeitgleich wie der Bäcker eine neue, volle Kiste heraus stellt, wendet er sich an Lucifer: „Seit ein paar Tagen werden immer wieder Männer Tod in ihren Betten aufgefunden. Allen samt wurde seitlich am Hals ein Schnitt verpasst, der von der Schulter aus zum Kopf geht. Das ist die letzte Kiste." Überrascht, das er wohl selber etwas zu laut war, so das auch der Bäcker es mitkommen hat, bedankt Lucifer sich für die Information und nimmt die volle Kiste auf. Dabei beginnt in seinem Kopf sich schon ein Verdacht zu bilden.

Die Hände in den Manteltaschen versucht Lucifer den Wachen in der nebeligen Dunkelheit auszuweichen, während er ziellos durch die Menschenleeren Straßen des Dorfes schlendert. Haru wurde von Lucifer mit den Worten „Holt mich morgen früh ab." zurück zum Tempel geschickt.
Beim Abbiegen in eine schmale Gasse holt er sich eine Zigarette heraus und wollte sie sich gerade schon anstecken, als vor ihm im Nebel eine etwas kleinere Gestallt als er auftaucht. Schnell erkennt er ihr langes, offenes, braunes Haar hinter ihrem Rücken. Zu ihren roten Augen hat sie ein gleichfarbiges, Figur betonendes Kleid angezogen, worüber sie eine leichte weiße Jacke trägt. Mit jedem ihrer Schritte, die sie auf Lucifer zu geht, ertönt das Klacken ihrer Absätze, während er schnell die Zigarette wieder in der Tasche verschwinden lässt und an ihr vorbeigehen will, ohne etwas zu sagen.
„Wohin des Weges so spät am Abend?" kommt die Stimme von ihr, dabei deutlich zu vernehmen, das sie von Lucifer etwas möchte. „Nichts. Nur ein kleiner abendlicher Spaziergang." redet er sich heraus und versucht einfach weiter seines Weges zu gehen, jedoch schiebt sie sich vor ihm und blickt in seine gelblichen Augen. „Wirklich nur ein Spaziergang? Dann könnte ich dich ja begleiten. Natürlich nur wenn du auch möchtest." Lucifer erkennt das Funkeln in ihren Augen, und sagt ihr zu: „Dann werden wir wohl zu meinem Zimmer im Gasthaus gehen." lässt er sich auf sie ein.
Seinen Arm umklammernd folgt sie ihm mit einem Lächeln.
„Du kommst nicht von hier oder?" lässt sie ihre Neugier an Lucifer aus. Mit einem einfachen Nein Bestätigt er dies, während sie auf eine der Hauptstraßen des Ortes abbiegen. „Ich komme aus einem unbedeutenden Ort im Süden. Bin hier her gekommen um nach jemand besonderem zu Suchen. Dabei komme ich immer wieder mal gegen die falschen Leute und trage Verletzungen davon." lacht Lucifer über sich selber. „Kommt daher auch deine Naht im Gesicht?" Der linken Hand fährt er über die alte Wunde. „Die habe ich ja schon wieder ganz vergessen."
Mit einem leichten Blick zur Seite schaut er zu ihr, wie sie sich an ihn schmiegt. „Und wo kommst du her?" Überrascht über seine Frage hebt sie ihren Kopf an. „Wieso fragst du?" „Ach, nur so. Habe dir ja auch gesagt wo ich her komme." Kurz blickt sie gegen den vernebelten Himmel, bevor sie wieder in Lucifers Augen blickt. „Mit dieser Antwort wirst du dich zufrieden geben." beginnt sie zuckersüß zu erklären und hat wieder ihr Funkeln in den Augen. „Woher ich genau komme, weiß ich selber nicht mehr, da ich immer nach einem Monat woanders hin gehe. Meistens sind die Orte einige hundert Kilometer entfernt und ich folge einfach nur den Wegen, die ich finde. Reicht dir das als Antwort?" Mit einem Lächeln nickt Lucifer zustimmend.
Er möchte sie gerade um eine Ecke in die nächste Gasse führen, als hinter ihnen im Nebel eine tiefe Stimme ruft: „Stehen bleiben!" Überrascht drehen sich beide um und ihre Hände lösen sich von Lucifer, als sie zwei Wachen erblicken, die schnell auf sie zu kommen. Mit leiser aber ernster Stimme flüstert die Frau zu Lucifer. „Ich werde mit ihnen reden."
Innerhalb weniger Sekunden steht einer der beiden Männer stramm vor ihnen, die eine Hand auf seinem Schwert, während die andere Wache locker vor ihnen steht und beginnt zu reden: „Wir wurden angewiesen Nachts jede Person zu kontrollieren. Würden sie uns bitte ihre Ausweise zeigen." Im Augenwinkel erkennt Lucifer, wie die Frau beiden Soldaten ihre tiefe Blicke schenkt und eine Plastikkarte aus der Tasche holt, die sie ihm überreicht. „Mein Ausweis. Er hier gehört zu mir, also brauchen sie ihn nicht zu sehen. Ich würde sie aber bitten diese sinnlose Kontrolle, schnell zu machen, da wir beide weiter müssen. Vermutlich haben sie beide in einer Stunde uns eh schon wieder vergessen." Mit ein paar schnellen Blicken dreht und wendet der Soldat die Karte, bevor er sie zurückgibt. „Ok. Ich wünsche ihnen beiden noch einen schönen Abend." verabschiedet sich der Soldat und macht auf der Stelle kehrt und setzt ihre Patrouille fort.
Zeitgleich wie sich die Frau wieder an ihn schmiegt, setzt Lucifer ein verwundertes Gesicht auf. „Das ging schneller als erwartet." gibt er zu. „Ist doch gut, oder? So können wir schneller weiter." belächelt sie seine Verwunderung und zerrt ihn schon weiter in die Gasse.
Ein leises schleifendes Geräusch zieht hinter Lucifers Schritten, was ihn zu einem Blick auf seine Stiefel verleitet. „Kannst du schon mal ein kleines Stück weiter gehen, ich muss kurz meine Schnürsenkel neu Binden." Dieses Mal zeigt sie die Verwunderung, löst sich widerwillig von ihm und geht langsam weiter durch die Gasse. Lucifer hingegen bindet seine Schuhe mit Hilfe seines Nebels schnell selber und zieht aus seinem Gürtel die Pistole, richtet sie auf die Frau und entsichert die Waffe mit einem leisen Klick.
„Was war da..." bringt sie noch heraus beim herumdrehen zu Lucifer, als sie das dunkle Metall der Waffe erblickt. „Was tust du da?" kommt es auf einmal voller Angst von ihr heraus. „Das siehst du doch." antwortet Lucifer ihr mit Gleichgültigkeit in der Stimme. „Ich schätze mal, dass du Nachts immer versuchst den Soldaten auszuweichen, während du mit den Männern zu Ihnen nach Hause gehst. Und sollte es mal nicht klappen, verlässt du dich auf deine Fähigkeiten." „M-Meinst du jetzt damit meinen Charme oder..." Lucifer schüttelt den Kopf und schüttelt aus dem Ärmel seiner freien Hand eines seiner Messer, führt die Klinge zu seinem Unterarm und schneidet sich selber, damit Blut heraus kommt. Sofort merkt er wie sie den schwarzen Tropfen mit ihren Augen folgt. „Dir geht es doch nur darum. Und ja, ich bin kein Mensch. Du bist aber auch kein Mensch, also kannst du auch deine Maskerade fallen lassen, Vampir."
Sofort entspannt sich ihr Blick und ein Lächeln bildet sich. „Fast dreihundert Jahre der Erfahrung und dennoch werde ich enttarnt. Kannst du mir zumindest meine Fehler aufzeigen, bevor du mich erschießt." Belustigt lacht Lucifer auf. „Du denkst doch nicht wirklich, dass ich auf diesen billigen Trick rein falle. Man kann einen Vampir nicht durch einen einfachen Kopfschuss töten. Nicht einmal durch das Herz. Ich kann dich maximal für ein paar Sekunden lähmen und müsste dich in diesen Sekunden handlungsunfähig machen, bevor ich dich vollständig auslösche, damit sich dein Körper nicht mehr regenerieren kann."  „Was bist du?" kommt die ernste Frage von ihr ohne Vorwarnungen.
„Jemand der durch deine Hypnose nicht beeinträchtigt werden kann und jemand der den nächsten Krieg auslösen wird."
Ohne Angst dreht Lucifer ihr den Rücken zu. Schlagartig steht sie hinter ihm, zieht selber ein Messer und greift seinen Hals an. Der Schock in ihrem Blick entsteht jedoch schnell, als seine Klinge ihre abwehrt. Lachend wendet Lucifer einen kalten Schulterblick ihr zu, unter dem sie erstarrt. „Ich verzeihe dir den Angriff auf mich, aber nur unter einer Bedingung." Lucifer lässt die Pistole in seiner blitzartigen Bewegung hinter sie fallen, zieht sein zweites Messer und hält die Spitze an ihren Rücken, bereit jederzeit in ihr Herz zu stechen. „Du kommst morgen früh zur westlichen Hauptstraße, egal wie müde du bist. Schlafen kannst du dann auf dem Weg, wo wir hin fahren. Verstanden?" „Und was wen ich nicht auftauche?" „Dann werde ich dich innerhalb weniger Minuten finden und Töten."
Lucifer vernimmt ein leises Schlucken von ihr, bevor sie ihm versichert zu kommen. Mit einer schnellen Drehung der Klingen, verschwinden beide Waffen wieder in seinen Ärmeln. „Gut."
Mit einem Griff in seine Manteltaschen holt er die eine Zigarette mit Feuerzeug wieder heraus, sowie zwei kleine Glasflaschen mit einer Schwarzen Flüssigkeit im inneren. Sich schnell wieder beruhigt, übergibt er der Frau die beiden Glasflaschen. „Das sollte bis morgen früh reichen, also wirst du heute niemanden mehr ermorden." Verwundert blickt sie auf die beiden Flaschen. „D-Das ist dein Blut, oder?" Lachend antwortet Lucifer: „Natürlich! Sollte es jedoch nicht reichen, hol dir ein paar Soldaten um den Rest deines Hungers zu sättigen. Den Nebel werde ich in der nächsten halben Stunde auflösen." Er wendet sich von ihr ab.
„Was bist du?" fragt sie den gehenden noch einmal. „Ich bin Lucifer, ein Ghost Owaris. Wie ist dein Name, ich will dich nicht nur mit Vampir anreden müssen." lächelt er noch einmal zu ihr. „Deswegen wird es also Krieg geben." ein schmales Lächeln bildet sich auf ihren Lippen. „Mein Name ist Zenobia Warmut." Lucifer dreht sich daraufhin wieder von ihr weg und der Nebel hinter ihm verdichtet sich, wodurch er im nichts verschwindet. Zenobia hingegen blickt ihm noch weiter hinterher, als seine ernste Stimme noch einmal ertönt. „Wir sehen uns morgen früh um Neun, Zenobia. Fünf Minuten Toleranz."

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