#37. Notiz 1,2.....
NIALL - 11.11.2017||Dublin
Verschlafen öffnete ich die Augen, und für einen Moment musste ich erst einmal begreifen, wo ich überhaupt war. Es war alles so...trostlos grau hier. Sah überhaupt nicht so aus, wie mein Zimmer.
Warte.
War das mein Zimmer?!
Hat mir jemand Drogen in diesen Brei getan, oder wieso konnte ich mich auf einmal an nichts mehr erinne- Der Brei! Stimmt. Ich war in dieser...Anstalt oder so. Oder auch nicht. Scheiße, mein Hirn war wie aus Wackelpudding. Vielleicht hat mir jemand auch reinen Wodka in mein Wasser geschüttet. Obwohl, ich hätte es ja geschmeckt. Außer es gibt jetzt auch geschmackslosen Wodka, aber davon wüsste ich jetzt nichts...
Mein Gott. Ich bin so schwammig dumm geworden.
Unglaublich.
„Hmpf", machte ich und drehte mich wieder um. Dabei fiel die Decke von diesem unbequemen Bett und landete auf dem Boden, und ich folgte ein paar Sekunden später. „Aua", brummte ich und richtete mich auf.
Und überall wieder dieses trostloses grau.
Die sollten mal alle einen Tapetenwechsel machen, wirklich. Kein Wunder, wenn hier alle depressiv wurden.
Direkt vor mir lag eine Tür - abgeschlossen. Seufzend fuhr ich mir durch meine Wuschelpracht. Jetzt hieß es einfach Abwarten und Tee trinken. Was auch immer. Mir egal. Solange ich hier eingeschlossen war, konnte ich nichts machen außer warten.
Hinter der anderen Tür lag anscheinend das Badezimmer.
Wieso hatte ich irgendwie alles vergessen? Das war doch nicht normal. Ich war doch noch gestern mit Heaven in-
Heaven.
Anscheinend hatte ich irgendwie alles vergessen außer sie.
Wenigstens etwas.
„Du wirst mit jeder Minute wieder schlauer", murmelte ich und seufzte wieder.
Da ich sonst nichts Besseres zu tun hatte, putzte ich mir schon einmal die Zähne. Vor mich hin summend stand ich vor dem Waschbecken, dachte über Gott und die Welt nach, und tat halt das, was man halt so vor dem Waschbecken mit einem riesigen Spiegel machte. Und so.
Ich musste mich wirklich mehr in den Griff kriegen.
Oder so.
Gott. Ich war ein hoffnungsloser Fall. Wirklich.
Nach dem Zähne putzen hatte ich nun keine Ahnung, was ich machen sollte. Hier hing keine Uhr, die mir sagen könnte, wie spät es bereits war. Also entschied ich, einfach mal eine Dusche zu nehmen, und vielleicht war dann auch die Türe aufgeschlossen.
Ich zog mir gerade das T-Shirt über den Kopf, als ein schmerzhaftes Ziehen in meinem Arm mich zusammenzucken ließ. Das Shirt fand alleine seinen Weg auf den Boden, ich stand vor dem Spiegel und sah die pochende, angeschwollene Wunde oberhalb meines Armes. Vorsichtig fasste ich es mit einem Finger an, zuckte aber sogleich wieder zusammen. Es war nicht nur angeschwollen, es pochte nicht nur, sondern brannte auch höllisch, wenn man es anfasste.
Notiz an mich: Fass niemals mehr gruselig aussehende Wunden an. Du könntest dich verletzen. Oder vielmehr noch mehr verletzen.
Die Wunde sah so aus wie eine allergische Reaktion von einem Insektenstich. Allerdings kann das kaum sein, weil ich weder mein Fenster auf hatte, weder draußen war noch dass irgendwelche Mücken oder sonst was im November hier rumflogen.
Also...von wo zum Teufel kam dann diese mysteriöse Wunde her?
Vielleicht hatte sie ja auch mit meinem Spongebob Schwammkopf ähnlichen Verhalten zu tun?
Aber das Beste an allem war, dass ich meinen Arm nicht mehr bewegen konnte, ohne dass ich von Schmerzen regelrecht durchflutet wurde.
Na super...noch mehr Unglück. Mein Schicksal scheint mich ja zu lieben. Wirklich...
...nicht.
Aber was hatte ich auch erwartet. Mal ehrlich.
Ich runzelte die Stirn, zuckte dann einfach wieder mit den Schultern und machte mich weiter daran, endlich unter der Dusche zu stehen. Das kalte Wasser prasselte auf meine Wunde, in den ersten paar Minuten stand ich da, mit schmerzverzerrten Gesicht und hoffte, dass das Brennen endlich aufhörte.
Vielleicht war die Dusche doch keine so gute Idee gewesen...
Vorsichtig griff ich nach dem Shampoo, das ich mitgebracht hatte, und schmierte mich ein.
Notiz 2: Niemals eine mysteriöse Wunde mit Shampoo einschmieren, wenn du noch leben willst. Es dient zur deiner eigenen Sicherheit.
„AAHHH!! Verdammte scheiße!", schrie ich auf und wischte das Shampoo sofort wieder von meinem Arm, aber es brannte immer noch höllisch. Noch mehr als ohnehin schon.
Im nächsten Moment war das Wasser aus, ich sprang aus der Dusche und wäre beinahe auf den Fliesen ausgerutscht, wäre da nicht dankbarerweise das Waschbecken gewesen, welches mich noch vor diesem schmerzhaften Unglück bewahrt hatte, griff nach dem Handtuch und drückte es auf die Wunde.
„So eine verdammte..." Weiter kam ich gar nicht, weil ich meine Zähne aufeinanderbeißen musste, um nicht vor Schmerzen laut aufzuschreien. Die Wunde war noch dicker geworden, und so langsam fragte ich mich, wie ich die hinbekommen habe. Ganz ehrlich.
Irgendwie schaffte ich es, mich anzuziehen. Und siehe da - die Tür ging auf. Ich ging den Gang entlang, auf der Suche nach so einer Art Krankenzimmer oder so. Ich kam an einem kleinen Tisch vorbei, auf dem ein kleiner Korb stand. In diesem Korb waren Handys - viele Handys.
Ach, heute war Samstag! Der Handy-Samstag!
Ich ignorierte einfach mal die Schmerzen und durchstöberte den Korb nach meinem iPhone. Aber wenn ich mal die ganzen Handys genauer betrachtete, hatten die fast alle ein iPhone, Samsung oder Sony, also die teuren Dinger.
Man, wo war ich hier nur gelandet? In der psychischen Anstalt für die Reichen und Berühmten, oder wie?
Aber meines unterschied sich dadurch von den anderen silbernen iPhones, das auf meinem riesige Kratzer sich über das Display zogen.
Notiz 3: Aufpassen, dass ich das Ding nicht noch mal fallen lasse oder es ausversehen vor Wut gegen die Wand schmeißen, wenn ich es noch benutzen will. Andernfalls muss ich mir irgendwie ein neues besorgen.
Ich nahm es in die Hand und machte mich weiter auf die Suche nach einem Krankenzimmer. Nach ewig und drei Tagen fand ich es auch schließlich - natürlich ganz hinten der Klinik. Die Schwester, die mich auch in mein Zimmer gebracht hat, Jane, saß auf einem Stuhl und tippte irgendetwas auf ihrem veralteten Computer. Zögernd klopfte ich an der Tür und trat ein.
„Oh, hallo Niall", begrüßte sie mich mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, „was treibt dich denn hierher?"
Ich kratze mich mit dem heilen Arm am Hinterkopf, bevor ich ihr antwortete: „Ich glaube, mich hat irgendetwas am Arm gestochen oder so. Es ist mir vorhin aufgefallen, und tut sau weh." Ich setzte mich auf die Patientenliege und schob den Ärmel meiner Sweatjacke so hoch, damit Schwester Jane sich das genauer anschauen konnte. Allerdings war sie überhaupt nicht überrascht oder so, auch nicht in Sorge um mein Leben.
Oder sollte ich mir Sorgen um mein Leben machen?
„Inwiefern tut es denn weh? Hast du eher ein Ziehen, pocht es oder bleibt der Schmerz an einer Stelle?", fragte sie mich als sie sich Gummihandschuhe anzog und sich einen Hocker vor mir platzierte. „Naja, eigentlich von allem. Und ich habe keine Ahnung, wovon das kommt. Ein Insektenstich kann das wohl doch kaum sein. Ich meine, wir haben November und da wird wohl kaum eine Mücke oder so rumfliegen...oder?"
Sie lachte kurz auf und drückte mir dann ohne Vorwarnung ein Tuch vollgesprüht mit Desinfektionsmittel auf die Wunde. Ein gequältes „Auuu", entfloh mir. „Jetzt sei mal nicht so, es könnte schlimmer sein", meinte Jane und kramte dann in irgendeiner Schublade rum.
Währenddessen nahm ich den Raum unter die Lupe.
Er war nicht groß, es passte gerade Mal ein großer und ein kleiner Medikamentenschrank, ein Schreibtisch, die Liege, eine Topfpflanze und ein Aquarium rein. Außerdem war er genau in demselben Grauton gestrichen, wie alle anderen Zimmer auch.
Mein Blick blieb länger bei dem kleinen Medikamentenschrank mit den Glastüren hängen. Darin befanden sich Antibiotika, Morphium - seit wann gibt es Morphium außerhalb eines Krankenhauses? - ...und Benzodiazepin.
Notiz 4: Schaue niemals wieder Benzodiazepin an. Es ist die Hölle.
Ich wandte sofort meinen Blick ab.
Ich konnte das Zeug nicht mehr sehen. Nicht, seitdem ich deswegen im Krankenhaus lag. Ich hatte gelernt, mich von diesem Zeug oder sonst irgendwelchen Schlaftabletten einen großen Bogen zu machen, und sie auch legal vom Arzt zu besorgen.
„So...das könnte jetzt etwas wehtun."
Sie hatte aus der Schublade eine Packung rausgeholt, auf der Vereiser stand, und holte einen Stab heraus.
„Mehr als ohnehin schon kann es doch- Aua!"
Und schon hatte sie das Ding direkt neben meine Wunde gedrückt, gelbe Flüssigkeit drang aus meiner Haut, die Jane mit einem Tuch vom Arm wischte.
Ich verzog leicht angewidert das Gesicht, als ich sah wie immer mehr Eiter aus meiner Wunde kam.
Notiz 5: Ich werde niemals Arzt.
Ich ließ die ganze Prozedur über mich ergehen, zwar biss ich mir die Wangen blutig, aber irgendwann hatte ich es doch geschafft und Jane band einen Verband um meinen Arm.
„So, du hast es geschafft. Komm morgen nochmal her, dann schaue ich es mir nochmal an. Und wasche es heute Abend noch mal mit Wasser aus. Auch wenn es brennt", fügte sie noch grinsend hinzu und widmete sich wieder ihrem Computer.
„Okay, danke Doc", erwiderte ich und verschwand aus dem Raum.
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