#31. Black Out
Ich öffnete die Augen.
Um mich herum war alles dunkel, nur einzelne Lichtstrahlen des Mondes drangen durch die winzigen Schlitze der Jalousie meines Zimmerfensters.
Meine Familie hatte mit einem Niall gerechnet, der vollkommen erholt, vielleicht mit Strohhut, Sonnenbrille, Polohemd und Blumen Lei. Stattdessen bekamen sie einen miesgelaunten, vollkommen durchnässten Niall zu Gesicht bekommen, der vom Dubliner Flughafen nach Hause laufen musste, weil keins der tollen gelben Autos gehalten hat.
Verfluchen seien Taxis.
Schweigsam bin ich die Treppe nach oben in mein Zimmer gestapft und hab mich den restlichen Tag dort verkrochen und stundenlang aus meinem Fenster gestarrt.
Und ehe ich es mich versah, war es bereits Abend.
Mum, Denise und Greg hatten abwechselnd an meiner Zimmertür geklopft und haben gefragt, ob ich hungrig wäre, irgendetwas bräuchte, halt, was die Leute immer so fragen.
Nun lag ich in meinem Bett und starrte an die Decke.
Und das seit drei Stunden, oder einem gefühlten Tag.
Obwohl es draußen bei 4 Grad regnete, war mir so heiß, dass ich mein erstes Shirt komplett durchgeschwitzt hatte, die Bettdecke war schon von mir aus meinem Bett geschmissen worden und das Kissen war ebenfalls komplett durchnässt.
Mir.war.so.warm.
Grrr.
Wieso war mir so warm? Hatte ich Fieber oder so?
...oder brauchte ich vielleicht doch eine Dusche?
„Hm..."; brummte ich und schwang meine Beine aus dem Bett. Mit schlurfenden Schritten öffnete ich meine Zimmertür und begab mich ins Badezimmer, die anderen aus meiner Familie schliefen alle tief und fest.
Schnell hatte ich die Dusche hinter mir gebracht und stand mit nassen Haaren und dem Handtuch um die Hüfte vor dem Spiegel. Ich hatte, mal wieder, tiefe Augenringe bis zum geht nicht mehr.
Verfluchen seien Augenringe.
Hilf mir.
Nein.
Neinneinneinneinnnein!
Verdammt!
Das soll doch wohl ein Scherz sein!
Ich öffnete die Tür und wollte gerade wieder in mein Zimmer, als ich eine Bewegung am Rande bemerkte. Verwundert drehte ich mich um. Aber da war nichts. Nur die Dunkelheit.
„Ich werde noch verrückt...ach ja, das bin ich ja schon", murmelte ich und wandte mich wieder ab.
Bitte, hilf mir.
Ich versuchte, sie weit es ging zu ignorieren. Sie war nicht da, das war alles nur eine Halluzination. Oder ein Alptraum. Oder beides.
Verdammt.
Bitte, hilf mir.
Okay, von wo kam jetzt diese verdammte Stimme her?
Leise huschte ich die Treppe runter und öffnete die Tür zur Küche und Wohnzimmer. Es war komplett dunkel. Von draußen war der Regen zu hören, der gegen das Fenster prasselte. Aber es war doch ein wenig unheimlich.
Unschlüssig verzog ich das Gesicht.
Eine Gänsehaut durchzog meine Haut.
Bitte, ich brauche deine Hilfe.
Erschrocken drehte ich mich rum. Und stockte.
Dort saß sie wieder.
Auf der Treppe.
In Dads Haus.
Nein, das war doch alles nur ein schlechter Witz.
Ich hatte doch in letzter Zeit keine Alpträume, wieso jetzt?
„Wieso?"
Weil ich deine Hilfe brauche.
Eine blonde Strähne fiel in ihr Gesicht, ihre grauen Augen leuchteten in der Dunkelheit. Sie trug noch immer das weiße Kleid, aber ihr Gesicht wurde von Traum zu Traum immer kahler und faltiger.
„Und wieso sollte ich dir helfen? Du bist nur eine Fabrikation meiner Fantasie. Mehr nicht." Ich verschränkte die Arme.
Ich bin als du denkst. Ich bin keine Fabrikation deiner Fantasie, Niall.
Woher kannte sie jetzt meinen Namen?
Ich weiß mehr als du denkst.
Okay. Jetzt wurde es gruselig.
Sie stand auf und machte einen Schritt auf mich zu, ich wich einen Schritt zurück.
Ich brauche deine Hilfe. Die brauche ich wirklich.
„Und wieso soll ausgerechnet ich dir helfen? Es gibt doch noch mehr als eine Millionen anderer Menschen auf der Welt, wieso ausgerechnet ich? Ich bin doch nur ein Mensch aus Irland, mehr nicht."
Vielleicht hast du Recht. Sie machte wieder einen Schritt auf mich zu. Vielleicht bist du nur ein Mensch, hier aus Irland. Aber du bist mehr, als du denkst. Deswegen brauche ich deine Hilfe.
Ich zog eine Augenbraue hoch. „Ach ja? Und wie soll ich dir helfen?"
Sie gab keine Antwort mehr. Stattdessen machte sie einen letzten Schritt auf mich zu und presste ihre Lippen auf meine.
Ich nahm nichts mehr wahr.
Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder auf.
Ein Mädchen. Es sah genauso aus wie die Fabrikation meiner Fantasie. Dunkle Schatten unter den Augen, ihre Haare waren verwuschelt, die Knie angezogen und die Arme darüber verschränkt. Sie trug einen grauen Pullover und eine graue Jogginghose.
Und dann kam das nächste Bild.
Sie, auf einem Stuhl in einem Kreis mit anderen Leuten. Ein Mann versuchte mit ihr zu sprechen, aber sie sagte nichts.
Dann war sie in ihrem Zimmer. Sie starrte aus dem Fenster, es war dunkel und es regnete.
Und dann wurde alles schwarz.
Erst dachte ich, ich wäre in Ohnmacht gefallen. Aber dann merkte ich, dass ich nicht ohnmächtig war. Ich war schon oft genug umgefallen, und wusste, dass ich nicht umgekippt war.
Das hier war was ganz anderes.
Ich sah mich. Aber nur mich. Sonst nichts. Als wäre das hier das Jenseits und ich wäre tot. Eigentlich war ich ja nicht tot...zumindest, soweit ich weiß.
Und plötzlich wurde wieder alles hell.
Ich befand mich in meinem Bett.
Was zum Teufel...
Verwirrt richtete ich mich auf. Draußen schien die Sonne. Keine Wolke mehr am Himmel, keine Tropfen. Meine Decke lag noch immer auf den Boden, aber ich trug anstatt dem Handtuch eine Jogginghose. Und mein Shirt hatte ich auch noch an.
Ich werde verrückt.
Das muss es sein.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top