#30. Back in London

London - 20.10.2017

Es war wie immer.

Kühle 8 Grad und ein leichter Schauer prasselte auf die Straßen Londons.

Ich hatte das Wetter vermisst, egal wie schlecht es war. So schlechtes Wetter gab es halt nur in London, und wenn man sich daran gewöhnt hatte, wollte man auch kein anderes mehr.

Da ich ja meine Wohnung gekündigt hatte, musste ich notdürftig in einem Hotel Unterschlupf suchen. Nur gut, dass wenigstens jetzt die Taxifahrer so freundlich waren und hielten, wenn man die Hand hochhob.

Etwas durchnässt ließ ich mich auf die Rückbank des gelben Autos fallen, die Sporttasche, mit der ich um die Welt gereist war, neben mir und gab dem Fahrer die Adresse des Hotels durch. Der nickte und fuhr langsam los.

Gespannt, ob sich während meiner Abwesenheit irgendetwas verändert hatte, schaute ich aus dem Fenster, aber wie ich es bereits befürchtet habe, war alles beim alten.

Wie langweilig.

Naja, manchmal ist keine Veränderung ja auch eine Veränderung, es fällt einem nur nicht auf.

Die Straßen sind noch genauso belebt wie früher, die Leute schleppen ihre Einkaufstaschen mit sich rum, in der anderen Hand trugen sie ihre Regenschirme und eilten durch den Regen. Mir fielen so viele Sachen auf, die mir vorher noch nie aufgefallen sind. Zum Beispiel, dass direkt neben dem Nando's, an dem wir gerade vorbeifuhren, ein Souvenir-Laden war. Ich bin schon so oft vorbeigelaufen, und mir ist er noch nie aufgefallen.

Vielleicht sollte ich mir das nächste Mal die Sachen zwei Mal anschauen, anstatt wild drauf loszurennen.

„Maaan, was soll denn der Scheiß?!", kam es lautstark vom Fahrer und drückte ein paar Mal auf die Hupe. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wir stehen geblieben waren und sich vor uns ein Stau gebildet hatte. Überall hupten Leute, doch hier waren auch ziemlich viele hyperaktive Mädchen.

Wir waren am Leicester Square.

„Darf ich das Fenster da oben aufmachen?", fragte ich den Fahrer, der verwundert nickte. Ich schnallte mich ab, stand auf und schob das Fenster auf. Mit dem Kopf schaute ich nach, ob das, was ich dachte, auch der Wahrheit entsprach, und das tat es.

Etwas weiter von uns entfernt war genau an derselben Stelle wie vor vier Jahren die Bühne aufgebaut, eine riesige Schar von Mädchen zwischen 13 und 15 Jahren hatte sich um die große Absperrung gebildet.

Und auf der Bühne standen die vier nun.

Sie haben erst gerade angefangen, denn sonst wäre die Masse an Mädchen noch größer.

Aber ich achtete auf gar nichts mehr, außer auf meine vier Kumpels, die perfekt gestylt auf der Bühne standen. Harry hatte sogar seine Haare abgeschnitten, sie waren jetzt genauso lang wie vor vier Jahren. Louis hatte wieder einen Side Cut und ein neues Tattoo auf dem Arm, wie ich sehe. Zayn und Liam sind noch immer dieselben.

Die Autos vor uns fuhren langsam wieder vorwärts, und der Fahrer befahl mir, das Fenster wieder zu schließen und mich auf meinen Platz zu setzten.

Erst zögerte ich, schließlich seufzte ich und befolgte seine Anweisungen.

Aber ich habe sie wieder gesehen, wenn auch nur aus der Ferne. Sonderlich viel verändert hatten sie sich ja nicht.

Das Taxi hielt vor dem kleinen Hotel, und mit schnellen Schritten ging ich durch den Regen zum Eingang. Ein junger Mann überreichte mir mit einem freundlichen Lächeln den Schlüssel, den ich mit einem ebenso freundlichen Lächeln in Empfang nahm, und die Treppen nach oben zur dritten Etage hochlief.

„234, 235, 236..."

Ich ging den ersten Flur ab, suchend nach der Zimmernummer 245.

- die sich schließlich genau am anderen Ende Flures gegenüber befand. Schöne Scheiße, und wieso hab ich jetzt so lange gebraucht um die zu finden?!

Entnervt seufzte ich, beschloss aber, nicht noch weiter dumm auf dem Flur zu stehen, sondern die Sachen in mein Zimmer zu bringen. Ich öffnete die Tür, schmiss meine Tasche auf das große Bett, kramte ein paar 20 Pfund-Scheine hervor und verschwand genauso schnell, wie ich gekommen war.

Mein Nando's wartete auf mich.

Und ich hatte Hunger.

Großen Hunger.

Im Nando's um die Ecke war es nicht voll, eigentlich der perfekte Platz, an dem man gemütlich sein Mittagessen essen konnte.

Ich bestellte mir wie immer dasselbe, Chicken mit extra scharfer Sauce, und setzte mich damit an einen Fensterplatz, von dem aus ich die Leute beobachten konnte. Aus Vorsicht hatte ich die Kapuze meines Pullis aufgezogen.

Ich saß den ganzen Tag auf meinem Platz, aß, und beobachtete Leute, die mit ihren Aktentaschen, Einkaufstüten und was weiß ich an dem Fenster vorbeigingen. Manche schneller, manche langsamer, manche telefonierten und andere wiederum redeten mit ihren Mitmenschen. Ganz im Gegensatz zu mir halt.

Die Zeit ging viel schneller vorbei als ich es für möglich gehalten hätte. Es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel war noch immer bewölkt, nur einzelne Strahlen des Mondes drangen durch die kleinen Lücken zwischen den Wolken.

Die Kellnerin stellte mir gerade meine letzte Cola für heute vor mir auf den Tisch als die Tür sich wieder öffnete und vier, heftig atmende, verdeckte Personen den Laden betraten. Einer von ihnen riss sich sofort die Kapuze vom Kopf und steuerte die Kasse an. Schon bei dem Anblick desjenigen hielt ich den Atem an und schaute gespielt unbekümmert aus dem Fenster.

Scheeeeeeeeeiße.

Scheißescheißescheißescheiße!!!

Das konnte doch nicht wahr sein!

London war groß, und hier gab es mehr als einen Nando's!

Wieso mussten sie ausgerechnet in diesen hier?! Genau in demselben wie ich!

Das Schicksal musste mich wohl wirklich hassen.

Okay, Niall, jetzt bloß nichts anstellen...bloß nichts anstellen, redete ich mir ein und nahm einen Schluck von meiner Cola.

„Zaaaaaaynie, was willst du haben?", ertönte Louis' Stimme direkt von der Kasse aus, ich erkannte durch das Spiegelbild vom Fenster, dass mein ehemaliger Bandkollege mit den Schultern zuckte und mit müder Stimme erwiderte: „Keine Ahnung, bestell mir irgendwas."

„Und du Liam?"

„Chicken mit extra scharfer Sauce."

„Dein Ernst, Liam? Jetzt bestellst du dir genau dasselbe, was Niall sich immer bestellt hat?", kam es genervt von Harry, und man konnte regelrecht hören, wie Zayns und Louis' Mund aufklappten, dagegen sah Liam ihn nur ungläubig an.

„Hast du irgendetwas genommen, dass du es schaffst, jedem die Laune zu vermiesen?", blaffte Zayn ihn wütend an. „Wenn du was dagegen hast, dass Liam dasselbe Essen wie Niall mag, dann halt einfach deine Klappe, denn du hast echt nicht zu entscheiden, was er mag und was nicht. Und wenn es seine Methode ist, einem besten Freund nachzutrauern - wie bescheuert sich das gerade auch anhört -, dann lass ihn doch!"

„Pfff. Wenn's ihm Spaß macht...", schnaubte Harry nur und verschränkte die Arme.

„Seid wann bist du nur so ein Arsch geworden?!", giftete Louis ihn an, „nur wenn der Name Niall gesagt wird, benimmst du dich wie das größte Arschloch weltweit! Mein Gott, ja, er hat einen Fehler gemacht! Aber du machst auch Fehler, und jetzt denkst du, du wärst Mr. Perfect! Spinnst du eigentlich oder so?"

„Im Gegensatz zu euch bin ich realistisch, und trauere nicht einem „besten Freund" nach, der von heut auf morgen verschwunden ist und sich nicht mehr meldet. Ich meine, das ist doch ein Zeichen dafür, dass wir ihn vergessen sollten, oder nicht?"

Es war wirklich schön zu wissen, wie Harry über mich dachte.

Und dass ich ihn mal einen besten Freund genannt habe.

„Harry, besorgt dir Hilfe."

„Sagt der Richtige!"

Ein Stuhl wurde ruckartig nach hinten gerückt, dann verließen eilige Schritte den Laden. Es war Liam gewesen, der Hals über Kopf aus dem Nando's verschwunden war.

Louis klatschte. „Super gemacht, Harry. Ich bin stolz auf dich", lachte er sarkastisch.

„Ich sag doch nur die Wahrheit! Ich wette mit euch, dass Niall noch mehr verbotene Sachen gemacht hat, die er uns nicht gesagt hat!"

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BITTE?!

Das war doch nicht sein fucking Ernst, oder?!

Mit einem Ruck stand ich auf, ging zu ihrem Tisch herüber und funkelte Harry an, der mich aber zuerst gar nicht zu erkennen schien.

„Ist was?"

Und ich war so dumm, und hab ihn wirklich mal meinen besten Freund genannt.

„Es ist schön zu wissen, wie du wirklich über mich denkst, Harry", sagte ich noch einigermaßen ruhig. In mir sah es jedoch ganz anders aus.

Ich war wütend, verletzt und unfassbar enttäuscht.

Enttäuscht, dass er wirklich so über mich dachte, obwohl er zu den wenigen gehörte, der mich richtig kannte.

Und sowas versetzte mir einen Stich ins Herz.

Louis' und Zayns Mund klappten noch weiter auf, als sie mich erkannten, und Harry wurde kreidebleich.

„...N-Niall?", kam es stockend aus der Person, der ich mal mein Leben anvertraut habe. „W-W-Was machst du denn h-hier?"

„Als ob dich das interessiert", knurrte ich, „du meinst doch, ich würde noch mehr verbotene Sachen machen." Er schluckte merklich. „D-Du hast das alles mitgehört?"

„Wer meinst du, saß gerade die ganze Zeit auf der anderen Seite und hat deine Anschuldigungen gegen mich anhören müssen?! Aber ich sag dir eins Harry: Deine Meinung interessiert mich einen scheiß Dreck. Meinetwegen, verbreite so viele Lügen über mich wie du willst. Aber am Ende wirst du wieder alleine dastehen, weil dir niemand glaubt, und dann hast du auch deine letzten Freunde verloren" - Ich deutete auf Louis und Zayn, die noch immer stocksteif dasaßen bzw. standen und deren Münder aufstanden - „Ich dachte immer, unsere Freundschaft wäre immer etwas Besonderes gewesen. Aber ich hab mich geirrt, denn eigentlich warst du nie mein Freund gewesen. Denn ein wahrer bester Freund würde nicht so einen Scheiß über den anderen reden."

Ich richtete mich auf und vergrub meine Hände in die Jackentaschen.

„Und anscheinend geht es euch allen gut, mir geht es beschissen. Gut, dass das geklärt ist. Euch noch ein schönes Leben."

Damit drehte ich mich um, klatschte einen 5 Pfund-Schein auf meinen Tisch und verließ den Laden.

Schneller als ich überhaupt gehen konnte, überquerte ich die Straße und machte mich auf den Weg zum Hotel.

Ich hielt es keine Sekunde hier länger aus.

Ich musste hier weg.

Und zwar sofort.

„Niall, warte!"

Ich höre dich nicht, ich höre dich nicht...

„Bitte bleib stehen!"

Lalalalala...

„VERDAMMT NOCHMAL NIALL JAMES HORAN!!!"

Jemand packte mich an der Schulter und riss mich ruckartig rum.

„Was, Zayn?!", schrie ich zurück und befreite mich von seinem harten Griff an meiner Schulter. „Wenn du jetzt damit ankommst, dass Harry es nicht so gemeint hat, dann tut es Leid dir sagen zu müssen, dass du zum Arzt musst."

„Das wollte ich doch auch gar nicht sagen!" Er fuhr sich überfordert durch seine schwarzen, verschwitzten Haare und sah mich dann erneut an. „Ich stimme dir in allen Punkten zu, was du gesagt hast. Harry ist ein Arsch, aber dennoch hat er eine ziemlich gute Frage gestellt: Wieso bist du gegangen, ohne uns was zu sagen?"

Ich lachte. Ich lachte richtig - sarkastisch natürlich. Ich lachte bis mir die Tränen kamen.

„Ist das nicht offensichtlich?"

„Also, wenn du das mit Harry meinst..."

„Nein, ich meine nicht das mit Harry. Aber hast du nicht gesehen, wie sehr ich mich in den letzten Monaten verändert habe? Sieh mich doch mal an! Ich bin nicht mehr der, der ich mal war! Ich tick nicht mehr sauber! Nur Liam hat das bemerkt, er wollte sich darum kümmern! Aber euch hat es ja mal nicht die Bohne interessiert, ihr habt gelacht, wenn Harry seine beschissenen Witze darüber gerissen hat! Euch hat es einen Scheiß interessiert, wie es mir ging! Hauptsache, ihr hattet was zum Lachen! Und ich hab die ganze Zeit gedacht, ihr macht das nur, um mich aufzumuntern, bis ich schließlich gecheckt habe, dass das gar nicht der Fall ist! Wenn das jetzt deine Frage beantwortet. 'Tschuldigung, aber ich muss los. Ich muss noch meinen Flieger kriegen. Viel Spaß noch."

Ich drehte mich um. Und ging.

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