#28. When I can fly around the world...

N I A L L - 16.07.2017

Es war warm.

Sehr warm um genau zu sein.

Viel zu warm, um draußen in der Sonne zu faulenzen, obwohl wir halb acht abends hatten. Mich hatte es in den örtlichen Pub von Mullingar getrieben, da, wo sich die Leute meines Alters immer trafen - wenn sie nicht gerade, wie Greg, arbeiteten.

In kurzer Jogginghose, T-Shirt und Cap saß ich nun seit einer Stunde hier und lauschte dem Fernseher oben an der Wand, der gerade eine Live-Übertragung zwischen Manchester United und Liverpool zeigte.

Vor mir stand ein kühles Bier und eine Schüssel Erdnüsse. Es war schon mein drittes Bier an diesem Tag, aber ich brauchte das jetzt einfach. Ich hatte schon so lange nicht mehr den Geschmack eines irischen Bieres auf der Zunge gehabt, und die in London waren mir immer zu warm gewesen. Gegen eine Abwechslung hatte ich null Einwände.

Mittlerweile wusste ganz Mullingar, dass ich wieder da war und auch nicht vorhatte, wieder so schnell zu gehen. Und doch hatte es noch nicht das kleine Städtchen verlassen.

Und dafür war ich allen sehr dankbar.

Und natürlich George, der Barkeeper. Ein alter Kumpel von Dad. Das beste war, ich musste nur die Hälfte für ein Bier ausgeben als andere Leute. Gutes Vitamin B(eziehungen) war doch gut.

Ich nahm das kühle Glas in die Hand und trank einen Schluck.

Wieder erfüllte die gut schmeckende Flüssigkeit meine Geschmacksknospen.

Einfach nur grandios.

Ich stellte das Glas wieder ab und widmete mich meinem Handy. Seit drei Tagen nun hatte ich es ausgestellt. Ich hatte nicht vor, es wieder anzumachen und zu schauen, ob mich wer schon vermisste.

Andererseits war ich doch ganz schön neugierig.

Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe rum und starrte das schwarze Handy in meiner Hand an.

Sollte ich es tun?

Oder doch lieber nicht?

Ja?

Oder nein?

Gott.

Ich konnte mich echt nicht entscheiden. War ja schlimm mit mir.

„Naa, Nialler", ertönte eine dunkle Stimme hinter mir. Ich kannte sie nur zu gut. Dieser Jemand legte eine Hand auf meine linke Schulter und setzte sich neben mich auf den freien Barhocker. „Ich hab gehört, du bist wieder im Lande."

Ich drehte meinen Kopf nach links und sah in Darans grinsendes Gesicht. Er war noch in Hemd und Anzughose, hieß, er kam gerade von der Arbeit.

„Hast du richtig gehört", erwiderte ich und trank noch einen Schluck von meinem Bier.

„Was treibt dich hierhin?" - „Ach, die Familie. Du weißt schon. Ein wenig rumgammeln, vor dem Alltag entfliehen. Habs in der Stadt nicht mehr ausgehalten. Ist mir zu laut geworden."

So unwahr war das gar nicht.

Laut? Das passt gar nicht zu dem Niall James Horan, der mich vor fünf Jahren noch in den lautesten Schuppen Dublins gezogen hat", bemerkte er und hob die Hand, um George zu signalisieren, dass er sich auch ein Bier bestellen wollte.

(„Weißt du was, wir sollten mal in diesen neuen Schuppen in Dublin gehen! Der soll ja echt geil sein, meint zumindest Rick." - „Spinnst du, wenn du da wieder heil rauskommst, hast du das Gehör einer alten Oma. Und ich will meins noch behalten. Und außerdem ist Rick ein Angeber, der hat das doch so oder so nicht gemacht. Lass dir nicht solche Geschichten erzählen, Nialler.")

Oh ja. Diesen Niall gab's auch noch. Irgendwo.

Aber nur vielleicht.

Ich war schon lange nicht mehr die Partysau von früher, Eigentlich nicht mehr, seit ich diese Alpträume hatte.

Die ich mal - so nebenbei bemerkt - schon seit vier Tagen nicht mehr hatte.

Ich glaube, der Ausstieg von 1D bewirkt Wunder.

Wirklich, seit ich - inoffiziell versteht sich - kein Mitglied von 1D mehr bin, geht es mir von Tag zu Tag besser. Ich glaube, dass der Ausstieg wirklich meine persönliche Medizin war.

„Und was macht die Schlaflosigkeit?", erkundigte er sich weiter und nahm George das Glas Bier aus der Hand. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete: „Momentan eigentlich ganz gut."

Mehr wollte ich auch nicht sagen.

Das Thema Schlaf und Tabletten war mittlerweile ein Tabuthema für mich. Ich konnte diese zwei Dinge einfach nicht mehr hören.

Sie waren wie das Brüllen eines Löwes in meinem Ohr. Einfach viel zu laut.

„Weißt du, was ich an deiner Stelle machen würde?" Daran stellte sein Bier wieder auf dem Tresen ab und sah mich an, ich zuckte mit den Schultern: „Nein, keine Ahnung. Was würdest du denn gerne tun?"

„Eine Weltreise. Einfach jeden Zentimeter dieser verfluchten Welt erkunden, bevor wir nachher alle verrecken und keinen Blick auf sie werfen konnten. Einfach mal in das nächste Flugzeug steigen, sich an einen zufälligen Ort begeben, es sich für ein paar Tage dort gemütlich machen und dann relaxt weiterreisen. Und, so wie es aussieht, hast du in nächster Zeit ziemlich wenig zu tun. Also solltest du dir das mal überlegen. Denn ich glaube nicht, dass du schon alles gesehen hast während euren Touren...oder?"

Hm.

Ich dachte nach.

Eigentlich hatte er recht.

Vielleicht waren wir fast überall auf Welt gewesen, aber wirklich gesehen haben wir nur die Hotels, das Stadion und ein wenig von dem Wagen aus. Sonst sahen wir eigentlich kaum etwas.

Hm, schade...

Aber Daran's Vorschlag war wirklich verlocken.

Wirklichwirklichwirklichwirklichwirklich sehr verlockend.

„Nur ein Vorschlag", fügte er hinzu, klopfte mir auf die Schulter, dann stand er auf und verschwand zu seinen Kumpels an einen der kleinen Tische an der Wand.

Ich, noch immer das Handy in der Hand haltend, saß weiterhin und dachte nach, wohin ich überall könnte...

Ich könnte mein Geld für was Nutzvolles ausgeben, nicht für den ganzen Schrott.

Amsterdam, Rom, Berlin, Barcelona, New York...

Gott, das klang alles so...schön.

Ich glaube, ich mache diese Reise wirklich.

- und mit einem Mal leuchtete das Display meines Handys. Ohne darauf zu achten, hatte ich auf den On-/Off-Knopf gedrückt und der weiße Apple-Apfel leuchtete mir entgegen. Tausende Nachrichten und Anrufe wurden durch das ständige Vibrieren angekündigt. Ich hatte jedoch wenig Lust, sie alle durchzulesen, zumal ich ja wusste, was darin stand und wer sie mir geschrieben hatte.

Doch ein Anruf von vor ein paar Minuten ließ mich nachdenken.

Er war von Harry. Das einzige Mal, dass er sich gemeldet hat. Wirklich, die anderen gefühlten 1000 Nachrichten und Anrufe waren von Louis, Liam und Zayn.

Ich kaute auf meiner Lippe rum.

Schließlich tippte ich auf die Nachricht in der Mailbox und hörte mir seinen Anruf an.

Hey, Niall" - man hörte, dass er Angst hatte - „ich weiß, ich hab viel falsch gemacht. Ich weiß, ich hätte nicht so reagieren sollen. Es tut mir leid, ich hätte dir schon viel früher Hilfe beschaffen müssen, anstatt darauf zu warten, dass du deinen lahmen Arsch zu einem Psycho-Heini schwingst. Ich hätte dich nicht im Krankenhaus anschreien dürfen, du wolltest nur das Beste für dich und uns nicht zu sehr mit deinen Problemen belasten. Aber ich war ein schlechter bester Freund. Genau da, wo du mich am meisten gebraucht hast, da, wo du wirklich die Hilfe eines besten Freundes gebraucht hast, war ich derjenige, der dich verachtet hat. Um ehrlich zu sein war und bin ich ein ganz beschissener, mieser bester Freund. Es tut mir leid. Und die Jungs vermissen dich, ich vermisse dich auch. Also, wenn du bereits bist, wieder mit mir oder uns zu reden, du weißt, wo ich wohne. Aber bitte, lass dir nicht zu viel Zeit, sonst sind nachher Louis' Karotten weg, weil er sie vor Trauer alle aufgefressen hat. Man sieht sich."

Ich bewegte mich nicht.

Ich war verwirrt.

Wirklich verwirrt.

Ich hatte keinen Plan mehr, was ich von Harry denken sollte.

Erst scheißt er mich wegen den Tabletten an, dann ignoriert er mich und dann sagt er, es tut ihm leid. Litt er gerade an Stimmungsschwankungen, oder wie sollte ich das verstehen? Ich wurde aus ihm echt nicht schlau.

Also, wenn du bereit bist, wieder mit mir oder uns zu reden, du weißt, wo ich wohne."

Aber wann war dieses wenn?

Es könnte genauso in 10 Jahren sein, oder vielleicht doch in ein paar Minuten. Genauso gut könnte es für den Rest unseres Lebens sein, wer wusste das schon?

- außer der liebe Gott. Den lassen wir mal schön außen vor.

Ich war der Versuchung nahe, ihm zu antworten. Aber ich ließ es.

Ich wollte Abstand.

Und das hielt ich jetzt auch ein.

Ich ließ mir nicht von ihm alles kaputt machen, weil ich wegen seinem Anruf weich geworden bin.

Nein.

Ich machte so weiter, wie ich angefangen hatte. Und würde auch erst aufhören, wenn ich es vollbracht hatte.

MANCHESTER UNITED FÜHRT 1:0!!!!!!!!!!", schallte es aus dem Fernseher, so laut, dass mir beinahe das Glas Bier aus der Hand gefallen wäre.

Scheiß drauf.

Weltreise, ich komme.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top