#27. Weg.
N I A L L - 14.07.2017
Nachdem auch Greg und Dad mich kurz einmal gedrückt hatten, fanden wir uns alle wieder gemeinsam am Küchentisch wieder. Denise verteilte das lecker riechende Essen auf die Teller während mein Bruder Theo seinen Brei vor die Nase stellte und sich schließlich neben mich setzte.
„Und, wie geht's dir so?"
„Eigentlich ganz gut soweit", antwortete ich und nahm Denise den mit Essen beladenen Teller entgegen, „und bei euch anscheinend auch."
Dad schnaubte. „Außer dass dein Bruder in letzter Zeit ein wenig spinnt, ist alles beim Alten."
Ich spürte, dass sich Greg neben mir verspannte und seine Lippen aufeinander presste.
Oh oh, nein. Das war nicht gut. Nein, und zwar ganz und gar nicht.
„Ich bin ja auch nicht derjenige, der ständig andere provoziert", knurrte er zurück. Denise rollte genervt mit den Augen, und Mum stützte ihr Gesicht auf ihrer Hand ab und schüttelte den Kopf. „Bitte?!", erwiderte Dad leicht säuerlich.
„Hast mich schon richtig gehört", sagte Greg brummend, „und wenn du mich entschuldigen würdest, ich würde jetzt gerne essen. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich hab heute noch nichts gegessen und dementsprechend auch einen Bärenhunger."
Mich brauchte man erst gar nicht fragen.
Ich verhungerte beinahe.
IN LONDON
L I A M - 14.07.2017
„Liam, weißt du, wieso Onkel Si uns hierhin bestellt hat?", begrüßte Louis mich fragend, bevor er und ich uns eine kumpelhafte Umarmung gaben. Ich zuckte ahnungslos mit den Schultern.
Es waren nun ein paar Tage vergangen, nachdem Niall ins Krankenhaus geliefert worden war. Gehört hatten wir alle nichts mehr seit diesem Tag von ihm, aber ich verstand es. Er brauchte Ruhe, und die sollte er sich auch genehmigen.
Natürlich hatte es uns Harry regelrecht unter die Nase gerieben, dass Niall seine Tabletten nicht vom Arzt hatte. Wir waren anfangs genauso geschockt gewesen wie Harry, hatten uns jedoch schnell eingekriegt. Mittlerweile riss Louis sogar seine Scherze darüber - aber nur, wenn Harry nicht da war. Irgendwie krieselte es zwischen ihm und Niall. Keine Ahnung wieso.
Ich ließ mich neben ihn auf den schwarzen Ledersessel fallen und zog mein Handy aus der Tasche.
Während wir noch auf den Rest der Truppe warteten - wobei ich auch hoffte, dass Niall dabei war -, scrollte ich durch die neuesten News auf Twitter, aber nichts interessantes war dabei. Lediglich Justin Bieber hatte ein neues Bild von sich und seinem neuesten Tattoo gepostet, also nichts Spannendes.
Auch schaute ich bei den Jungs vorbei, doch nichts war neu. Bei Niall regte sich schon seit einer gewissen Ewigkeit nichts mehr, doch war er immer derjenige von uns gewesen, der fleißig und gerne mit der Welt teilte. Umso mehr wunderte es mich, dass sein letzter Tweet fast drei Wochen alt war.
Hm.
Naja...vielleicht war er momentan nicht so teilfreudig.
„Hey, Jungs", ertönte Zayn's Stimme, hinter ihm betrat Harry den Raum. Sein Blick war starr auf das Display seines iPhones gerichtet.
„HAZZA! Lass dich umarmen!", rief Louis freudig und warf sich in seine Arme. Der reagierte aber etwas zu spät, und so passierte es, dass Louis auf den Boden krachte.
Aua.
Der arme Junge.
„Aua...", stöhnte Louis und hielt sich die Hand an seine Lende.
„Sorry, Boobear", entschuldigte sich Harry und kniete sich sofort neben ihn, „alles okay? Sollen wir zum Arzt fahren? Oder doch-"
„Mir geht's gut!", unterbrach Louis unseren besten Kumpel und rappelte sich auf. Genau in diesem Moment betrat Simon den Raum, sein Blick war ernst.
Okay, was wird das?
Ich sah Zayn fragend an, der auch nur die Schulter zuckte und sich neben mich in den Sessel sinken ließ.
„Wollen wir nicht auf Niall warten, bevor wir anfangen? Er kommt-"
„Er wird nicht kommen, Liam", unterbrach er mich und sah mich an.
Wieso bekam ich nur so ein Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war? Und wieso bestätigte sich das Gefühl nur zu sehr, dass es mit Niall zu tun hatte?
„Schieß los, Si. Ich muss noch wohin, also wäre ich dir dankbar, wenn du dich spurten könntest", meldete sich Harry zu Wort.
Simon sah ihn nur an, bevor er eine Mappe aus der Schublade seines Schreibtisches hervorholte und sie vor unsere Nase auf den Tisch legte.
„W-Was ist das?", fragte Louis ein wenig ängstlich. Aber da war er nicht alleine. Zayn und ich hatten ebenfalls einen etwas ängstlichen Blick, der geradewegs auf diese eine Mappe gerichtet war. Nur Harry saß gelassen da und tippte auf seinem Handy rum.
„Ich muss euch leider sagen, dass ihr nur noch vier seid. Niall hat die Band verlassen."
Boom.
Im ganzen Raum herrschte Stille.
Harry's Finger schwebte über dem Display, der Mund leicht geöffnet.
Unsere Gesichter waren allesamt weiß. So richtig kalkweiß.
Niemand sagte etwas. Alles war still.
Ich realisierte erst zwei Sekunden später, was Simon da eigentlich gesagt hatte.
Niall hatte die Band verlassen. Ohne ein Wort. Ohne einen Abschied.
Einfach so.
Ohne Wenn und ohne Aber.
„Was?!", Zayn war der Erste, der sich von dem Schock der Nachricht erholt hatte, „Niall hat die Band verlassen?! Wieso erfahren wir erst jetzt davon?! Und wie lange hat er schon mit dem Gedanken gespielt?"
Louis fiel beinahe um, hätte ich ihn nicht rechtzeitig gestützt. Benommen setzte er sich auf den Sessel, auf dem noch ich vor wenigen Sekunden gesessen habe, und verschränkte die Arme.
„Er war erst gestern hier und hat das unterschrieben" - er deutete auf das Blatt Papier mit Niall's Unterschrift (Gott, wie übel mir bei dem Anblick dieses...Dinges wurde.) - „und seitdem hab ich nichts mehr von ihm gehört. Er hat schon mit diesem Gedanken seit ein paar Tagen gespielt-"
Mehr bekam ich nicht mit.
Ich sprang auf und stürmte aus dem Büro. Ich wollte mir sicher sein, dass das weder ein Albtraum noch einer von Louis' gut geplante Witzen war.
Ich wollte und konnte es nicht wahr haben.
Was wurde aus One Direction?
Werden wir jemals wieder die fünf Jungs sein, die die Konzerthallen mit unseren Stimmen und der der Fans erfüllt haben, die die Herzen der vielen Mädchen erobert haben?
Ich bemerkte etwas. Irgendetwas an meinem Herzen fehlte. Genau da, wo sich die jahrelange Freundschaft zwischen mir und Niall befand. Da war nun ein Loch. Er war einfach weg. Weg. Von Heut auf Morgen. Wieso? Wieso zum Teufel noch mal?! Wir hätten ihm helfen können, hätten ihm Hilfe besorgt! Aber er ist weg. Und ich hatte eine Ahnung, wo er sich befand. Hoffentlich war er noch in seiner Wohnung.
Ich stürmte hinaus zu meinem Wagen und riss die Tür auf. Zwei Sekunden später steckte der Schlüssel im Zündloch und der Wagen setzte sich in Bewegung. Für mich war es wie eine Ewigkeit bis ich das Viertel erreichte, indem sich Niall's Wohnung befand.
Wie vom Teufel verfolgt hechtete ich die Treppen hoch - für den Aufzug hatte ich weder Zeit noch die Geduld, auf ihn zu warten. Hektik fummelte ich an meinem Schlüsselbund herum bis ich den richtigen Schlüssel gefunden habe und die Tür aufschloss.
Doch statt das mich eine lebendige Wohnung begrüßte, kam mir gähnende Leere entgegen. Außer ein paar Auszugskartons stand hier nichts mehr drinnen.
Nein...
Neinneinneinneinneinnein!!
NEEEEEIN.
Ich fuhr mir gestresst durch die Haare und ging hin und her. Doch kein Niall hier und auch kein Niall dort. Immer nur gähnende Leere.
Ich sank auf den Boden und starrte das Datum des Auszugkartons an.
13.07.2017
Der Tag war gestern.
Schon seit gestern war Niall nicht mehr. Schon seit gestern war er kein Mitglied von 1D. Seit gestern war er nicht mehr mein Bandkollege.
Seit gestern war er einfach verschwunden.
Er war aus meinem Leben getreten.
Ich bemerkte einen Zettel auf einen der Kartons. Neugierig nahm ich ihn die Hand und erkannte Niall's schnörkelige Linkshänderschrift.
Es tut mir leid.
N.
„Liam..."
Ich drehte mich um und sah Harry, der mir dem Anschein nach gefolgt worden war. In seinem Gesicht zeichnete sich deutlich das Gefühl von Schuld ab.
„Das ist alles deine Schuld!" Mit einem Satz war ich auf den Beinen und ging langsam, mit bedrohlichen Schritten auf Harry zu. „Hättest du ihn nicht so wegen der Tabletten abgewiesen, sondern ihm Hilfe beschaffen hättest, wäre er noch hier! Wegen dir hat er die Band verlassen! Und du nimmst das einfach so hin! Was für ein beschissener bester Freund bist du eigentlich?!"
Ich stand nun exakt vor um und funkelte ihn an.
Ich war wütend.
Wütend auf Harry.
„Es tut mir."
Ohne, dass ich darauf geachtet habe, war meine Faust in seinem Gesicht gelandet. Harry's Gesicht verzog sich vor Schmerz und einzelne Bluttropfen tropften aus seiner Nase. Er wankte und fiel auf den Boden. Genau zu dem Zeitpunkt kamen auch Louis und Zayn.
„Liam, was hast du getan?!", Louis hockte sich fassungslos neben Harry und tupfte das Blut von Harry's Nase weg.
„Die Frage ist nicht, was ich getan habe, sondern er!!!", erwiderte ich knurrend und ließ mich auf dem Holzboden nieder.
Zayn runzelte die Stirn als er den Zettel entdeckte. „Es tut mir Leid. N. Ist das von Niall?"
„Von wem denn sonst du Hohlkopf?!", pflaumte ich ihn an und verdrehte die Augen. Manchmal könnte ich ihn wirklich eine klatschen.
Es war still, nur Harry's qualvolles Stöhnen hallte durch den leeren Raum. Louis starrte auf seine blutende Nase, während Zayn den Zettel weiter begutachtete und ich durch die Luft starrte.
„Vielleicht ist hier ja ein Beweis darauf, wo sich Niall womöglich befinden könnte", kam es von Zayn. Ich lachte auf und erwiderte: „Ach ja? Und wie kommst du jetzt darauf, Detective Malik? Willst du das zur Kriminalanalyse schicken oder wie?!" Das konnte doch nicht wirklich sein Ernst sein!
„Liam, reg dich nicht so auf."
„ICH?! Ich soll mich nicht so aufregen?!" Ich lachte sarkastisch auf. „Sag mal, willst du mich verarschen, Louis?! Niall hat die Band verlassen, ist von Heut auf Morgen verschwunden! Und das juckt dich nicht?! Was seit ihr für Freunde?"
„Du hast mir die Nase gebrochen!", meldete sich Harry's Stimme, die vor Schmerz zitterte.
„Hast du auch verdient", meinte ich düster.
„Aber das tut weh!!!"
„Jetzt halt deine Klappe und heul nicht so rum wie ein kleines Baby!", fuhr Louis ihn wütend an. „Du hast hier erst recht nichts zu sagen!" Harry biss sich auf die Lippe, sagte aber nichts. Es war es nicht wert, sich jetzt zu streiten. „Und wie sollen wir, deiner Meinung nach, Detective Malik, Nialler finden? Er könnte doch überall sein!"
„Wieso fragen wir nicht Lou? Die weißt doch alles."
*
„Tut mir leid Jungs", sie schenkte uns ein trauriges Lächeln, „ich habe leider keine Ahnung, wo sich Niall befindet. Und er hat euch nichts gesagt?" - Wir schüttelten alle traurig den Kopf - „Hm, aber das ist doch gar nicht seine Art!" Sie ging hin und her und hin und her. „Habt ihr es schon in seiner Wohnung versucht oder dem Haus an der Küste?"
Nicken ging durch die Runde.
„Dann tut es mir leid, ich kann euch leider nicht weiterhelfen."
„Danke trotzdem", Zayn umarmte unsere Stylistin und machte sich auf den Weg nach draußen. Ich folgte ihm mit hängendem Kopf.
Ein Versuch war es wert gewesen.
H A R R Y - 14.07.2017
Während die anderen Jungs rausgingen, blieb ich noch stehen und sah unsere Stylistin a.k.a unsere beste Freundin und Tour-Mutti an.
„Du weißt es, oder?"
Die Nase tat noch weh von Liam's Faust. Nie im Leben hätte ich geahnt, dass er so eine Kraft in der Hand hatte. Da hat sich das Boxtraining doch ausgezahlt.
„Ich weiß nicht, wovon du redest, Harry", erwiderte sie einsilbig und setzte sich auf die schwarze Ledercouch.
„Lou, ich kenne dich und weiß, dass du die schlechteste Lügnerin auf ganz Erden bist." Sie seufzte und antwortete: „Vielleicht magst du recht haben. Aber ich kann's, darf's und will's auch nicht sagen. Ich habe es ihm versprochen. Und Versprechen bricht man bekanntlich nicht."
Naja, ein Versuch war es wert gewesen.
„Bist du denn gewillt, mir es eines Tages zu verraten?", fragte ich hoffnungsvoll.
Sie lächelte.
„Ich glaube, dass Niall es euch sagen wird, sobald er bereit dafür ist."
Mit diesen Worten wandte sie sich von mir ab.
Ich ging aus der Wohnung und wählte dabei eine Nummer.
„Heeeeeeey, hoooooo!! Zurzeit bin ich leider nicht erreichbar, weil ich vermutlich- aber sehr wahrscheinlich - was Essen oder mit einen von den Idioten unterwegs bin. Deswegen, bitte spreche nach dem *PIEEEEEEEEP*"
„Hey, Niall", begann ich zögernd. „Ich weiß, ich hab viel falsch gemacht. Ich weiß, ich hätte nicht so reagieren sollen. Es tut mir leid, ich hätte dir schon viel früher Hilfe beschaffen müssen, anstatt darauf zu warten, dass du deinen lahmen Arsch zu einem Psycho-Heini schwingst. Ich hätte dich nicht im Krankenhaus anschreien dürfen, du wolltest nur das Beste für dich und uns nicht zu sehr mit deinen Problemen belasten. Aber ich war ein schlechter bester Freund. Genau da, wo du mich am meisten gebraucht hast, da, wo du wirklich die Hilfe eines besten Freundes gebraucht hast, war ich derjenige, der dich verachtet hat. Um ehrlich zu sein war und bin ich ein ganz beschissener, mieser bester Freund. Es tut mir leid. Und die Jungs vermissen dich, ich vermisse dich auch. Also, wenn du bereits bist, wieder mit mir oder uns zu reden, du weißt, wo ich wohne. Aber bitte, lass dir nicht zu viel Zeit, sonst sind nachher Louis' Karotten weg, weil er sie vor Trauer alle aufgefressen hat. Man sieht sich."
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