#22. Enttäuschung
Seine sonst so grünen Augen funkelten in einem bedrohlichen dunkelgrün, dass mir im wahrsten Sinne des Wortes ein Schauder über den Rücken lief.
Sie wirkten sowohl besorgt als auch wütend.
Aber worauf war er denn wütend?
Wusste er etwa davon?
Seinem Blick nach zu urteilen, wusste er es. Sonst würde er mich nicht so dunkel anschauen.
Ich versuchte es jedoch mit der Ich-liege-im-Krankenhaus-und-kann-mich-an-nichts-mehr-erinnern-Masche und blinzelte gespielt verwirrt durch den Raum.
Die Jungs - abgesehen von Harry - standen in einem großen Kreis um das Krankenbett, in dem ich mich befand und das Zentrum des Zimmers bildete, herum. An der Wand hing ein Fernseher und eine Uhr, die in regelmäßigen Abständen ein Tick von sich gab. Zu meiner rechten Seite befand sich eine weitere Tür, die, schätze ich, zu dem kleinen Bad führte.
Direkt neben meinem Bett stand das Herzfrequenzgerät.
Irgendwie machte mir dieses Ding Angst.
Zu wissen, dass dieses Ding zwei Mal meinen Tod angezeigt hatte, jagte mir erneut einen kalten Schauer über den Rücken.
An meinem linken Handgelenk war die Ampulle für den Tropf befestigt.
Das hatte Harry mit dieses komische Zeug gemeint.
Er war noch nie ein Fan von Krankenhäusern gewesen. Mal waren sie ihm zu sauber, mal zu voll mit alten Leuten, mal fand er die Ärzte unfreundlich, mal freundlich. Er konnte sich nie wirklich entscheiden, was er wollte.
Alle außer er hatten eine besorgte Miene aufgesetzt, insbesondere Liam, der sich kurzer Hand ans Ende des Bettes niedergelassen hatte.
„Wo bin ich?", brachte ich leise zu Stande. Trotz dass meine Sinne wieder vollkommen bei Verstand waren, schafften es meine Stimmbänder nicht, sich zusammenzureißen und einen vernünftigen Ton zustande zu bringen.
„Du liegst im Krankenhaus", kam es von Zayn.
„Im Krankenhaus? Wieso?"
Ich blickte die Jungs erneut nacheinander an.
„Ich wollte dich und Louis abholen", fing Harry mit fester Stimme an, „und als ich dich wecken wollte, bist du nicht aufgewacht. Außerdem war dein Puls beunruhigend langsam, deswegen haben wir dich dann hier hin gefahren. Du hattest zwei Mal einen Herzstillstand, Niall. Du warst zwei Mal so gut wie tot."
„Harry", zischte Louis durch seine zusammengepressten Lippen und sah ihn durchdringend an. Auch den anderen ist es aufgefallen, dass in seinem Ton ein leicht säuerlicher Ton mitgeschwungen war.
„Was?! Ich spreche nur die Wahrheit aus!"
„Har-"
„Liam", unterbrach ich ihn seufzend und fuhr mir einmal schwach durch meine zerzausten Haare. „Es ist gut jetzt. Ich habe keine Lust, dass ihr euch direkt wieder in den Haaren liegt. Das Erste, was zählt, ist doch, dass ich überhaupt am Leben bin, oder?"
Zayn nickte zustimmend. „Und ich bin dafür, dass wir jetzt Nialler was ordentliches zu Essen holen. Dieser Brei hier kotzt mich ja jetzt schon an."
Louis fing an zu kichern und folgte Zayn und Liam aus dem Raum.
Jetzt waren Harry und ich alleine im Raum.
Eine bedrückende Stille entstand.
Harry setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett und sah mich geradewegs an, während ich den Blick nach draußen durch das Fenster gleiten ließ.
In meinem Bauch machte sich ein Gefühl bemerkbar.
Ein unangenehmes Gefühl.
Draußen fing es an wie aus Eimern zu regnen. Der Himmel hatte anscheinend nur darauf, dass ich aufwache, um dann seinen ganzen Ballast abwerfen zu können.
- und nein Himmel, ich fühl mich nicht sehr geschmeichelt von dir!
Man hörte nur das Prasseln des Regens gegen das Fenster, die Stimmen der Schwestern aus dem Flur und das Piepen des Herzfrequenzgerätes war zu hören. Sonst herrschte eine unangenehme Stille.
Man hätte sogar eine fallende Nadel gehört, so still war es.
„Du warst gar nicht beim Arzt, oder?" Harry's Stimme unterbrach schließlich diese Kälte zischen uns.
Es überraschte mich, dass er es auf so direkte Weise aussprach, ja, aber dass da ein etwas unterkühlter Unterton mitschwang hätte ich nicht gedacht.
Deshalb ließ ich mir mit meiner Antwort auch ganz viel Zeit.
Ich wusste jetzt schon, dass seine Sicherungen vollkommen durchbrennen würden, wenn er das erfahren würde.
Dass ich gar nicht beim Arzt war.
Dass das Rezept gefälscht war.
Und, um ehrlich zu sein, ich fürchtete mich vor diesem Augenblick.
„Niall?"
Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und sah ihn geradewegs aus an. Er erwiderte meinen Blick, jedoch war sein ganzes Gesicht emotionslos.
Kalt.
Ein Schauer lief mir (schon wieder) den Rücken entlang.
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir dieser Moment gefiel. Denn das tat er zu 100 Prozent nicht.
Ein riesiger Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und machte es mir schwer, irgendetwas zu sagen. Ich wandte meinen Kopf wieder dem Fenster zu und gab ein gekrächztes „Nein" von mir.
„Wieso, Niall? Wieso hast du uns angelogen?"
„Weil."
Ich hörte wie Harry en Stuhl zurückschob, aufstand und ums Bett herumkam um mir direkt ins Gesicht zu sehen.
„Weil? Das ist deine Antwort?! Weißt du wie viele Sorgen wir uns gemacht haben?!? Weißt du, wie es sich angefühlt hat zu hören, dass dein Herz nicht mehr geschlagen hat und du klinisch vollkommen tot warst? Diese ganze Scheiße wäre nicht passiert, wenn du nicht einfach deinen Arsch zum Arzt bewegt hättest und er dir legal Schlaftabletten verschrieben hätte! Aber nein, du bist dir anscheinend zu gut dafür, und läufst geradewegs noch mehr in die Scheiße rein! Hast auch mal irgendwann dein Hirn angeschaltet und ist das jetzt auf Dauer-Aus gestellt, hm?!"
Seine Worte trafen mich.
Härter als gedacht.
Krampfhaft versuchte ich die Tränen, die sich einen Weg an die Oberfläche bahnen wollten, zurückzuhalten.
Aber Harry hatte sowas von Recht.
Ich war ein egoistischer Arsch.
Das bestätigter doch nur noch mehr, dass man mich als psychogestörten Irren abstempeln sollte. Wieso also nicht direkt ignorieren?
„Und das hast du jetzt davon! Liegst hier im Krankenhaus für weiß ich nicht wie viel Tage und liegst stumm in diesem Bett und kannst mir nicht einmal ins Gesicht sehen! Bist du jetzt zu feige, mir die Wahrheit zu sagen?!", machte er wütend weiter.
Ja.
Ja, das war ich.
Ein Feigling.
„Niall, ich re-"
„Ich habe dich durchaus gehört, Harry", unterbrach ich ihn. „Und ja, du hast Recht. Ich hab mich selber in die Scheiße hineingeritten, also muss ich sie auch selbst wieder ausbahnen. Aber wenn ich euch mit meinen Problemen so sehr nerve, sollte ich einfach gehen oder sie gar nicht erwähnen, oder? Es tut mir leid, dass ich so ein egoistisches Arsch bin, aber ich kann halt nun mal nichts für mein stures, dummes Hirn, okay?!"
Er öffnete seinen Mund um etwas zu erwidern, aber just in diesem Moment öffnete sich die Türe und ein Arzt betrat den Raum.
„Ah, Mr. Horan, Sie sind aufgewacht. Wie schön. Ich würde Ihnen dann gerne ein paar Fragen stellen, wenn es Ihnen nichts ausmacht...?" Ich schüttelte den Kopf. „Gut, dann würde ich allerdings den anderen jungen Herrn bitten, den Raum zu verlassen."
Mir war das nur Recht.
Harry sah mich noch einmal an, dann ging er mit stapfenden Schritten aus dem Raum. Nachdenklich schaute ich ihm hinterher.
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