#2. Interview des Grauens
Am nächsten Morgen war ich definitiv der Erste von uns fünf, der wach war und sich aus der Minibar ein Twix leistete. Harry war knapp zwanzig Minuten nach seiner Frage ins Land der Träume gesegelt während Liam noch tapfere anderthalb Stunden wach bleiben konnte und mir irgendwelche Witze erzählt hatte, bevor er dann wie Harry weggenickt ist.
Ich war die ganze, ja die ganze Nacht wach geblieben, mal wieder. Und meine Vermutung wegen Aussehen und so hatte sich bestätigt als ich vor dreißig Sekunden in den Wandspiegel geschaut hatte.
Ich lief rum wie ein Zombie. Wie die aus The Walking Dead, das ich dank Louis nicht mehr sehen konnte ohne Angstausbrüche zu bekommen und mich hinter dem Sofa zu verstecken. Er fand es nämlich total witzig, mich nachts mit einer Zombiemaske und allem Drum und Dran zu erschrecken.
Mit schlurfenden Schritten und einem Twix in der Hand ging ich in das kleine Badezimmer und schnappte mir meine Zahnbürste.
Ich mied extra den Blick zum Spiegel. Somit hatte ich nicht noch mehr die Bestätigung, dass ich ein psychogestörter Verrückter bin, der wie ein dahergelaufener Irrer durch die Gegend schlurfte.
Der Geschmack der Zahnpasta hatte einen merkwürdigen Geschmack. Zwar stand auf der Packung mit Pfefferminzgeschmack, aber es schmeckte eher nach Hundekot und einer abgelaufenen Milch.
Im Moment schmeckte ich sowieso nichts. Nicht einmal das Twix, das jetzt friedlich irgendwo in meinem Margen schlummert, hatte einen Geschmack oder wenigstens den Geschmack, den ich eigentlich kannte.
„Scheiß Alptraum...", murmelte ich mit der Zahnbürste im Mund und fing an, mir die Haare einigermaßen zu richten. Und mit einigermaßen kam eine volle Katastrophe raus.
Hmpf.
„JUNGS!!! ALLE MANN AUFSTEHEN!!!", ertönte auch schon Paul's Stimme um Punkt halb sechs im Flur neben mir.
„Bin schon wach", sagte ich und steckte meinen Kopf zur Tür hinaus. Paul hatte wie immer das weite, schwarze T-Shirt mit der ebenfalls weiten schwarzen Jeans an.
„Hast du keine Hobbies oder wieso bist du seit Wochen immer der Erste, der morgens schon wach ist?"
„Ein Hobby ist es nicht, eher ein Fluch - wenn man es so nennen kann", murmelte ich, aber Paul hatte es nicht mehr gehört, da er in Zayn's und Louis' Zimmer hereingeschneit war und sie aus den Federn schmiss.
Harry kam ins Badezimmer und stellte sich neben mich ans Waschbecken, um sich wie ich die Zähne zu putzen.
„Morgen, Nialler."
„Morgen."
Harry drückte etwas Zahnpasta - mit Pfefferminzgeschmack nichts zu vergessen! - auf die Zahnbürste und steckte sie sich anschließend in den Mund.
„Niall, darf ich sagen, dass du ganz schön scheiße aussiehst?" Harry lachte über sich selber und schnappte sich Zayn's Kamm.
„Danke, Harry. Das werde ich als Kompliment auffassen", brummte ich und spuckte die restliche Zahnpasta aus meinen Mund ins Waschbecken.
„Hey, zieh nicht so ein Gesicht!"
Will ich ja auch gar nicht. Du hast es mir ins Gesicht gezaubert, du Kobold.
Ich brummte etwas Unverständliches und verschwand in meinem Zimmer. Dort wechselte ich von meiner Jogginghose und weißem Tanktop in eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt. Die Koffer waren halbwegs wieder gepackt, denn nach dem Interview würden wir wieder zum Flughafen fahren und - eeeeeeeeendlich - nach Hause fliegen. Nach London. In mein kuscheliges, weiches, bequemes....Bett.
Wie sehr ich es schon vermisst habe.
Aus meinem Koffer schnappte ich mir meine RayBen-Sonnenbrille und zog sie mir auf.
Eine halbe Stunde und einen nassen Louis später saßen wir schließlich im Wagen und fuhren in einem rasanten Tempo zu dem Quartier der New York Times. Paul fuhr im rasanten Tempo die Fifth Avenue entlang, dabei hielt er sein Handy in der Hand und redete ständig mit irgendwelchen Leuten aus der Redaktion.
„Paulinchen, fahr doch nicht so schnell! Gleich haben wir dank dir auch noch einen Autounfall, weil du so schnell zum Interview wolltest!", meinte Louis auch noch einen draufsetzen zu müssen.
„Louis, halt deine Klappe, sonst werde ich sie dir gleich persönlich mit meinen Fäusten verstopfen, sodass du nicht mal in hundert Jahren es wagst zu sprechen? Hast du mich klar und deutlich verstanden?" Paul sah Louis mit so einem furchteinflößenden Blick an, dass ich mich beinahe in die hinterste Ecke des VW's versteckt hätte. Leider saß ich in der hintersten Ecke. So ein Mist!
„Klar und deutlich", murmelte Louis und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust.
Beleidigte Leberwurst.
Ich lehnte meinen Kopf müde gegen das Fenster und beobachtete die Leute, die draußen ihr Unwesen trieben. Ab und zu sah ich auch einzelne Kinder, die eigentlich gar nicht so recht ins Bild passten: dunkle Haut, rissige Klamotten, spargelähnliche Körper. Das waren definitiv keine typischen amerikanischen Kinder.
Mir fielen ab und zu die Augen zu, aber ich riss sie wieder ganz schnell auf, damit ich nicht noch einmal so einen Albtraum habe. Ich sollte mir nichts dabei denken, aber dass diese Art von Traum mich jede Nacht heimsuchte, war etwas seltsam und machte mir ein wenig Angst.
„So, alle Mann aussteigen!!!"
Ich wurde von Liam nach draußen geschoben. Auf dem riesigen Parkplatz standen zwei Männer, die sofort auf uns zukamen, mit Paul irgendetwas besprachen, der daraufhin zufrieden nickte, und bugsierten uns schließlich in das riesige Redaktionsgebäude der NYT - das zu meinem Erstaunen aus ganzen 14 Stockwerken bestand!!
Ich schlurfte hinter den Jungs her und kassierte merkwürdige Blicke auf mir von den ganzen Redaktions-Typen, die hier und da mal einen Kaffeplausch hielten. Noch nie einen zombieartigen Sänger gesehen?!
Ich achtete einfach nicht drauf und folgte den Jungs in eine Art Konferenzraum mit einem riesigen Tisch, an dessen Ende schon eine Frau Mitte 20 ihren Platz eingenommen hatte. Als Harry sie erblickte - ich muss nicht erwähnen, was ihm wohlmöglich durch den Kopf geschossen ist - riss er unerwartet die Augen auf und leckte sich mit der Zunge über seine Unterlippe.
„Harry, wir sind hier um ein Interview zu geben. Nicht, damit du die Interviewerin vernaschen kannst, okay?!", zischte ihm Zayn zu, der natürlich wie ich seinen Blick bemerkt hatte.
„Jaja, schon verstanden. Interview geben, nicht die Frau vernaschen - auch wenn ich es gerne tun will. Ich krieg das hin."
Ich ließ mich neben ihm auf einen der Konferenzstühle nieder und betrachtete die Spuren des Holzes im Tisch, was meine Aufmerksamkeit mehr an sich zog als die Frau, die uns dem Anschein nach einen nach den anderen begrüßte.
„Niall?!"
Erschrocken drehte ich mich um und sah die Blicke der Jungs. Erst jetzt realisierte ich, dass die Frau mir lächelnd die Hand hinhielt, die ich sofort schüttelte und einfach nur kurz lächelte.
So ein Mist ey...
„Dann wollen wir mal anfangen...", begann die Interviewerin namens Celine Anderson, zumindest stand es auf dem Kärtchen, dass sie sich an ihren schwarzen Blazer festgesteckt hatte.
Und ich schwöre bei Gott, das war das schlimmste Interview, das ich jemals geführt habe. Wirklich das aller, aller, aller, aller schlimmste. Noch nie bin ich in einem Interview so oft weggenickt wie heute oder wurde so oft Opfer von Fragen der Interviewerin oder der Jungs.
Es lief folgendermaßen ab:
Miss Anderson: Bald geht es ja schon wieder nach Hause für euch! Eure Tour ist zu Ende, findet ihr es schade oder seid ihr froh, wenn ihr wieder zurück in London seid?
Liam: Einerseits ist es schade, dass die Tour schon so schnell vorbei ist, andererseits freut sich - glaub ich - jeder auf London. Besonders Niall, der hat in letzter Zeit ziemliche Schlafprobleme.
Ich: Hmm, was?
Harry: Liam, DAS nennst du Schlafprobleme? Niall hat ein richtiges Schlaftrauma! Ist doch nicht normal, dass der Junge jede Nacht aufwacht und wie ein Schloßhund anfängt zu heulen.
Zayn: Harry, dir ist schon klar, dass der schloßhundähnliche Junge direkt neben dir sitzt und jedes einzelne Wort hören kann?
Ich: Wo ist ein Hund?
Zayn: Okay, ich nehme alles zurück. Können wir weitermachen?
Miss Anderson: Haha, aber natürlich! Es gibt auch einige Gerüchte, dass ihr bereits an einem neuen Album arbeitet! Stimmt das, und wenn ja: Wann kommt es raus?
Louis: Ja, es ist tatsächlich ein neues Album in Arbeit. Allerdings muss noch ziemlich viel dran gefeilt werden. Die Veröffentlichung des neuen Albums steht noch in den Sternen, so viel steht fest.
Zayn: Du stehst in den Sternen, Louis.
Ich: Was steht in den Sternen?
Harry: Man, Niall! Hörst du auch mal zu oder befindest du dich nur körperlich anwesend hier??!
Ich: Sorry, hab gerade nicht zugehört, also wer steht in den Sternen?
Liam: Das ne-
Zayn: Louis.
Louis: Können wir dann weitermachen?! Danke!
Miss Anderson: Diesbezüglich Niall's Schlafproblem... Seit wann hast du das schon?
Louis: Niall? Hallo???
Ich: Äh was?
Harry: Du bist echt nicht mehr zu retten.
Ich: Jaja, na vielen Dank auch. Wie war die Frage nochmal?
Zayn: Wie lange du schon deine Schlafprobleme hast.
Ich: Achso... Ca. 8 Wochen, kann allerdings schon länger dauern. Um ehrlich zu sein habe ich nicht wirklich mitgezählt, ha ha.
Miss Anderson: Und wie ist es so schlaftstechnisch mit euch? Liam, Harry, Zayn und Louis?
Louis: Ich hab schon einmal länger geschlafen, aber sonst geht es eigentlich.
Harry: Louis hat gut reden. Liam und ich haben meistens mit Niall die größten Schlafprobleme, weil der werte Herr neben mir - also Niall - immer aufwacht und nicht alleine sein will. Und da müssen wir auch immer aufbleiben. Letzte Nacht waren es mal wieder drei Stunden ohne Schlaf.
Liam: Für dich waren es eher zwanzig Minuten.
Ich: Für wen waren es zwanzig Minuten? Zayn?
Harry: Klar, Niall. Ich heiße Zayn und der da mit den schwarzen Haaren ist Harry. Nein, du Volldepp! Für MICH waren es eher zwanzig Minuten.
Ich: Liam hat anderthalb Stunden ausgehalten.
Zayn: Sag ich mal gedisst, oder Harry?
Harry: Halt doch deine Klappe, Zayn! Grr.
Und so ging das immer weiter und weiter. Die Jungs unterhielten sich zumeist mit Miss Anderson über mich - immer auf die Iren halt - und wurden mit Fragen wegen dem neuen Album, einer womöglich neuen Tour etc. bombardiert. Ich sagte nicht viel, meine Augen fielen mir mal wieder zu und als ich dachte, ich würde schlafen, riss mich die Stimme von Miss Anderson ins Hier und Jetzt.
„So, das war's schon wieder! Es hat mich wirklich gefreut, euch fünf Gentlemen kennengelernt zu haben."
„Hust, und einer davon ist ständig weggenickt, hust", säuselte Harry und kassierte einen Schlag gegen den Hinterkopf von Liam.
„Die Freude liegt ganz unsererseits", erwiderte Zayn fröhlich und wir schüttelten ihr alle noch mal freundlich die Hand.
Paul wartete schon draußen vor dem Eingang auf uns. Er telefonierte, mal wieder, aber sein Gesicht sah ganz anders aus als sonst. So...hm. So besorgt? Aber Paul und besorgt? Niemals im Leben! Da ist ja eher die Menschheit auf den Mond umgezogen als das Paul besorgt ist. Darauf verwette ich mein ganzes Essen!
Okay, vielleicht nicht mein ganzes Essen. Ein winziges Stück?
„What's the matter, Paul?", fragte Louis und stellte sich breit grinsend vor unseren Bodyguard.
„Jungs, ich muss euch was sagen."
Oh oh. Wieso habe ich nur gewusst, dass sowas heute passieren würde?
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