#12. Ein einziger Anruf
„Ich gehe nicht zum Psychiater. Schluss", beendete ich Harry's Diskussion. Er merkte wohl selber, dass ich ein hoffnungsloser Fall war. Er seufzte und nickte.
Mein Blick fiel wieder auf mein Handy, Harry folgte ihm und sah mich fragend an.
„Ähm...kannst du mir eben helfen? Ich muss an die frische Luft", fragte ich ihn und setzte meinen besten Hundeblick auf. Er nickte und half mir aufzustehen. Auf wackeligen Beinen ging ich mit ihm als Stütze zum Balkon.
Ich kam mir ja irgendwie vor wie so ein alter Opa, der von dessen Altenpfleger geführt werden muss, damit der überhaupt richtig gehen konnte.
Ich ließ mich auf den Terrassenstuhl fallen und starrte durch die Gegend. Harry hatte sich schweigend an die Glasscheibe gelehnt und schaute wie ich durch die Gegend.
„Du solltest trotzdem Mal einen Psychiater aufsuchen. Vielleicht kann er dir ja doch helfen!"
„Harry..."
„Ich mein ja nur! Ich kenne auch einen ziemlich guten Psychiater hier in der Gegend", meinte er achselzuckend. Ich zog eine Braue hoch.
„Du kennst einen Psychiater? Seit wann das denn?"
Harry starrte auf einen Punkt in der Ferne und antwortete mir nicht direkt. Es vergingen etliche Minuten ehe er antwortete.
„Weißt du noch, wo ich an diesem einen Tag total viel getrunken habe, weil ich diesen ganzen Druck von wegen Medien und Auftritte und all dem Zeugs nicht ausgehalten habe?" Ich nickte. „Da meinte Louis, ich sollte mit diesen Problemen zum Psychiater gehen. Der hat mir auch geholfen. Seitdem trinke ich nicht mehr so viel. Nur ab und zu... Du solltest es dir wirklich überlegen. Ich bin drinnen und räume dein Zimmer auf."
Mit diesen Worten verschwand er vom Balkon und schloss die Terrassentür hinter sich.
Das war meine Chance.
Ich kramte aus der Tasche meines Pullis mein Handy hervor und tippte eine Nummer ein. Ich hoffe, er erinnerte sich noch an mich. Sonst wäre das doch ein wenig peinlich...
„Hallo?"
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er dran gegangen war.
„Äh, hey Daran. Hier ist Niall."
„Ach, hey Niall! Lange nicht mehr gesprochen? Wie geht es dir so?", er schien wirklich erfreut darüber zu sein, dass er meine Stimme nach einem halben Jahr wieder hörte. Irgendwie...so erleichtert?
„Hm, ja, mal so, mal so. Und wie geht es dir so?", erwiderte ich der Wahrheit gemäß.
„Mir geht es auch gut. Jenny und ich haben vor zwei Monaten geheiratet, sie ist jetzt im ersten Monat schwanger und sonst ist hier eigentlich nichts Spannendes passiert. Aber sag, Niall, weshalb rufst du an?"
Ich schluckte.
„Hm, also...könntest du einen Gefallen für mich tun?"
Ich hörte ihn seufzen. Er musste schon genau, wovon ich sprach.
„Niall, du weißt doch, dass ich das nicht mehr mache. Ich bin da raus, schon seit zwei Jahren", erwiderte er und auf einmal wirkte er so ernst.
Wieso waren eigentlich alle Leute in meiner Umgebung so ernst?! Das war ja nicht auszuhalten.
„Bitte, nur dieses ein letztes Mal! Ich versprech's! Du musst auch gar nicht viel tun, du musst mir nur von irgendwoher Schlaftabletten besorgen!", erwiderte ich mit flehender Stimme.
Auf einmal fühlte ich mich beobachtet. Verwundert drehte ich mich um, ich sah aber nur Harry, der fleißig mein Zimmer aufräumte.
Merkwürdig...
Harry's Sicht
Ich hatte mich an die Glaswand gelehnt und starrte wie Niall einen Punkt in der Luft an.
„Du solltest trotzdem Mal einen Psychiater aufsuchen. Vielleicht kann er dir ja doch helfen!", rutschte es mir heraus. Ein geknurrtes „Harry..." kam zurück. Aber ich wollte ihm endlich mal helfen, auch wenn er die Hilfe von niemandem annehmen wollte.
„Ich mein ja nur! Ich kenne auch einen ziemlich guten Psychiater hier in der Gegend", meinte ich achselzuckend und sah ihn an, er hatte einen ernsten Gesichtsausdruck.
„Du kennst einen Psychiater? Seit wann das denn?", fragte er stattdessen, er wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. Das war nicht zu überhören.
Ich erinnerte mich nicht gerne an die Zeit zurück, in der ich wegen diesem Druck von der Presse und dem Management getrunken hatte. Man nannte es auch Problem-wegsaufen. Aber im Nachhinein hatte es mir rein gar nichts gebracht, nur dass ich zum Schluss einen Absturz hatte.
„Weißt du noch, wo ich an diesem einen Tag total viel getrunken habe, weil ich diesen ganzen Druck von wegen Medien und Auftritte und all dem Zeugs nicht ausgehalten habe?" Er nickte. „Da meinte Louis, ich sollte mit diesen Problemen zum Psychiater gehen. Der hat mir auch geholfen. Seitdem trinke ich nicht mehr so viel. Nur ab und zu... Du solltest es dir wirklich überlegen. Ich bin drinnen und räume dein Zimmer auf."
Ich stellte mich wieder gerade hin und verschwand in Niall's Schlafzimmer. Hier sah es echt so aus als hätte man hier das letzte Mal vor fünf Jahren aufgeräumt. Aber Niall war ja bekanntlich nicht so der Aufräum-Typ.
Seufzend bückte ich mich um einen Teil seiner dreckigen Klamotten aufzuheben und in den Wäschekorb im Bad zu werfen. Den Teil, der aussah als wäre er noch relativ sauber, räumte ich wieder ordentlich in den Schrank, der auch nicht viel besser aussah als sein komplettes Zimmer.
„Ja, Daran, ich weiß", hörte ich seine Stimme vom Balkon aus. Verwundert drehte ich meinen Kopf zum Fenster, dass ich für kurze Zeit auf Kippe gestellt hatte, und sah Niall telefonieren.
Was er wohl mit diesem Daran besprach?
Ich wollte nicht neugierig sein, vielleicht ging es mich ja nichts an. Das wusste ich ja nicht. Aber irgendwie hatte die Art, wie Niall sprach, mein Interesse geweckt. Ich ging zum Fenster, aber um nicht so auffällig zu wirken hob ich einzelne Sachen vom Boden auf.
„Ich weiß, dass du es nicht gerne noch einmal machst. Bitte, für mich. Danach bitte ich dich auch nie wieder mehr um einen Gefallen."
Einen Gefallen? Was für einen Gefallen?
„Ja. Daran, versprochen. Ich gebe dir das Geld auch...Wo?"
Geld? Worin hatte sich Niall jetzt wieder hineinraten lassen?
So langsam machte mir dieses Gespräch Angst. Vielmehr hatte ich Angst um Niall, dass er vielleicht in irgendetwas hineingeraten war und nicht mehr hinauskam.
„Danke, du bist der Beste. Wir sehen uns." Dann legte er auf, es gab also nichts mehr, wobei ich lauschen konnte.
Sollte ich es den anderen erzählen? Vielleicht konnten sie ja helfen, oder wussten, wer dieser Daran war.
Aber irgendetwas sagte mir, dass ich das nicht riskieren sollte. Dass ich erst einmal so tun sollte, als hätte ich keine Ahnung davon, dass Niall jemals mit diesem Daran telefoniert hatte und dass ich auch nicht gelauscht hätte.
Nur, war das die richtige Entscheidung?
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