#1. Herzkollaps
Mein Atem ging schnell, der Schweiß rann mir die Stirn hinab. Mir steckte der Schreck bis tief in die Knochen und ließ mich im ersten Moment bewegungsunfähig machen.
„Niall! Hörst du mich?"
Jemand schnipste vor meinen Augen und rüttelte leicht an meinen Schultern. Ich wandte meinen Kopf und sah geradewegs in Liam's verschlafenes Gesicht.
„Liam!"
Ich fiel meinem Kumpel um den Hals und begann zu weinen. Verwirrt legte mein bester Freund eine Hand auf meinen Rücken und begann behutsam mit ihr auf und ab zu fahren. Einzelne Schluchzer entflohen aus meinem Mund.
„Es ist alles gut, Niall. Es war nur ein Albtraum...", flüsterte Liam beruhigend und streichelte weiter mit seiner Hand meinen Rücken. Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Eine Träne nach der anderen rollte meine Wange hinab und hinterließ eine brennende Spur auf meiner Haut.
Es war nicht das erste Mal, dass ich so einen Traum hatte. Und ich war mir sicher, dass es nicht das letzte Mal war. Schon seit Wochen bekam ich keinen richtigen Schlaf mehr, weil mich jede Nacht diese Art von Alptraum plagte. Und jedes Mal erschien dieses wunderschöne Mädchen mit der Orchidee in ihrem goldblonden Haar und den funkelnden grauen Augen. Doch keiner der bisherigen Träume hatte diesen Grusel-Level so krass erreicht.
Ich war am Ende. Ich brauchte meinen Schlaf, besonders in der Zeit, in der ich und die Jungs ständig unterwegs waren, jede Nacht in einem anderen Bett schliefen, jeden Tag an verschiedenen Orten Konzerte, Meet&Greets, Interviews oder sonst was gaben, ständig mit den verschiedensten Leuten zu tun hatten oder das Land wechselten.
Mein Körper war einfach am Ende. Die Jungs erinnerten sich nicht daran, wann ich das letzte Mal richtig gelacht hatte.
Denn das war Wochen her. Um genau zu sein waren es 8 Wochen, 56 Tage, 1344 Stunden und 80640 Minuten her, seit ich das erste Mal diesen Traum hatte. Seitdem hatte ich keine ruhige Nacht mehr gehabt.
Meine Energiereserven waren aufgebraucht und bei jedem Interview drohte ich einzuschlafen, hielt mich aber wach, weil ich dann wieder so einen Alptraum kriegen könnte.
Ich selber hatte mich als psychogestörter Verrückter abgestempelt. Denn wer bitte schön träumte jede Nacht von einem Mädchen, was einen um Hilfe bittet?
Genau.
NIEMAND.
Naja, außer ich. Deswegen war ich auch ein psychogestörter Verrückter, der eigentlich schon hätte jemand in die Psychiatrie hätte einweisen sollen. Aber bis jetzt hat das halt noch niemand getan (so ein Pech aber auch...).
„Aber es war schon wieder derselbe Traum wie letzte Nacht auch!", schluchzte ich laut. Meine Hände krallten sich in Liam's mittlerweile nasses T-Shirt bis meine Knöcheln weiß wurden.
„Hey, hey, Niall. Sieh mich mal an."
Ich schüttelte den Kopf, wurde aber von zwei Händen jeweils an meinen Schultern gepackt und nach hinten gezogen. Mit verheulten Augen starrte ich in Liam's braune Teddybär-Augen, die mich mit einem besorgten Blick musterten.
„Das ist nur ein Alptraum. Der hat nichts zu bedeuten, okay? Jeder hat mal eine Zeit, in der er schlecht schläft und bei dir ist es halt etwas....länger. Aber das geht vorbei, okay?"
„Pfff, die Welt denkt bestimmt schon, dass ich ein dahergelaufener Irrer bin, mit Zombiemaske und so", murmelte ich und senkte meinen Kopf.
„Sag sowas nicht, Niall. Jeder könnte jetzt sowas haben wie du", wiedersprach mir mein bester Kumpel.
„Aber das ist es ja: NIEMAND hat sowas wie ich!", schrie ich schon leicht. Eine weitere Träne rollte meine Wange hinab.
Ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie ich aussah. Rote, verheulte Augen, dunkle Augenringe, verstrubbelte halb blonde, halb braune Haare, blasse, rissige Haut. Nein, danke. Das brauchte ich gerade herzlich wenig.
„Was ist denn los?", ertönte eine schlaftrunkene Stimme von der Tür. Es war Harry, der in Jogginghose und schwarzem T-Shirt mit seinen verwuschelten, braunen Locken am Türrahmen stand und mit müden Augen uns ansah.
„Niall hatte schon wieder einen Alptraum", seufzte Liam und wandte sich wieder mir zu. „Willst du nicht einmal versuchen, wieder zu schlafen? Nur für die..."
„Drei Stunden", beendete Harry seinen Satz und ließ sich neben mich auf's Bett fallen. „Komm, Niall, sonst schläfst du wieder mitten auf dem Konzert ein und um ehrlich zu sein hab ich wenig Bock darauf. Außerdem: Es ist nur ein Alptraum. Nichts Weltbewegendes. Deswegen brauchst du auch nicht so ein Theater zu machen."
„Harry", zischte Liam ihm mit einem warnenden Unterton in der Stimme zu und sah ihn ernst an.
Ich lachte auf.
„ICH mach so ein Theater?! DEIN ERNST!! Wenn DU mal einen Alptraum hast, dann bin immer ICH derjenige, der dann mit DIR die ganze Nacht aufbleiben muss, weil DU Angst hast wieder einzuschlafen! Und ICH soll jetzt angeblich so ein Theater machen, weil ich seit verschissenen 8 Wochen kein einziges Auge zu machen konnte, weil ICH DIESEN SCHEIß TRAUM HATTE?!?"
„Niall, so hat er es nicht gemeint...", versuchte Liam mich zu beruhigen und wollte mich in den Arm nehmen, weil jetzt immer mehr Tränen meine Wange hinabrollten und ich zum Ende hin angefangen hatte zu schluchzen. Ich jedoch rutschte ein Stück nach hinten und vergrub mein Gesicht in meinen Armen, die auf meinen Knien ruhten.
„Hat sich aber so angehört!", zickte ich zurück und hörte Harry seufzen.
„Niall. Du solltest schlafen."
„Sag mir nicht, was ich zu tun habe."
„Sei du jetzt nicht verdammt noch mal so stur!"
„Dann bin ich eben stur! Hast du ein Problem damit?!"
„A-"
„Komm Harry, geh wieder ins Bett. Nicht, dass Niall noch gleich an Decke geht. Das will ich lieber vermeiden, denn dann spricht er erst recht kein Wort mehr mit uns. Du weißt doch, wie er sich gerade fühlt", unterbrach Liam ihn.
Ich hob meinen Kopf leicht an, aber nur, damit ich zu der offenen Tür rausstarren konnte. Dahinter lag alles im Dunkeln und wieder hallte das gruselige Kichern des Mädchens in meinem Kopf wieder.
Automatisch fing mein Herz an schneller zu schlagen. Nicht ganz so schnell wie bei meinem Alptraum, aber es jagte mir wieder Angst ein.
Die Dunkelheit, das Kichern, das wunderschöne Mädchen hielten mich jede verdammte Nacht wach und mit jedem neuen Tag hoffte ich, dass es das letzte Mal war, dass ich die ganze Nacht aufblieb, ab und zu einschlief, um kurze Zeit später wieder aufzuschrecken, weil ich sie wieder gesehen hatte.
Harry und Liam diskutierten wild miteinander während ich einfach nur dasaß, den Kopf auf meinen Armen abgestützt, und ins Dunkle starrte.
Das Kichern des Mädchens hallte wieder in meinem Kopf wieder und ich meinte, einen Schatten an der Tür vorbeischleichen gesehen zu haben.
Wieder schnellte mein Puls in die Höhe, doch dieses Mal war es so schnell, dass ich dachte, ich würde gleich einen Herzkollaps bekommen.
„Aber versteh doch mal, Liam! Er... Niall? Was ist los?"
Harry brach ab und sah mich an, erst jetzt bemerkten die beiden, dass ich mit aufgerissenen Augen zur Tür starrte. Liam schaute ebenfalls hin, sah aber natürlich nichts. Der Schatten war schon längst wieder weg - falls es überhaupt einer gewesen war.
„Niall? Rede mit uns! Was ist da?"
„Ä-Ähm, nichts?"
„Sieht voll nach nichts aus. Wir sind deine besten Kumpels, Niall", meinte Liam und sah mich mit einem Du-Kannst-Mir-Alles-Erzählen-Blick an. Ich jedoch schüttelte den Kopf.
„Da war nichts. Ehrlich."
Harry gähnte müde und ließ sich in mein Kissen senken.
„Soll ich mich schon einmal darauf einrichten, dass es eine lange, lange Nacht wird - und bevor du was sagst, Liam: Ja, drei Stunden Schlaf sind sehr lang für mich - oder kann ich jetzt auf der Stelle einschlafen?"
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