Rosenthals PoV

Ich ging neben Brian, die drei Mädchen nebeneinander hinter uns. Ich hatte wirklich Angst. So ein Unfall kann sehr gefährlich sein, ihm kann einiges passiert sein. Es kann auch viel Glück gehabt haben. Aber solange wir nichts wussten, hatte ich Angst. Ich vermutete, dass wir alle Angst hatten oder so was ähnliches jedenfalls. Ich bekam dieses Bild einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Mein ahnungsloser bester Freund, der... Nein! Ich durfte daran nicht mehr denken. Brian legte seinen Arm um mich.

"Ruhig, Brian, ganz ruhig. Du zitterst. Einatmen, ausatmen. Es geht ihm gut, du wirst es gleich selber sehen. Er kommt uns gleich entgegen und erzählt uns, dass wir auf seinen Scherz reingefallen sind"

"Makabrer Humor", warf ich ein, doch obwohl ich nicht glaubte, was Brian mir erzählte, konnte ich mich etwas beruhigen.

Der Weg zog sich in die Länge. Wir waren schweigsam, eigentlich sagten wir gar nichts. In unserer Gruppe klaffte eine Lücke, die hoffentlich bald wieder gefüllt sein würde.

Eine halbe Stunde später, es war etwa 16:30 Uhr, saßen wir zu fünft in einem bedrückend leeren Gang, in dem außer ein paar Stühlen, einem kleinen Tisch, einem Wasserspender und einem Snackautomat nichts stand. Die anderen hatten sich gesetzt, ich war zu unruhig, deshalb stand ich neben ihnen, von einem Bein aufs andere tretend.

"Komm, Brian, setz dich auch. Das kann noch Stunden dauern", sagte Jaime. Ich seufzte, setzte mich neben sie und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Sie legte ihren auf meinen.

"Danke", murmelte ich.

18:00 Uhr

Seit anderthalb Stunden saßen, standen und gingen wir hier im Gang und wussten absolut nicht, was wir tun könnten. Es war auch hier drin ziemlich kalt. Meredith hatte sich an Brian, der neben ihr saß, gekuschelt und schlief fast ein. Aber nur fast. Ganz einschlafen konnte sie nicht, das wusste ich. Ich betrachtete die beiden, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie sind wirklich süß zusammen, Jaime hatte vorhin recht. Beste Freunde eben. Oder doch nicht? Ich machte mir eine Notiz im Kopf, dass ich Brian mal bei Gelegenheit fragen sollte. Mal sehen, wann diese Gelegenheit kommen sollte. 

Ich ging in meinen Kopf und überlegte, von welchen Starkids ich denken könnte, dass sie zusammen sind, nur um mich abzulenken. Aber so richtig gefiel mir keine Kombination. Außer zwei. Brian und Meredith, davon ließ ich nicht mehr ab, da musste was dran sein. Und Lauren und Joey. Aber das könnte nicht sein, Joey hätte mir was davon gesagt. Verdammt, schon wieder Joey in meinen Gedanken. Ich sah hinüber zu Lauren. Ganz alleine saß sie auf dem Fußboden in einer Ecke, Beine zur Brust gezogen und den Kopf auf den Knien gelegt. Ich stand auf, ging zu ihr hinüber, setzte mich neben sie und legte meinen Arm um sie. Fast sofort legte sie ihren Kopf auf meine Schulter, so wie ich es vorhin bei Jaime getan hatte.

"Was ist, wenn ihm was wirklich Schlimmes passiert ist?", fragte sie.

Ich wusste nicht, was ich antworten könnte. Natürlich hätte ich sagen können, dass das schon nicht passiert sein würde, aber ich konnte es nicht überzeugend sagen. Wir machten uns alle Sorgen.

"Ich weiß nicht, Lo, ich weiß nicht. Aber gehen wir nicht vom Schlimmsten aus. Joey ist stark, das weißt du, das weiß ich, das wissen wir alle. Und wir glauben an ihn"

Lange Zeit saßen wir nur so da und sagten nichts. Ich strich Lauren immer wieder über den Arm, um sie zu beruhigen, aber auch um mich zu beruhigen.

20:00 Uhr

Dreieinhalb Stunden. Und immer noch keine Nachricht von Joey. Ich wusste nicht wirklich, warum wir in diesem Gang warteten. Es kam einfach so, plötzlich waren wir hier. Wir hätten wahrscheinlich auch woanders warten können, aber wir wollten so nahe bei ihm bleiben, wie es nur möglich war. Wo er jetzt wohl war?

Dann endlich! Eine Tür wurde geöffnet, eine Frau kam rein.

"Sind Sie die Freunde von Joseph Richter?", fragte sie und da wir die Einzigen im Gang waren, konnten nur wir gemeint sein.

"Ja", antwortete Brian. Meredith, die bis eben noch ihren Kopf auf seinem Schoß hatte, saß nun ganz aufrecht und hellwach. Lauren und ich waren aufgesprungen.

"Würden Sie mir bitte folgen?"

Wir gingen alle schweigend in einer Reihe hinter der Frau her, bis wir schließlich zu einem Zimmer mit der Nummer 78 kamen.

"Sie dürfen zu ihm rein. Aber bitte seien Sie leise und bleiben Sie nicht zu lange. Es ist zu seinem Besten. Er ist noch bewusstlos und wir wissen auch nicht, wann er aufwachen wird"

Wir nickten dankbar. Dann öffnete ich die Tür. Da lag er. Unschuldig, wie Joey es eben ist. An ihm hingen einige Kabel und sowas und der ansonsten stille Raum wurde von einem Piepen gestört. Wir gingen leise und ruhig hinein und stellten uns rund um das Bett auf. Die Krankenschwester ließ uns alleine. Besonders nah an ihn heran trauten wir uns nicht. Für etwa eine Minute standen wir nur da, schwiegen und sahen unseren Freund an.

"Warum gerade Joey?", fragte Meredith irgendwann leise, kaum vernehmbar.

"Irgendwen trifft es immer", antwortete Jaime traurig.

"Es gibt so viele Menschen, warum musste es gerade Joey treffen?", fragte Meredith nochmal ebenso leise wie schon zuvor.

"Ich weiß es nicht. Keiner weiß es, keiner wird es je wissen, keiner wird etwas daran ändern können", antwortete Brian und strich Meredith übers Haar.

"Ist es nicht merkwürdig?", fragte ich plötzlich. "Wir wissen eigentlich nichts mehr als vor ein paar Minuten, als wir noch in dem Gang saßen, und doch fühle ich mich beruhigt. Noch nicht ganz, aber doch entscheidend genug"

Es war wirklich merkwürdig. Joey gesehen zu haben, hat vollkommen gereicht, um mich etwas zu beruhigen. Die anderen stimmten mir zu. Ja, so ginge es ihnen auch.

"Bin nur ich das oder merkt ihr das auch?", fragte Brian.

"Was?"

"Dass ich in diesen letzten Stunden gemerkt habe, wie sehr ich euch alle liebe. Ich meine, ich wusste das schon vorher, aber irgendwie hat diese Situation das Gefühl noch verstärkt. Ich sorge mich so sehr um euch alle. Ich entwickle immer so einen Beschützerinstinkt, wenn es um euch geht. Ich will nicht, dass sowas Schlimmes wieder passiert, natürlich. Versteht ihr, was ich meine?"

Und Brian hat es geschafft. Ohne, dass ich es merkte, lief mir, während er das gesagt hatte, eine Träne über die Wange, was mir echt selten passiert. Er hat genau das ausgesprochen, was mir die ganze Zeit auf dem Herzen lag, doch ich wusste es nicht. Ich wusste nicht, was ich eigentlich die ganze Zeit sagen wollte, und wenn ich es gewusst hätte, hätte ich vermutlich nicht die richtigen Worte gefunden.

"Doch, Brian, mir geht das genauso", antwortete Lauren und sah ihm dabei warm in die Augen. Sie stand fast direkt neben Joey, auch sie traute sich nicht ganz an ihn heran.

"Ich glaube, wir sollten jetzt gehen. Die Schwester hat gesagt, wir sollen nicht zu lange bleiben", sagte Jaime. Wir stimmten ihr zu.

"Kommst du, Lo?", fragte ich, als ich merkte, dass sie sich noch nicht vom Fleck gerührt hatte.

"Ja gleich. Einen Moment bitte noch, ihr könnt ja schon mal vorgehen. Ich komme gleich nach"

"Du weißt, was passiert ist, als das zuletzt jemand von uns gesagt hat?"

Sie nickte und sah aus, als ob sie gleich weinen würde.

"Entschuldige, Lo, wir warten auf dich. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst"


Interessant zu sehen, dass die Wortzählung hier anscheinend anders funktioniert als bei meinem Schreibprogramm. Hier steht, dass dieses Kapitel 1191 Wörter enthält, während es bei meinem Schreibprogramm 1222 Wörter hat. Merkwürdig...

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