Prolog

Der Garten hinter der Villa wurde vom süßen Duft der blühenden Pflanzen umhüllt, während die warme Mittagssonne den steinigen Weg erwärmte, auf dem sie liefen. Ihre Schritte glichen den Schritten der majestätischen Katzen, die in nicht allzu weiter Entfernung auf einer Mauer die Strahlen der Herbstsonne genossen. Ein weißes Gewand, dessen luftige Ärmel mit einem Ring an ihren Fingern befestigt waren, betonte die Figur der jungen Frau sehr. Langes, dunkelbraunes Haar, in welchem ein goldener Lorbeerkranz seinen Platz gefunden hatte, floss über ihre Schultern bis zu ihrer Taille und passte umwerfend zu ihrer gebräunten Haut, deren Existenz die Schuld des erst kürzlich gestorbenen Sommers war . Die dunklen Augen der zierlichen Frau blickten zu dem jungen Mann an ihrer Seite auf. Er war nicht minder gebräunt als sie und sein Chiton umspielte seinen muskulösen Körper. Das pechschwarze Haar hatte er offenbar erst vor kurzer Zeit geschnitten, denn es war an einigen Stellen kürzer und unordentlicher als an anderen, was ihn jedoch nicht minder schön machte. Im Gegenteil, es gab ihm etwas Verbotenes und Wildes, das ihn noch attraktiver machte, als er ohnehin schon war. Seines Aussehens war er sich bewusst, doch wie konnte er Augen für eine schlichte Reflexion seines Äußeren haben, wenn neben ihm die Frau stand, die das Innere erblickt hatte? Seine Augen trugen bereits Stürme in sich, doch das Licht darin brach durch die dichten Wolken, als er sie betrachtete.

"Man trug mir zu, du wolltest mit mir sprechen, Theseus", immer wenn sie eine Frage stellte, legte sie ihren Kopf leicht zur Seite. Er liebte es. Jede ihrer Bewegungen, ihrer Angewohnheiten war ihm so vertraut. Heute jedoch war ihr Blick nicht wie sonst, das merkte er sofort. Ihr Blick war nicht federleicht, er war schwer, lastete auf ihm.

"Ich habe dich eine lange Zeit nicht gesehen, Hyazintha", sagte er leise, bevor er ihre Hand in die seine nahm. Zunächst hatte er sie an sich ziehen wollen, er hatte ihr einen Beweis seiner Liebe erbringen wollen, doch unwillkürlich hatte sie sich abgewandt. Den Blick gen Himmel gewandt, sah er die schemenhaften Schatten der Gedanken in ihren Augen tanzen. Wann würde er sie verstehen? Er wusste es nicht, zweifelte oft an der Liebe, die sie ihm zu geben versprochen hatte. Wie konnte sie ihn lieben? Die tanzenden Gedanken verschwanden nicht aus ihren Augen, als sie sich zu ihm drehte. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, doch das Licht erreichte ihre Augen nicht.

"Lass uns einen Spaziergang machen, Liebster", zaghaft, beinahe entschuldigend, streckte sie ihm ihre Hand mit den langen, schlanken Finger hin, vielleicht um ihn zu ermutigen, ihm wieder Sicherheit zu geben. Schließlich nahm er ihre Hand an und ging Seite an Seite mit ihr durch den wunderschönen Garten, in welchem sich an jeder Ecke eine andere Blume öffnete, um die Sonne anschauen zu können. Selbst zu dieser Jahreszeit war der Garten noch ein Traum, aus dem die Liebenden nicht aufzuwachen gedachten. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, Theseus hielt die Hand seiner Liebsten und sie lehnte sich im Gehen an ihn.

"Warum sagst du es nicht endlich, Hyazintha? Ich spüre es...ich spüre, dass etwas dein Herz belastet, jedoch verweigerst du mir das Wissen darüber", abrupt war der Held stehen geblieben. Der Himmel seiner Augen war von den Wolken der Verzweiflung überzogen. Langsam ließ er ihre Hand los, obwohl sich augenblicklich ein tiefer, unbeschreiblicher Schmerz in seiner Brust ausbreitete.

"Theseus? Es tut mir leid...ich werde gehen", sie hoffte auf sein Verständnis trotz der fehlenden Erklärung. Liebte er sie, würde er sie ziehen lassen und das mit dem Vertrauen, dass sie zurückkehren würde, oder nicht? Ihr geliebter Gegenüber jedoch sagte nichts, sein Blick war nicht zu deuten. Plötzlich ergriff sie die Angst, sie wollte ihn nicht verlieren.

"Du hättest mit mir reden müssen, Hyazintha...ich liebe dich und wenn das deine Entscheidung ist, werde ich dich nicht davon abbringen", die Liebe war mit Eis umhüllt. Sie hatte ihr Messer genommen und es ihm in die Brust gestochen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Mit jeder verstreichenden Sekunde stach sie ein weiteres Mal zu, bis er sich abwandte. Wie konnte sie ihm nach diesem Verrat in die Augen sehen?

"Bitte...hasse mich nicht, Liebster", sie versuchte, seinen Arm zu berühren. Ein letztes Mal vor ihrer Abreise wollte sie seine Augen sehen, die vom Sturm durchzogenen Augen, mit denen er sie immer so liebevoll anblickte. Doch er ließ nicht einmal den Hauch einer Berührung zu, indem er sich ruckartig zu ihr wandte.

"Verschwinde, Hyazintha", er war sichtlich bemüht, ruhig zu sprechen. Sein Körper zitterte aufgrund des Zornes und der Enttäuschung, des Schmerzes. Alle diese Emotionen spiegelten sich in den Stürmen wieder.

'Er hasst mich', war der erste klare Gedanke, den sie fassen konnte, nachdem sie ihn hinter sich gelassen hatte. Ihre zitternden Beine gaben unter ihr nach und sie stürzte auf die Knie. In der Ferne hörte sie die Wellen gegen die Felsen schlagen. Es war derselbe Rhythmus, den ihre Tränen beim Fallen hatten.


Eine Schönheit, unvorstellbar, denn sie war funkelnder als die Sterne, strahlender als die Sonne, blickte auf die kauernde Frau herab. Hass und Wut spiegelten sich in den Augen des wunderschönen Wesens wieder und it von Abscheu triefender Stimme sprach sie:

"Hyazintha, Tochter des Herakles, des fehlenden Respekts gegenüber deiner Göttin, die willig war, dir zu schenken, was du gesucht, hast du dich verschuldet. Nun musst du die Konsequenzen deiner Taten tragen. So spreche ich, Aphrodite, heute deine Strafe: Du wirst leben und leben allein dafür, die Liebe zu finden, die dir nicht gestattet ist bis zu jenem Tag, an dem du erkennst, was sie ist"

"Bitte, Aphrodite, Gnade...ich werde nicht von seiner Seite weichen, werde ihn würdigen...", die Tränen der Hyazintha tropften auf den trockenen Boden. Gnade war jedoch nicht im Sinne der Mächtigen, die auf die Frau herab blickte. Hyazintha musste für ihre Taten bezahlen.

"Amüsiert hast du dich über die Liebe, doch nun soll dies vorbei sein. Deinen Taten werde ich Einhalt gebieten", ein Blitz und ein Schrei. Mehr war weder zu sehen noch zu hören, nur der grelle Blitz und der markerschütternde Schrei. Dann wurde es plötzlich dunkel, als wäre die Sonne von einem schwarzen Loch verschluckt worden. Kälte ersetzte die von ihr normalerweise ausgehende Wärme, eine Kälte, die auch nicht verschwand als das Dunkel sich lichtete. Auf dem Boden kauerte Hyazintha, deren braunes Haar in ihr schönes Gesicht hing. Sie zitterte am ganzen Leib angesichts des Zornes der Göttin. Sie war gestraft.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top