Grenzen
In der Welt gibt es Grenzen. Gute Grenzen. Sie halten Böses und Probleme fern. So habe ich es gelernt, so bin ich gelehrt worden.
Mein Vater fand Grenzen auch essenziell. Er setzte sie mir, wie nur ein Vater es tun kann, oder eine Mutter. Letztere war jedoch, da das Leben begrenzt, mit meiner Geburt verschieden. Diese Grenze machte uns alle traurig, aber es musste ja sein. Als ich vier oder fünf Jahre zählte, machte er mir eindrücklich klar, welcher Wert doch den Grenzen zuzuschreiben sei. Ich würde es noch erkennen. Und ja - die meisten Grenzen der Erziehung fand ich nach der jeweiligen Zeit auch gut und sinnvoll.
Wie die Zeit so ging, waren diese nicht meine einzigen Grenzen. So lernte ich Politik, politische Geografie. Sah die Grenzen der Nation, bedauerte zeitweilig deren Enge. Ich grenzte mit ab von ausländischen Mitschülern, wie es sich gehörte. Ich erkannte meine persönlichen Grenzen, geistig, körperlich. Hielt ich mich bei diesen zu nah auf, wurde es oft brenzlig. Grenzen schützten mich vor Abgründen meines Selbst.
Das Universum hingegen ist grenzenlos, was mich ein bisschen fertig machte. Denn unser eingeschränktes Gehirn kann sich keine Endlosigkeit denken, es kann sie nicht erschließen. Sie ist ihm unbegreiflich.
Ich habe Probleme gelöst, Ursachen gefunden. Probleme wie auch Möglichkeiten zur Lösung mussten häufig eingegrenzt werden. Doch es gab auch die andere Seite von Grenzen und deren Wirkung, so wie Grenzen selber in zwei Teile separieren. Die Nationen trennen voneinander was zusammen gehört; es entstehen Vorurteile, unter deren Diktat ich selbst Menschen von außen verhasst, verlacht und verletzt habe - ich bin also selbst falscher Ab- und Ausgrenzung schuldig. Auch die besagten persönlichen Grenzen und Einschränkungen im Denken engten oft ein, und Äußeres geht verloren, obwohl es das nicht sollte. Grenzen sichern also Recht wie auch Unrecht.
Als mich mein Vater nun, da ich alt genug, fragte, ob ich denn verstanden hätte, wie gut Grenzen doch seien, antwortete ich ihm: "Ja, und ob. Ich weiß sogar, welche Grenze fehlt." "Welche?", fragte mein Vater, fast schon leuchtenden Auges. "Es fehlt eine Grenze", habe ich gesagt, "den Grenzen.
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