Kapitel II

Lucia

Unser Taxi holperte die Landstraße entlang. Während der Autofahrt hatte ich fast die ganze Zeit aus dem Fenster gesehen und dabei meinen Kater Zeus gestreichelt. Meine Geschwister hatten es mir gleich getan und hatten die Natur von Island bewundert. Unsere Eltern hatte sich leise flüsternd unterhalten.

In der Ferne kam ein Dorf in Sicht. Als wir näher kamen, konnte ich erkennen, das es aus alten, aber schönen Häusen bestand, die sich um einen großen Platz reihten.

"Að ræða bjór Jo félagi í tvær klukkustundir á grillið ... Koma með ... Já eftir að í ræktina..."
Mir reichte es. Seit wir am Hafen eingestiegen waren, telefonierte dieses männliche Wesen.
"Halten sie jetzt doch einfach mal die Fresse!", brüllte ich, mittlerweile ziemlich angepisst, nach vorne. Mein Bruder nickte zustimmend.

"Lucia!" Der Blick, den mein Vater mir zu warf, war eindeutig alles andere als beifällig.
"Was denn? Ist doch war! Außerdem versteht der mich sowieso nicht..."

Es entstand eine kurze Pause – Der Taxifahrer nahm sein Handy vom Ohr und drehte sich zu mir um: "Hé, German hé? Geht gut?" Dann setzte er sein Telefonat fort.

Wärendessen ließen wir das Dorf hinter und und kamen schließlich vor zwei abseits stehenden Häuser zum Stehen. Der Taxifahrer half uns mit dem Gepäck und brauste in einer Staubwolke wieder davon. Wir zogen unsere Koffer zum Haus mit der Nummer 2. Es war weiß angestrichen, mit Efeu bewachsen und hatte ein Dach aus blauen Ziegeln. Die Fenster waren ebenfalls mit blauen Fensterläden versehen.

Mary und ich tauschten einen Blick. Im selben Augenblick wurde die Sterioanlage der Nachbarn lauter gedreht und die Musik dröhnte durch ein offenes Fenster:
"...Ja, wenn du es verbrennst, dann spendet es Wärme
Ich und mein, ich und mein Holz
Aber wenn du es sägst, dann nicht, oh..."
Jetzt grölte das ganze Nachbarhaus mit:
"...Und jetzt mal alle in this wood, yo
Ich und mein Holz, ich und mein Holz, Holzi, Holzi, Holz..."

"Kommt wir bringen unsere Sachen rein", sagte meine Mutter und versuchte ihre Verwunderung über unsere isländischen Nachbarn, die deutsche Musik hörten, zu verbergen. Also schleppten wir unser Gepäck ins neue Haus.

Durch die blaue Eingangstür kam man in die Diele, deren Wand mit einer fotobeststückten Pinnwand verziert war. Außerdem befand sich dort die Gardarobe, an die wir jetzt unsere Jacken und Mäntel hängten. Rechts neben dem Eingang war eine Gästetoillette untergebracht und gegenüber davon befand sich ein offener Durchgang zu der Wendeltreppe, die nach oben zur ersten Etage führte. Durch ein halbdurchsichtige Fenster in der Tür im Flur konnte man in das Wohnzimmer blicken. Der Raum erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses. Wenn man von der Tür aus nach rechts blickte, sah man eine Sofaecke mit Fernseher und einem kleinen Couch-Tisch. Die meisten Sachen waren schon vor unserer Ankunft hertransportiert worden und an den richtigen Platz gebracht worden. Links direkt neben der Wohnzimmertür befand sich ein großes Bücherregal. An der gegenüberliegenden Wand lag der durchgang zum Wintergarten. Im hinteren Teil des Wohnzimmers stand der Esstisch, über dem ein altmodischer Kronleuter hang, der wohl schon lange im Besitz unserer Famillie war. Dort trennte nur eine Durchreiche die Küche vom Wohnzimmer. Außerdem gibt es einen offenen Durchgang, um in die Küche zugelangen. Von dort führte eine Tür zu einer kleinen Vorratskammer.

Gerade als unsere Eltern aus dem Haus waren, um etwas für Morgen zu besorgen, klingelt es an der Tür. Bo öffnete die Tür und rief dann lauthals nach oben: "Da stehen so komische Leute!"
"Wir kaufen nichts an der Tür!", brüllte ich zurück.
"Wir kaufen nichts an der Tür", wiederholte Bo unten an der Tür.
Oh man... Seufzend nahm ich den Weg nach unten auf mich.

Vor der Tür stand eine vierköpfige Familie. ***Personenbeschreibung****
"Góður dagur, við erum nágrannar þeirra", sagte der fremde Mann freundlich.
"Ähhähähä..., I don't understand... Äh... Iceländisch... Mary! Jetzt komm doch auch mal runter!"
"Megum við kannski komið í?"
"Ähh... okay..." Kaum hatte ich die Worte über Lippen bebracht, schob sich schon die komplette Familie, zwischen Bo und mir, hindurch und pflanzte sich auf das abgewetzte Sofa der Vormieter.

"Was ist denn hier los?" Mary kam die Treppe herunter gepoltert und blickte sich verwirrt um.
"Das ist los!" Ich deutete auf unsere isländischen Gäste, die sich bei uns doch recht wohl zu fühlen schienen. "Bei Merlins pinker Unterhose! Was wollen die hier?"

Ich glaube, ich war noch nie so erleichtert die Stimmen meiner Eltern zu hören, wie in diesem Moment, als die Tür aufging und sie in diese seltsame Szene platzten.
"Oh hallo! Na das ist ja eine Überraschung! Wie lieb von euch die Nachbarn einzuladen. Darf ich vorstellen? Fanney Snorrdottir, Björn Ismarson und ihre Kinder Ingi Björndottir und Kjell Björnson", rief meine Mutter erfreut.

Aha. Dieser verrückte Haufen hier waren also unsere deutsche Pop-Musik verrückten Nachbarn. Schade das sie nicht doch ein Essenlieferservice waren. Mittlerweile hatte ich nämlich echt Hunger.

Meine Eltern verwickelten die Snorrdittir-Ismarson-Familiy sofort in ein Gespräch und ich hatte das Gefühl, dass sie sich doch recht gut verstanden.

"Na das kann ja noch heiter werden...", flüsterte Mary mir zu. Ich verzog das Gesicht, als mich eine furchtbare Ahnung beschlich. "Hoffentlich laden Mama und Papa sie nicht mit zum Essengehen ein"
"Ich glaub das haben sie bereits", meinte Bo, der sich zu uns gesellte.

***

Fjaran besaß ein einziges Lebensmittelgeschäft, einen Krimskramsladen, eine Grundschule und eine Dorfkneipe, die noch gleichzeitig Pizzalieferservice und Bäcker war. Jeden Freitagabend versammelte sich dort das Dorf, um den neusten Tratsch und Klatsch zu verbreiten und zu erzählen, was während der Woche so passiert war. Freitags kamen auch die älteren Kinder nach Hause, die in der Stadt die weiterführenden Schulen besuchten oder studierten, denn während der Woche war der Weg zu weit.

So war es schon ziemlich voll, als wir gegen 20 Uhr im Harðfiskur eintrafen. Die Tische der winzigen Kneipe waren voll besetzt und aus den Boxen dröhnte Lost boy von Ruth B. Dennoch wurden wir sofort herzlich von einer rundlichen Frau, um die 50, begrüßt, die sich uns als Matilda, die Wirtin vorstellte.

Sie geleitete uns zu zwei kleinen Tischen in der hintersten Ecke des Raumes. Geschäftig schob Matilda (Ich überlegte schon heimlich das Tante Matilda gut zu ihr passte) die Tischchen zusammen und überreichte dann jedem von uns eine Speisekarte.

Nachdem wir erstmal unsere Getränke bestellt hatten, waren unsere Eltern auch schon wieder in ein Gespräch mit den Nachbarn vertieft. Mary hatte sich einfach demonstrativ ihr Handy geschnappt und spielte anscheinend irgendein Spiel. Das Nachbarsmädchen (es hieß glaub ich irgendwas mit Ing- oder so) versuchte mit ihrem Strohhalm einen ihrer Eiswürfel nach oben zu befördern und ihr älterer Bruder kritzelte mit einem Kulli auf seiner Serviette herum.

Das Essen kam und ich widmete mich meiner dampfenden Pizza Magherita. Irgenwann packte Kjell eine schon etwas ramponierte Version Mensch ärgere dich nicht aus und forderte Mary und mich zu einer Partie heraus

Es wurde dann doch noch ein gemütlicher Abend und ich musste feststellen, so verrückt unsere Nachbarn doch waren, dass sie gar nicht so übel zu sein schienen. Vielleicht, aber auch wirklich nur vielleicht, würde dieses Leben in Fagurfifill doch nicht soo übel werden, wie ich es mir ausgemalt hatte.

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