Ein unerwartetes Geständnis



Die Saison war im vollen Gange, und Lucie fand sich immer häufiger an Benedicts Seite. Auf jedem Ball, jeder Einladung und in jeder Gesellschaft, zu der sie eingeladen wurden, war er stets der Gentleman, aufmerksam, charmant und doch in einer unaufdringlichen, fast schützenden Art und Weise bei ihr. Inzwischen hatte Lucie die Blicke und das Getuschel der anderen Gäste fast vergessen; ihre Aufmerksamkeit war auf Benedict gerichtet. Seine Gegenwart fühlte sich beruhigend und vertraut an, und in jeder noch so kleinen Geste, in jedem Lächeln, das er ihr schenkte, schien etwas unausgesprochenes zu liegen – ein Versprechen, eine Ahnung von etwas Tieferem.

Doch je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto unruhiger wurde Lucies Herz. Sie begann sich einzugestehen, dass ihre Gefühle für Benedict über die bloße Freundschaft hinausgingen. Sein Lachen, seine unbeschwerte Art, die Art, wie er sie ansah, wenn er dachte, dass sie es nicht bemerken würde – all das hatte sich in ihr Herz geschlichen, so zart und doch so unvermeidlich wie ein erster Frühlingswind.

Diese Gedanken waren Lucie auch an jenem Abend auf dem Ball allgegenwärtig. Die Musik und das Lachen der Gäste erfüllten den großen Saal, doch inmitten all der Festlichkeit verspürte sie den Drang nach frischer Luft. Sie entschuldigte sich bei ihrer Begleiterin, schob sich an den Gästen vorbei und fand den Weg auf einen abgelegenen Balkon. Der kühle Nachtwind strich sanft über ihr Gesicht, und sie atmete tief ein, froh, den Trubel für einen Moment hinter sich zu lassen.

Als sie auf das sanft beleuchtete Panorama der Stadt blickte, hörte sie plötzlich Schritte hinter sich und erkannte Benedicts vertraute Silhouette. Er war ihr unauffällig gefolgt, und sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug.

„Ihr seid also auch auf der Flucht vor dem Rummel?" fragte Benedict mit einem Lächeln, das seine Augen zum Glänzen brachte.

Lucie erwiderte sein Lächeln. „Manchmal scheint mir das alles etwas viel. All diese Menschen, die sich nur auf das Spiel der Gesellschaft konzentrieren und in jedem Lächeln und jeder Bewegung eine neue Bedeutung suchen..."

Benedict nickte verstehend und trat neben sie. „Ja, die Gesellschaft kann erstickend wirken. Das Spiel der Blicke und der Floskeln... es ist ermüdend." Er sah sie an, und seine Stimme klang nachdenklich, fast sanft. „Doch manchmal gibt es Menschen, die all das durchbrechen. Menschen, die authentisch sind, die sich nicht verstellen und die ihre Wahrheit leben."

Lucie spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Sein Blick war eindringlich, fast als wollte er in ihre Seele sehen. Sie wusste, dass sie Teil dessen war, was Benedict meinte, und fühlte sich seltsam verletzlich in diesem Moment.

„Und für mich," fuhr Benedict fort, „seid Ihr eine dieser Personen, Lucie. Ihr habt mein Leben verändert, seit ich Euch getroffen habe. Ihr seid anders – unabhängig, ehrlich und voller Leben. Es gibt kaum jemanden, der den Mut hat, das zu sein, was er ist, in dieser Gesellschaft." Seine Stimme klang fast brüchig, und Lucie konnte nicht anders, als seine Hand zu berühren.

„Benedict...", begann sie leise, doch er schüttelte den Kopf und sah sie mit einer Intensität an, die ihr den Atem raubte.

„Lucie, lasst mich ausreden." Er atmete tief durch, bevor er weitersprach. „Ich wollte es lange nicht wahrhaben, habe versucht, es zu ignorieren. Aber meine Gefühle für Euch... sie sind so viel mehr als nur freundschaftlich. Seit ich Euch kennengelernt habe, hat sich alles verändert. Ihr seid mir so wichtig geworden, dass ich mir ein Leben ohne Euch kaum noch vorstellen kann."

Seine Worte hallten in der kühlen Nachtluft wider, und Lucie war wie erstarrt. Sie hatte diese Nähe zwischen ihnen gespürt, doch die Offenheit und Tiefe seiner Worte berührten sie auf eine Weise, die sie sprachlos machte. Sie sah in seine Augen und erkannte, wie verletzlich er sich in diesem Moment machte, wie sehr er sie brauchte und zugleich fürchtete, zu weit zu gehen.

„Ich verstehe, wenn Ihr das nicht erwidert...", fügte Benedict leise hinzu, sichtlich um Fassung bemüht. „Aber ich musste es Euch sagen, Lucie. Ich konnte nicht länger schweigen."

Lucie spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Ihre Hand lag immer noch in seiner, und sie wagte es nicht, sie wegzuziehen. Ihre Gefühle für ihn waren genauso stark, und doch wusste sie nicht, ob sie diese tiefe Verbindung, dieses unausgesprochene Versprechen wirklich begreifen konnte.

„Benedict..." Ihre Stimme klang zaghaft, und ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich glaube, ich hatte Angst, dass ich mir diese Gefühle nur einbilde. Dass ich in all diesen Begegnungen und Momenten mit Euch... nur das sehen wollte, was ich mir erhofft habe."

Benedict erwiderte ihr Lächeln, und seine Hand drückte sanft die ihre. „Vielleicht geht es uns beiden so, Lucie. Vielleicht haben wir beide versucht, unsere Gefühle zu ignorieren, weil sie sich zu unerreichbar angefühlt haben."

Der Moment zwischen ihnen schien still zu stehen, und Lucie spürte, dass dies der Anfang von etwas Wundervollem und zugleich Furchterregendem war. In den letzten Wochen hatte sie sich so sehr an seine Nähe, sein Lachen und seine Gesten gewöhnt, dass sie sich nur schwer vorstellen konnte, wieder ohne ihn zu sein.

„Also, was geschieht jetzt?" fragte sie schließlich, die Unsicherheit in ihrer Stimme kaum verbergend.

Benedict sah sie ernst an. „Das liegt an Euch, Lucie. Ich will Euch nichts aufzwingen, und ich möchte auch nicht, dass Ihr das Gefühl habt, zu etwas gedrängt zu werden. Aber ich weiß, dass ich mit Euch zusammen sein möchte. Auf welche Weise auch immer – ob als Freunde oder... mehr."

Lucie blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände und spürte, wie ihr Herz heftig klopfte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie bereit, das Risiko einzugehen. Bereit, das Wagnis einer Liebe einzugehen, die sie beide nicht nur zusammenführen, sondern sie vielleicht auch verändern würde.

Sie sah ihn an und schenkte ihm ein zartes Lächeln. „Ich... ich möchte es versuchen, Benedict. Ich weiß nicht, wohin es uns führen wird, aber ich möchte es herausfinden."

Ein Lächeln der Erleichterung und Freude breitete sich auf Benedicts Gesicht aus. Er hob ihre Hand und drückte einen sanften Kuss darauf, so zärtlich, dass es Lucie den Atem nahm. „Dann lasst uns diesen Weg gemeinsam gehen, Lucie. Egal, was die Gesellschaft sagt. Wir haben es in der Hand."

In dieser Nacht standen sie noch lange auf dem Balkon, die Welt und ihre Erwartungen weit hinter sich lassend. Sie waren nur sie selbst – zwei Menschen, die trotz aller Zweifel und Herausforderungen das gewagt hatten, was sie wirklich wollten: einander.

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