Ein öffentlicher Tanz, ein privates Versprechen



Der Ballsaal erstrahlte im Glanz der Kronleuchter, deren Licht sich in den unzähligen Juwelen und Seidenstoffen der Gäste spiegelte. Die Luft war erfüllt vom Gemurmel der Gäste, gemischt mit dem sanften Klang der Musik, die die Musiker am anderen Ende des Saals spielten. Dies war der letzte Ball der Saison, ein Abend, auf den viele Gäste wochenlang hingefiebert hatten – und Lucie wusste, dass dies nicht nur für die üblichen Tanzbegeisterten galt. Seit der neuesten Veröffentlichung von Lady Whistledown waren alle Blicke neugierig auf sie gerichtet, als sie an der Seite ihrer Mutter den Saal betrat.

Die Worte der Klatschkolumnistin hatten Lucie mitten ins Herz getroffen: Miss Lucie Andrews – vielleicht die Frau, die das Herz eines der begehrtesten Junggesellen Londons erobert hat? Die Andeutungen waren so konkret, dass niemand im Raum noch Zweifel hatte, wer dieser „begehrte Junggeselle" war.

Lucie spürte die intensiven Blicke der Gäste auf sich, das heimliche Flüstern und die neugierigen Lächeln, die ihr folgten, während sie sich durch den Saal bewegte. Sie versuchte, die aufkommende Nervosität zu unterdrücken und wirkte dabei ruhig und gefasst. Doch innerlich wog sie ihre Entscheidung immer wieder ab. Würde Benedict wirklich in der Lage sein, ihr gegenüber zu seiner Zuneigung zu stehen – auch angesichts der Erwartung der Gesellschaft, die ihm einen völlig anderen Weg vorschreiben würde?

Und dann, wie gerufen, stand er plötzlich vor ihr. Benedict Bridgerton, mit seinem typischen charmanten Lächeln und einem sanften Blick, der für niemanden außer für sie bestimmt war. Sie hielt den Atem an, als seine Hand nach ihrer griff. Ein vertrautes, warmes Gefühl durchflutete sie, und mit einem einzigen Nicken bot er ihr einen Tanz an. Die Musik setzte ein, und in einer einzigen, fließenden Bewegung führte er sie auf die Tanzfläche.

Die Gäste im Ballsaal verstummten fast augenblicklich. Alle Augen waren auf das Paar gerichtet, das sich leicht und anmutig zur Musik bewegte. Lucie konnte das rauschende Tuch ihrer Kleider spüren, den sanften Druck von Benedicts Hand, die ihre führte, und das beständige Pochen ihres eigenen Herzens, das sich beinahe im Takt der Musik verlor. Es war, als existierten sie nur noch für diesen Moment und als würde jeder Schritt, jede Drehung sie weiter in eine Welt entführen, in der niemand anderes zählte.

„Alle starren uns an," flüsterte sie schließlich, mit einem leicht nervösen Lächeln. Ihre Augen blickten kurz zur Seite, wo die Gäste dicht gedrängt standen und jedes Detail ihrer Bewegungen verfolgten.

„Dann sollten wir ihnen auch etwas zeigen, das sie so schnell nicht vergessen werden," erwiderte Benedict leise, sein Tonfall spielerisch und voller Zärtlichkeit. Seine Augen funkelten vor Vergnügen, und Lucie fühlte sich plötzlich so frei wie noch nie zuvor. Sie tanzte, als ob niemand zusähe, völlig verloren in dem Moment, den sie mit ihm teilte.

Der Tanz endete schließlich, und während die Musik verklingelte, blieb Benedicts Hand in der ihren, sicher und vertraut. „Komm mit," murmelte er sanft, und ohne auf eine Antwort zu warten, führte er sie durch die Menge in eine abgelegene Ecke des Ballsaals. Es war ein kleiner Alkoven, verborgen hinter schweren Vorhängen, der ihnen ein wenig Privatsphäre bot, fern von den neugierigen Blicken der Gäste.

Benedict nahm Lucies Hände in seine und sah sie eindringlich an, sein Blick ernst und liebevoll zugleich. „Lucie," begann er, seine Stimme leise und eindringlich. „Ich weiß, dass dieser Weg, den ich einschlagen möchte, nicht leicht sein wird. Ich weiß, dass es viele Hindernisse geben wird und dass die Gesellschaft ihre eigenen Erwartungen hat. Doch ich habe nie deutlicher gefühlt, was mir wichtig ist – und das bist du. Nichts, was irgendjemand sagt oder erwartet, kann mich von dir abhalten."

Lucie blinzelte, überwältigt von der Intensität seiner Worte. Ein sanftes Lächeln spielte um ihre Lippen, doch ihre Augen verrieten die Unsicherheit, die noch immer in ihr nagte. „Benedict," flüsterte sie, und ihre Stimme zitterte leicht. „Ich... ich hätte nie gedacht, dass ich mich in einen Mann aus deiner Welt verlieben würde. Ich habe Angst, dass ich den Erwartungen nicht gerecht werde, dass ich..." Sie hielt inne, und Benedict drückte ihre Hände beruhigend.

„Hör mir zu, Lucie." Er zog sie ein Stück näher zu sich, sodass ihre Gesichter nur noch einen Hauch voneinander entfernt waren. „Ich liebe dich, und ich werde dich nicht aufgeben. Es spielt keine Rolle, was die anderen sagen, oder wie die Gesellschaft uns beurteilt. Du bist die Frau, mit der ich mein Leben teilen möchte. Und wenn das bedeutet, dass ich gegen den Strom schwimmen muss, dann werde ich es tun."

Lucie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, ihre Zweifel langsam verblassten und sich in einem warmen Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens auflösten. Sie hatte die ganze Saison lang gegen ihre Gefühle angekämpft, versucht, sich den Erwartungen ihrer Mutter und der Gesellschaft zu fügen, doch in diesem Moment wusste sie, dass sie das alles hinter sich lassen konnte. Benedict war ihre Entscheidung, ihr Weg, und sie würde ihn gehen – wohin auch immer er führen mochte.

„Benedict," flüsterte sie schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. „Ich... ich will bei dir sein. Es ist mir egal, was die anderen sagen. Ich habe lange genug versucht, jemanden zu sein, der ich nicht bin. Und ich weiß, dass ich bei dir endlich die Freiheit habe, ich selbst zu sein."

Ein Lächeln erschien auf Benedicts Gesicht, so sanft und strahlend, dass Lucie beinahe das Gefühl hatte, das Herz müsse ihr aus der Brust springen. Er hob ihre Hand an seine Lippen und drückte einen zarten Kuss darauf, ein stilles Versprechen, das tiefer ging als Worte es je könnten.

„Dann lass uns heute Abend einen ersten Schritt machen," sagte er leise. „Lass uns die Gesellschaft sehen, dass wir uns füreinander entschieden haben, ohne Angst und ohne Reue."

Noch immer hielt er ihre Hand, als sie gemeinsam den Alkoven verließen und zurück in den Ballsaal traten. Die Gäste, die ihre Rückkehr bemerkten, beobachteten sie mit neugierigen und zugleich ehrfürchtigen Blicken. Einige tuschelten miteinander, andere lächelten wissend, doch Benedict und Lucie schritten gemeinsam durch die Menge, den Kopf erhoben und die Schultern aufrecht.

An diesem Abend hatten sie ein unsichtbares Band geknüpft, ein Versprechen, das sie trotz aller Widrigkeiten verbinden würde. Und als Lucie Benedicts Hand fest umklammerte, wusste sie, dass dieser Tanz nur der Anfang von etwas viel Größerem war – etwas, das keine gesellschaftliche Erwartung, kein Klatsch und kein Gerücht je würde zerstören können.

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