Reiseblog Tag 3

Das Bett war leider auch nicht grösser als das in der Ferienwohnung, die Decke zum Glück schon, denn in dem winzigen Hotelzimmer hatten wir natürlich kein Sofa. So hielten wir es zu dritt die ganze Nacht aus. Am Morgen war es so angenehm, einfach unter die Dusche steigen zu können, und entgegen meiner Erfahrungen mit fremden Duschen hatte diese auch einen richtig guten Druck!
Dann Frühstück im Hotel, mit allem was man braucht und haben möchte.

Um den Geburtstag von meinem Grossvater zu feiern, wollten wir in eines der Lieblingsrestaurants meiner Grosseltern gehen. Mein Vater schickte mir die Koordinaten und wir hatten die Wahl, uns von ihm abholen zu lassen, den Bus zu nehmen oder zu laufen. Da zeitlich aus organisatorischen Gründen alles aufs Gleiche hinausgelaufen wäre, entschieden wir uns bei dem schönen Wetter und den milden Temperaturen zu Fuss zu gehen. Noah war so müde, dass wir ihn in den Kinderwagen legten und schliesslich anderthalb Stunden vorher losliefen obwohl wir nur eine Stunde Weg hatten und noch einen Umweg machten.

Das Personal im Restaurant hätte uns Noah am liebsten gestohlen, aber das sind wir uns ja gewohnt. :) Das Essen war lecker und die Portionen gross. In der benachbarten Bäckerei hat eine Kellnerin, die meinen Grosseltern schon eine Freundin geworden ist, eine wunderschöne Torte bestellt, die wir zum Dessert gegessen haben. Er hat sich wahnsinnig gefreut.

Jack und ich haben uns den Nachmittag freibehalten. Wir wollten unabhängig sein. Mit Gondeln kann man ein Stück auf einen Berg der Stadt fahren und die Aussicht geniessen. Der Rest meiner Familie wollte hochlaufen, Jack und ich glaubten, so hätten wir genügend Zeit, vorher die Stadt unsicher zu machen. Ausserdem wusste ich nicht mehr, ob es einen kinderwagengängigen Weg nach oben gab. Als wir an der Talstation der Gondeln standen, sahen wir, dass diese aufgrund Reparaturarbeiten bis Ende Januar ausser Betrieb sind. Ich war leicht enttäuscht, aber Jack schlug vor, dennoch hochzulaufen.
"Mit Kinderwagen?", räumte ich ein. Die Trage hatten wir natürlich im weit entfernten Hotel gelassen...

Wir suchten also den nächsten Weg nach oben. Ich weiss, dass die Wanderwege rund um die Stadt gut angeschrieben sind (das ist für Schweizer im Ausland keine Selbstverständlichkeit) und schliesslich stand der Aussichtspunkt angeschrieben. Es gab nur ein Problem: Treppen. Jack fragte mich, ob das nur am Anfang so sei und nachher ein normaler Weg komme aber es gibt so viele Wege zum Aussichtspunkt hinauf, dass ich es beim besten Willen nicht wusste. Ich glaubte, am Anfang kamen viele Treppen.
"Kein Problem", sagte Jack, "nimmt du den Kleinen, ich trage den Kinderwagen."
Mit diesen Worten hob er den Kinderwagen auf seine Schulter und stieg die Treppen hinauf. Wir machten viele lustige Fotos. Tatsächlich schienen die Treppen kein Ende nehmen zu wollen und schliesslich legten wir eine Pause ein. Zwei Männer kamen uns entgegen und Jack fragte sie, wie viele Treppen noch kommen würden. Die beiden lachten uns nur aus, sagten, die Treppen würden noch andauern, danach käme ein steiniger, mit Kinderwagen unpassierbarer Weg und schliesslich wieder Treppen, richtig hohe. Und wir hätten noch nicht einmal einen fünfzehntel geschafft. Sie wünschen uns viel Erfolg beim Abstieg.

Jack und ich gaben jedoch nicht so schnell auf. Nach den Treppen wechselten wir uns mit schieben ab. Immer wieder mussten wir die Räder über grössere Steine oder Wurzeln heben, es war ein recht steiler, wenn auch breiter Weg. Viele Leute kamen uns entgegen oder überholten uns, bewunderten uns oder schüttelten die Köpfe. Bei einer unserer zahlreichen Pausen fing Noah im Kinderwagen an zu meckern. Jack, ziemlich ungeduldig, nahm ihn heraus und legte ihn bäuchlings auf den Boden mit den Worten: "Mama und ich tragen dir hier alles hinauf, du machst gar nichts und beschwerst dich dann. Los, jetzt kannst du selber ein Stück gehen."
Noah liegt sehr gerne auf dem Bauch und bemüht sich auch zu krabbeln, kommt allerdings noch nicht vorwärts - dafür rückwärts. =)
Einige Frauen beim Abstieg sahen ihn dort liegen und strahlen und unterhielten sich mit ihm, worüber sich Noah natürlich sehr freute.

Als wir den Kinderwagen schliesslich durch Ruinen alter Gebäude mit schmalen Treppen bugsieren mussten, wurden wir allmählich wirklich müde. Eine Frau traf uns während ihres Abstiegs an und bot Jack an, ein bisschen zu helfen. Zu zweit hieften sie den Kinderwagen eine lange Treppe nach oben. Dann waren zwei Wege angeschrieben: einer mit und einer ohne Treppen. Da der mit Treppen deutlich kürzer war, wollte Jack trotz der Erschöpfung lieber diesen Weg nehmen. Weiter ging es. Zwei Jogger holten uns ein und boten Hilfe an.
"Ist es noch weit?", fragte Jack.
"Ihr habt schon über die Hälfte der letzten Treppen geschafft aber du siehst ziemlich ermüdet aus", antwortete einer der Jogger. Jack nahm seine Hilfe dankend an und die beiden trugen den Kinderwagen das letzte Stück nach oben. Dann liess Jack den Kinderwagen stehen und nahm mir Noah ab, der mit seinen sieben Kilo doch auch schon ziemlich schwer ist. Kaum lag er im Kinderwagen, schlief er sofort erschöpft ein - für ihn war es trotzdem auch anstrengender Sport.

Nach unten wollten wir einen Weg nehmen, der unweit meiner Grosseltern endete und (in meiner Erinnerung zumindest) kinderwagengängig war. Dann entdeckten wir jedoch die Bergstrasse und glaubten, dass sie, insbesondere zum diese Uhrzeit, wenig befahren sein würde. Nun wurde es schnell dunkel und als wir schliesslich übermüdet und unangemeldet bei meinen Grosseltern auftauchten, lachten sie nur ungläubig. Mein Onkel wollte mit meinen Eltern und Geschwistern unbedingt auch noch essen gehen, die Grosseltern waren natürlich auch eingeladen und wir auch. Wir hätten es an dem Abend lieber ruhig angehen gelassen und in der Ferienwohnung gekocht, aber wir wohnten ja nun im Hotel. Also wurden meine Grosseltern von meinem Onkel abgeholt und wir von meinem Vater während die anderen sich im Restaurant bereits einen Aperitif gönnten und warteten.

Jack und ich teilten Fotos von unserem Abenteuer und waren das Gesprächsthema. Meine Mutter schnappte sich Noah und Jack fädelte es ganz geschickt ein, dass er ihr Teller, Löffel, Brei und Banane brachte bevor sie ihn zurückgab. Für einmal konnten wir beide ungestört essen hihi.
Mein Onkel fragte auf einmal, ob wir beim Aufstieg Hilfe bekommen hätten. Ich sagte ja ein wenig, und wunderte mich, weshalb ihn das interessierte.
"Das war mein Pfarrer", kam sogleich seine Antwort auf meine ungestellte Frage. Mein Onkel hatte seinem Pfarrer erzählt, dass seine Familie aus der Schweiz da ist und ihm ein Selfie von mir geschickt mit Noah auf dem Arm und Jack mit dem Kinderwagen auf den Schultern im Hintergrund.
Die Welt ist klein, nicht wahr?

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