Meine Arbeit als Heilpädagogin

Gewidmet an lenajuliewi20

Unser Schulsystem sieht in Schülern eine homogene Masse, die funktionieren muss. Sprich: in diesem Alter musst du so gut in Mathe sein, so gut lesen und so gut schreiben können. Ausserdem brauchst du genau dieses Allgemeinwissen. Hast du etwas davon nicht? Dann bist du nicht gut genug.
Weshalb ich das kritisiere? In einer Schulklasse sind nicht alle Kinder gleich alt: einige sind im Januar geboren, andere im Dezember. Das heisst, das einige Kinder fast ein ganzes Jahr jünger sind - trotzdem werden sie an den gleichen Massstäben gemessen wie die älteren Kinder. Zudem ist jedes Kind einzigartig, so wie es auch Erwachsene sind: du zeichnest gerne, dafür bin ich musikalisch. Du studierst Physik, dafür kann ich ein Feld pflügen.

Im Kindergarten erwartet mich nicht etwa eine homogene Masse, wie es das Schulsystem vorsieht. Sondern ein heterogener Haufen aus vielen verschiedenen Kinderseelen, die alle perfekt und unterschiedlich sind. Meine Arbeit ist zugleich schön und wichtig als auch traurig. Denn ich begegne den Kindern auf Augenhöhe und hole sie dort ab, wo sie sich befinden. Jedoch begleite ich sie auf dem Weg zu der homogenen Masse, in die sie sich einfinden müssen.

Ich habe viele unterschiedliche Kinder: solche mit einer Intelligenzminderung, solche mit aggresivem Verhalten, Kinder mit ADHS und Kinder mit Autismus. Ich habe hochbegabte Kinder, Kinder mit Sinnesbehinderungen und solche, die noch kleinkindliche Verhaltensweisen zeigen. Ausserdem habe ich ausländische Kinder, die die Sprache lernen müssen. Ich werde in der Folge einige Unterrichtseinheiten beschreiben, damit ihr euch meine Arbeit etwas besser vorstellen könnt.

Ich arbeite viel mit Bildkarten. Diese sortiere ich nach Themen (z.B. Wald, Körperteile, Tiere, Winter, etc.) und so lerne ich den Wortschatz mit den Kindern. Wir spielen verschiedene Spiele: Die Karten liegen auf dem Tisch, ich sage: "Findet mir den Fuchs", und das Kind, das als erstes die richtige Karte findet, darf sie zu sich nehmen und das nächste Wort zum suchen freigeben.
Oder aber alle müssen die Augen zumachen und ein Kind "klaut" eine Karte. Dann wird geraten, welche Karte fehlt. Die anderen Kinder dürfen Fragen stellen:
- Ist es ein Tier?
- Welche Farbe hat es?
- Wie viele Beine hat es?
- Was frisst es gerne?
Das Kind, das die Karte "geklaut" hat, beschreibt seine Karte:
- Es ist kein Tier
- Es ist auf einem Baum
- Man kann es essen
- Es ist grün und klein
Das sind zwei Spiele zum Deutsch lernen auf verschiedenen Niveaus, die den Kindern viel Spass machen. Und am Ende werden die Karten natürlich immer gezählt. Wer hat wohl gewonnen?

Einige Kinder haben graphomotorische Schwierigkeiten. Hier zeichnen wir die ersten Wochen zum Einstieg immer einen Wald. Zuerst kommen die Baumstämme: da zeichnen wir vertikale Striche auf ein grosses Blatt. Von oben nach unten und von unten nach oben - wie geht es besser?
Dann kommen die Baumkronen: Die Blätter sind so klein, dass man sie gar nicht sieht. Wir zeichnen einfach grosse Kreise oben auf unserem Blatt - denn die Baumkronen sind oben. Wir lassen den Stift auf dem Blatt und zeichnen Kreis um Kreis bis die Baumkronen schön dicht sind. Wie geht es besser - mit oder gegen den Uhrzeigersinn?
Schliesslich der Boden: Der ist unten am Blatt. Was hat es alles auf dem Waldboden? Richtig: Blätter, Käfer, Spinnen, Nüsse, Erde, Pilze, etc. Aber auch das können wir nicht alles von blossem Auge erkennen, denn der Wald ist sehr weit weg. Deshalb zeichnen wir Punkte auf das Blatt - hörst du, wie das klingt?

Ich habe so viele von diesen Bildern und euch eins zur Veranschaulichung zeigen wollen. Jedoch ist dieses hier das einzige, das ich auf die Schnelle gefunden habe. Da wir noch ein bisschen Zeit hatten, durften die Kinder noch einen Hund in ihren Wald zeichnen (sie haben gerade das Thema Hund) und wie ihr seht, kann ich keine Hunde zeichnen!

Eine andere graphomotorische Aufgabe ist zum Beispiel das Schneiden: Mit welcher Hand schneidest du? Mit der hier? Das ist die rechte Hand. Schau, diese Hand ist der König. Der König ist faul, der macht nicht viel. Er öffnet und schliesst die Schere, aber mehr liegt nicht drin. Der König schaut stur geradeaus und bleibt, wo er ist. Die linke Hand ist der Diener. Und der Diener muss rennen. Eine Kurve hier, ein Zickzack da - immer muss der Diener das Blatt für den König richtig drehen.

Einige Kinder müssen an ihrer Frustrationstoleranz arbeiten: Was passiert, wenn andere Kinder das Spiel gewinnen? Was, wenn die Knetfiguren gegeneinander kämpfen und kaputt gehen?
Manche Kinder lernen Abläufe: Jetzt musst du still sitzen, jetzt redet jemand anderes, die Filzstifte müssen wieder geschlossen werden, du räumst auf, bevor du deinen Spielort wechselst. Zuerst ziehst du deine Jacke an, danach den Rucksack und schliesslich den Leuchtgurt. Du kannst die Ärmel deiner Jacke auch selber drehen - ich zeige dir wie.

Das sind nur einige kleine Einblicke in meine Arbeit als Heilpädagogin. Ich hoffe, ich konnte dir, lenajuliewi20, eine gute Übersicht geben.

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