Gespräch mit meiner Hebamme
Wir haben eine wirklich wundervolle Hebamme, ich nenne sie in diesem Kapitel Rosie. Rosie war zunächst meine Wochenbetthebamme und begleitete uns als Familie in den ersten zwei Monaten nach Noahs Geburt eng. Als ich wieder schwanger wurde, erzählte ich es ihr natürlich. Sie freute sich sehr und schlug spasshaft vor, ich könne ja eine Hausgeburt mit ihr machen. Umso überraschter war sie, als ich sofort ja sagte, denn das wollte ich unbedingt. Fortan kam sie einmal monatlich zu uns, mittlerweile sind es sogar alle zwei Wochen. Ich habe sehr viele Fragen zur Hausgeburt an sie gerichtet und möchte gerne einige ihrer Antworten mit euch teilen.
Was sind die Risiken einer Hausgeburt?
Die einzigen Risiken sind, dass ein Leben in Gefahr gerät. In der Regel passiert das dann, wenn das Baby nicht atmet oder die Herztöne stark nachlassen oder die Mutter zu viel Blut verliert. Ich habe eine sehr grosse Verantwortung wenn ich die Geburt begleite und bin dafür verantwortlich, rechtzeitig zu reagieren und die Ambulanz anzurufen. Die nächste Ambulanz befindet sich im Nachbarsdorf und ist binnen zwei Minuten bei euch.
Ich würde dir gerne sagen, dass ich die Ambulanz in all den Jahren meiner Berufstätigkeit noch nie rufen musste, aber tatsächlich ist es letzte Woche zum ersten Mal vorgekommen. Die Mutter erlitt eine Geburtsverletzung, die ich nicht nähen konnte und blutete sehr stark. Doch auch wenn ich die Ambulanz rufen muss, begleite ich dich weiterhin und wir werden nicht in das Spital fahren, bei dem du dich für die Geburt angemeldet hast sondern ins Universitätsspital gehen. Ich akzeptiere in so einem Fall nur die beste Behandlung und Pflege.
Was sind die Unterschiede zwischen einer Haus- und einer Praxisgeburt?
Die meisten Eltern, die sich für eine Geburt in meiner Geburtspraxis entscheiden, möchten gerne das Ambiente von zu Hause haben, doch ist es ihnen aus unterschiedlichen Gründen unangenehm zu Hause zu gebären. Wenn du ganz sicher in der Geburtspraxis gebären möchtest, musst du mir das melden, dann hast du Priorität. Ansonsten kann es sein, dass eine Klientin meiner Arbeitskollegin die Praxis für sich beansprucht hat. Doch auch kurz entschlossen ist es in der Regel gut möglich, in die Geburtspraxis zu wechseln soweit sie frei ist. Ich hole euch selbstverständlich gerne ab und ihr dürft sie im Vorfeld natürlich auch einmal besuchen kommen. Ihr dürft zwei bis drei Tage da bleiben, wenn keine andere Klientin sich angemeldet hat, gerne auch länger. Wichtig ist, dass es euch gut geht und ihr euch wohlfühlt.
Wo befinden sich in der Regel die älteren Geschwister während der Geburt?
Die sind natürlich dabei. Ich finde, eine Geburt ist Familiensache und betrifft die älteren Geschwister ebenso wie die Eltern. Natürlich ist es euch überlassen ob ihr Noah zu den Grosseltern oder einem Babysitter geben wollt. Aber ihr braucht keine Angst zu haben, dass ihn die Geburt traumatisieren würde. Das ist ein natürlicher Vorgang und das kann man erklären. Kinder haben keine Angst, die finden das sehr spannend. Ihr braucht auch niemanden zu organisieren, der bei euch hütet, Jack ist ja da und ich bin es auch. Vermutlich wird Noah sowieso schlafen, der wacht dann auf, sobald du Presswehen bekommst, auch wenn du nicht schreist, Kinder spüren das irgendwie.
Welches ist ein gutes Zimmer um zu entbinden?
Das, in dem du dich wohlfühlst. Das kann hier auf der Couch im Wohnzimmer sein, vielleicht findest du es auch im Kinderzimmer gemütlicher. (Wir brauchen das Kinderzimmer bisher nur zum Wickeln und Umziehen, das heisst, es steht noch fast leer) Ich hatte kürzlich eine Familie, die wollte im Keller entbinden. Ich fand diese Vorstellung schrecklich. Sie zeigten mir den Keller, wir stellten den Pool dort auf und ich fragte sie, ob sie nicht noch wenigstens einen Teppich auslegen und ein paar Kerzen brennen lassen wollen damit es ein wenig gemütlicher wird. Wozu, fragte mich die Mutter bloss. Es gehe doch um das Geburtserlebnis, nicht darum, wie der Raum, in dem man entbindet, aussieht. Für mich persönlich wäre das ein No-go, aber es ist natürlich allein deine Entscheidung.
Werden die Herztöne des Kindes und die Wehen der Mutter gemessen?
Die Herztöne auf jeden Fall. Das mache ich sehr regelmässig. Deine Wehen spürst du ja, die muss ich nicht messen. Ausserdem wird der Bauch hart, das genügt doch völlig, oder? Ich mache also kein CTG, wo ich dir einen Gurt um den Bauch schnalle und die Geburt vom Pochen des Herzen begleitet wird. Ich kann mir sogar vorstellen, dass dich das gestört hat bei deiner ersten Geburt. Aber regelmässige Kontrollen muss ich natürlich machen und die Herztöne des Babys dürfen nicht nachlassen.
Können Wehenmittel verabreicht werden? Was passiert, wenn die Geburt zum Stillstand kommt?
Wenn die Geburt zum Stillstand kommt, hat das einen guten Grund. Vielleicht muss das Baby sich erst noch in die richtige Position bringen (Kopf in die richtige Richtung drehen zum Beispiel). Oder du bist aus irgendeinem Grund noch nicht bereit dafür, das Kind jetzt zur Welt zu bringen. Ich hatte einmal eine Mutter, bei der die Wehen erst richtig losgegangen sind als die Kinder von den Grosseltern abgeholt wurden. Eine andere Mutter machte auf einmal eine Wehenpause weil sie das Birchermüesli von ihren älteren Kindern vorbereiten wollte, denn das würden die immer um halb acht Uhr morgens essen und sie konnte auch nicht annehmen, dass ich oder ihr Mann es vorbereitet. Kaum sassen die Kinder am Tisch, nahmen die Wehen wieder an Fahrt auf.
Ich habe kein Wehenmittel dabei. Das braucht es für die Geburt auch nicht. In Spitälern ist es Standard, welches zu verabreichen aber letzten Endes ändert es nicht viel, ausser dass das Baby vielleicht ein wenig schneller da ist. Bei einer Geburt zu Hause haben wir so viel Zeit wie du und das Baby benötigen.
Welches ist aus physiologischer Sicht eine gute Position, um das Kind zur Welt zu bringen?
Das kommt ganz darauf an. Vor allem musst du dich wohlfühlen. Ich finde, für eine europäische Frau bietet es sich an, auf den Knien zu gebären. So sind die Wehen effektiv, du machst dir die Schwerkraft zunutze und die Wahrscheinlichkeit, dass du Geburtsverletzungen erleidest ist deutlich geringer als wenn du zum Beispiel im Stehen oder Liegen gebärst. Ich vertraue darauf, dass du spürst, was dir guttut.
Ich übrigens auch. Ich hätte auch bei Noah gerne auf den Knien entbunden. Diese Position habe ich mir während der Presswehen ausgesucht, nachdem der Toilettenstuhl nicht mehr das richtige zu sein schien. Leider wurde mir gesagt, ich müsse mich auf das Bett legen und ich habe leider nicht widersprochen. Aber das ermutigt mich, dieses Mal noch mehr auf meinen Körper zu hören und meine Bedürfnisse einzufordern.
Wann bist du spätestens da und wie lange bleibst du mindestens?
Ich bleibe mindestens sechs Stunden nach der Geburt. Das muss ich, um zu schauen, wie das Baby atmet, ob sich die Gebärmutter gut zusammenzieht und du nicht zu viel Blut verlierst. Aber ich werde mich die meiste Zeit zurückziehen, vielleicht etwas schlafen, vielleicht Wäsche aufhängen. Die ersten Stunden gehören auf jeden Fall euch als Familie.
Ich komme sofort. Wenn du auch nur das kleinste Ziehen spürst oder merkst, dass etwas anders ist und du dich komisch fühlst, musst du mich anrufen. Wenn du mich anrufst sobald die Wehen einsetzen oder die Fruchtblase platzt bist du bereits sehr spät dran. Und es macht nichts, wenn du dich getäuscht hast. Deine Intuition darf auch falsch sein, aber oft ist sie eben richtig.
Ich bin neulich mitten in der Nacht aufgestanden und habe meine Zähne geputzt weil ich mir sicher war, dass meine Klientin jeden Moment anrufen würde. Das tat sie auch und war überrascht, dass ich so schnell abgenommen habe. Ich sagte ihr, ich sei gerade am Zähneputzen und als sie fragte, weshalb ich um vier Uhr morgens meine Zähne putze antwortete ich wahrheitsgemäss: Na weil du anrufen würdest.
Ich komme dann zu dir und dann sehen wir weiter. Vielleicht beruhigt sich dein Körper nochmal, vielleicht steckst du mittlerweile schon in den Wehen. Nachts lege ich mich vielleicht auf euer Sofa und schlafe noch eine Runde, tagsüber mache ich vielleicht noch ein paar Hausbesuche in der Nähe. Wir bleiben aber immer in Kontakt und wenn es ernst wird, bin ich natürlich da.
Stimmt es, dass die zweite Geburt meist schneller geht als die erste?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Bist du bereit für die Geburt und fühlst du dich wohl? Dann geht es womöglich recht schnell. Der Vorteil für deinen Körper ist natürlich, dass er schon weiss, was auf ihn zukommt und wie er es machen muss. Das ist wie Skifahren. Wenn du es einmal kannst, vergessen deine Muskeln nicht mehr, wie sie sich auf den Brettern bewegen müssen. Daher ist es gut möglich, dass es schneller geht. Auf der anderen Seite werde ich dir keine Wehenmittel verabreichen, wie du sie bei der ersten Geburt hattest.
Wann wird das Baby von der Plazenta getrennt?
Diese Frage stellte ich Rosie, weil sie einmal erwähnte, man könne das Baby mehrere Tage nach der Geburt mit der Plazenta verbunden lassen und sie in Handtücher einwickeln, in eine Tasche legen und so mit dem Baby mit sich herumtragen. Jedoch lag ich falsch in der Annahme, dass Rosie es gerne immer so handhabt.
Ich würde sagen so nach ein bis zwei Stunden. Man kann die Plazenta auch mit dem Baby verbunden lassen bis die Nabelschnur von sich aus abfällt. Aber das finde ich unpraktisch und nützlich ist es auch nicht. Im Spital wird die Nabelschnur ja sofort durchtrennt. (Bei uns hat Jack sie durchtrennt noch bevor ich die Plazenta "geboren" habe und ich habe das gar nicht mitbekommen obwohl ich wach war, er erzählte es mir im Nachhinein) Das finde ich schade. Bei einer Hausgeburt gebe ich mir Mühe, dass alles sehr bewusst geschieht. Es wird nicht einfach gemacht und wir sind froh wenn es fertig ist. Ich möchte dieses Erlebnis für euch auch als solches gestalten. Die Nabelschnur durchtrennt ihr also, sobald ihr wollt und es für einen guten Augenblick haltet.
Muss ich bei Geburtsverletzungen anschliessend ins Spital fahren?
Nein, die kann ich nähen. Dazu bin ich ausgebildet und habe die Befugnis. Du musst zu überhaupt keiner Kontrolle ins Spital. Du gehst einfach ganz normal nach sechs Wochen zum Gynäkologen zur Nachkontrolle.
Wann findet die erste ärztliche Visite des Babys statt?
Auch hier könnt ihr getrost zu Hause bleiben. Es gibt Kinderärzte, die zu euch kommen und Noahs Kinderärztin gehört dazu. Idealerweise findet die erste Untersuchung durch einen Arzt nach drei Tagen statt, also habt ihr auch genügend Zeit sie anzurufen und zu informieren. Vorher obliegt es meiner Verantwortung zu sehen, ob alles in Ordnung ist.
Darf ich Noah nach der Geburt trotzdem noch hochheben?
Man sagt, dass die Mutter nach der Geburt ihr Baby und nichts anderes hebt. Daher stellte ich Rosie diese Frage.
Er ist doch noch sehr leicht, also warum nicht. Du hast ein gutes Körpergefühl. In den ersten Tagen wirst du es vermutlich gar nicht wollen und ihn bitten, zu dir auf die Couch zu klettern. Wichtig ist nur, dass du ausschliesslich das tust, was dir guttut und wonach dir ist.
Wie reagieren meine Brüste auf die Geburt? Werde ich trotz Tandemstillen wieder Milchstaus, -einschüsse und Fieber bekommen?
Bei Noah trafen mich das Fieber und die riesigen fast platzenden Brüste völlig unvorbereitet. Und selbst Rosie war bei ihren Besuchen immer überrascht wie viel Milch ich habe. Wenn euch das Thema Stillen in den ersten Wochen nach der Geburt interessiert, schreibt mir, dann schreibe ich ein Kapitel dazu.
Ich stille Noah immer noch und möchte bis zur Geburt auch nicht damit aufhören. Ich kann mir noch nicht ganz vorstellen, wie es ist, zwei Kinder zu stillen, werde das aber auf mich zukommen lassen.
Die Milch verändert sich mit dem Alter deines Babys. Nach der Geburt stellen sich deine Brüste aber wieder auf Neugeborenenmilch ein. Das wird sich, wenn du Noah stillst, auch auf seinen Stuhlgang auswirken, der ist dann wieder so weich wie bei einem Neugeborenen. Es ist sehr gut möglich, dass deine Brüste wieder stark anschwillen, du Milchstaus und -einschüsse haben wirst. Es kann aber auch sein, dass du kaum etwas merken wirst. Bei Noah mussten deine Brüste erst lernen, Milch zu produzieren und die richtige Menge herauszufinden. Dein zweites Baby kommt auf die Welt und hat schon Milch. Du siehst also, die Ausgangslage ist ganz anders und daher ist es schwierig vorherzusagen, was eintreffen wird. Für mich sind beide Optionen denkbar.
Machst du Fotos während und nach der Geburt?
Ich frage immer. Wenn ihr das möchtet, finde ich, sind diese Fotos eine schöne Erinnerung (und Rosie kann wirklich schöne Fotos machen!). Natürlich entscheidet auch ihr, was auf den Fotos zu sehen sein darf. Einigen Müttern macht es nichts aus, wenn man ihre Brüste auf den Bildern sieht, andere möchten das gar nicht.
***
Wir unterhielten uns noch über vieles mehr. Rosie ist ein grosser Fan von Wassergeburten. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, eine Haus-Wassergeburt zu machen, jedoch besitzt sie grosse Pools, die in der Wohnung aufgestellt werden können. Der Vorteil einer Wassergeburt sei, dass die Wehen weniger stark gespürt werden, was die Geburt angenehm macht. Ich für mich persönlich kann mir keine Wassergeburt vorstellen und weiss noch nicht, ob ich Rosie bitten soll, mir einen Pool vorbeizubringen. Das Wasser ist nicht mein Element. Ich gehe nicht gerne schwimmen, viel lieber Baden und im Wasser zur Abkühlung spielen und das auch viel lieber in natürlichen Gewässern als einem Schwimmbad. Wenn ich ein heisses Bad nehme, ist dieses auch wirklich heiss und nicht bloss 37°C warm. Ausserdem mag ich es nicht, aus dem Wasser zu steigen, mit schrumpeliger Haut, und mich in ein Handtuch zu hüllen, schliesslich anziehen zu müssen.
Ich denke, ich entbinde lieber im Trockenen, lege oder setze mich im Anschluss auf die Couch und lerne so mein Baby kennen, als dass ich mich plötzlich in dem blutigen Wasser ekle, das Kind abgeben muss und sofort duschen gehe.
Ist Wasser euer Element? Könnt ihr euch eine Wassergeburt vorstellen?
Natürlich macht Rosie auch kein Tabu aus unangenehmen Themen. Wenn ihr die vorangegangenen Kapitel von mir gelesen habt, wisst ihr, dass auch ich nichts totschweige. So sagte Rosie, dass eine Geburt nichts grundsätzlich dreckiges sei und eine wesentlich kleinere Sauerei mache, als es den Anschein hat. Man blutet ja auch erst im Nachhinein. Wenn ich mich übergeben muss, wird Rosie in der Küche nach einer Schüssel oder im Putzschrank nach einem Eimer oder einer Plastiktüte suchen. Sollte es nicht reichen, wischt sie es wortlos auf, das alles ist normal. Wie der Name ja schon sagt, presst man bei Presswehen und kann dabei nicht kontrollieren, wo. Somit entleert sich auch der Darm... Rosie sieht dabei auch im Wasser kein Problem, sie hat ein Teesieb, das sie mitnimmt und dann einfach alles heraussiebt, was nicht ins Wasser gehört.
Bei Noah im Spital wurden mir Kotztüten angeboten aber ich rannte jedes Mal ins Badezimmer, Wehen hin oder her. Als ich auch mit Presswehen zur Toilette ging, waren die beiden Hebammen zwar beeindruckt, wollten mich aber nicht dortlassen und wischten mir in der Folge regelmässig den Hintern ab. Es war mir unangenehm aber ich konnte es annehmen. Bei Rosie würde ich mich nicht einmal schämen, doch ich weiss auch, dass ich so viel Zeit im Badezimmer verbringen darf, wie mir danach ist.
Um die Geburt zu erleichtern, empfiehlt Rosie allen werdenden Müttern ab der 34. Woche die Louwen-Diät zu machen. Ich werde somit in einer Woche beginnen. Im Detail habe ich mich mit der Diät noch nicht befasst, aber ich sollte versuchen, gänzlich auf Kohlenhydrate zu verzichten. Schmerzhaft werden für mich folgende Nahrungsmittel: Bananen, Wassermelone, weisser Reis, Kartoffeln und Toastbrot, weil ich diese Lebensmittel praktisch täglich esse. Wildreis, Datteln, Linsen und Nüsse hingegen sind weniger mein Fall.
Habt ihr schon einmal eine Diät gemacht oder auf bestimmte Lebensmittel bewusst verzichtet? Bei welchen Lebensmitteln würde es euch besonders schwer fallen?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top