Er - Im Land der Wälder

Er horchte. Im tiefsten Dickicht verirrt lauschte er dem Wind, wie er geschmeidig durch seine zotteligen Haare zauste.

„Merkst du es...?" raunte der Wind.

„Was...?" fragte er leise zurück und richtete wieder seine dunklen Haare zurecht. Der Wind raschelte mit dem grünen Blätterdickicht um ihn herum. Ein leises Raunen ging durch sie.

„Tief... In deinem Herzen..."

Sein Blick schwang durch die Blätter, die den kühlen Wind um sich genossen. Auch ihm tat die sinnige Berührung des Windes gut.

„In meinem Herzen?" erwiderte er. „Was ist in meinem Herzen...?"

Ein stilles Knarzen fuhr durch das Gehölz.

„Merkst du es...? In deinem Herzen... Da ist... Fehlt da nicht etwas...?"

Fragend reckte er sein Gesicht gen Himmel und lies die warmen Sonnenstrahlen, die sich durch das Blätterdach zu ihm hindurchkämpften, auf ihm tappen. Er schloss die Augen.

„Ich verstehe nicht..." antwortete er durch die goldene Wärme der Strahlen. Seine bronzen Augen öffneten sich wieder.

„Du merkst es doch auch... Schon dein ganzes Leben lang... Immer... Fühlst du es... Das du es nicht fühlst... Es... Du fühlst dein Herz nicht..." zischelten heiß die Strahlen.

Er verdutzte.

„Das... Kann doch gar nicht sein... Ich lache... Ich weine... Ich liebe und ich hasse... Schon mein ganzes Leben lang." und kratzte sich dabei nachdenklich seinen Hals.

Einige bunte Blumen kicherten leise auf. Sie tanzten elegant im Wind und verteilten ihren wonnigen Duft. Es umgarnte auch seine Nase und er zog es tief in sich hinein.

„Du leugnest es... Du überspielst es... Du lügst uns an... Du lügst dich selbst an! Warum tust du das? Denkst du, du fühlst ohne Grund dieses Nichts...?"

Er musste erschrocken Inne halten. Stimmte das? Konnte das stimmen? War er nicht in der Lage, die Stimme seines Herzens zu hören? Er horchte in sich hinein...

Ein Vogel zischte trillernd an ihm vorbei und nahm Platz am nächstbesten Ast. Er bewegte seinen kleinen Kopf und musterte ihn. Dann sprang er flink ein, zwei Mal auf einen Nachbarast und zwitscherte:

„Du hast ein tiefes Loch in deinem Herzen. Eine tiefe Wunde. Ein großes Leid. Eine unendliche Leere... Bald schon, wird es noch stärker anwachsen. Bald schon, wirst du es nicht mehr unterdrücken können... Es wird dich zerfressen. Du wirst nicht ohne besondere Mittel diese Leere vergessen können. Doch diese Mittel werden dir nicht helfen... Bloß für eine Weile betäuben und wenn du aufwachst... Wird dein Herz nur umso schmerzvoller leiden."

Sein Herz pochte schneller auf. Es fing an zu kribbeln. Ein seltsames Kribbeln. Aber war dieses Kribbeln nicht immer schon da gewesen? Ein düsterer Angstschleier legte sich um seine Brust. Stimmte es, was er da hörte? Hatte er nicht schon öfters so etwas vernommen...? Was sollte er tun?

Ein kleines Eichhörnchen huschte fachmännisch über die Äste und Sträucher und blieb in seiner Sicht stehen. Die kleinen Kulleraugen sahen ihn milde an. Es fiepste:

„Hab keine Angst... Es gibt doch einen ganz einfachen Ausweg... Du musst es nur füllen. Dein Herz. Ja. Es ist nicht unmöglich. War es noch nie. Du musst es füllen. Dein Herz." Ein kleines Lächeln glitt um ihr Hörnchengesicht.

Ein Stich fuhr durch sein Herz. Als würde es aus einer tiefen Höhle mit stickiger Luft endlich unter den freien Himmel treten und es gierig füllen. Seine Lungen waren an so frische Luft gar nicht mehr gewöhnt. Er atmete es trotz des Schmerzes ein.

„Ich muss mich auf dem Weg machen... Und danach suchen, nicht wahr? Ich muss suchen... Aber wonach?" fragte er erstickt.

Der Wind frischte auf. Die Blätter raschelten. Die Sonnenstrahlen wärmten ihn stärker. Die Blumen leuchteten. Der Vogel sang ein liebliches Lied und das Eichhörnchen fuhr sich zufrieden über seinen struppigen Schwanz.

Sie sprachen gemeinsam:

„Das weißt du noch nicht... Du musst dich zuerst auf die Suche nach der Suche machen. So fängt jeder heldenhafte Weg an. So startet jedes Abenteuer. So findet man jede Antwort. Aber fürchte dich nicht vor der Suche. Es stimmt... vielleicht verlieren viele ihr Ziel. Viele finden nicht ihre Suche. Viele verlieren sich sogar am Ende selbst... Aber solange du auf diesem Weg bist, kann dein Herz nicht verblassen, dein Lächeln nicht sterben, deine Freude nicht verwelken."

Er nickte und verließ schweigend die Wälder, wie ein Lächeln die Lippen. 

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