•Kapitel 5 -Wie man Römer rettet

,,Wie fühlst du dich?", fragte Arvid, als er meinen Verband erneuerte und mir einen kühlen Lappen auf die Stirn legte. Bevor ich antwortete, schloss ich kurz die Augen und genoss das Wasser.
,,Besser."
Kurz hielt ich inne.
,,Danke."
,,Wofür?"
,,Dass ihr uns nicht habt sterben lassen. Dass ihr uns hier pflegt."
Arvid winkte ab. ,,Schon gut. Ihr Römer habt uns zwar unterjocht, aber ..."
Er zögerte.
,,Es liegt nicht in meiner Natur, Leute sterben zu lassen. Das ist nicht meine Art."
Ich wurde stutzig. So eine Ausrede hatte ich noch nie gehört. Und ich hatte schon so einige gehört.
,,Ich sehe schon, du hältst mich für verrückt."
Ich schüttelte den Kopf.
,,Das nicht. Ich finde deine Begründung nur ... seltsam."
Arvid lachte leise auf. ,,Das kann ich verstehen. Aber du sollst den Grund dafür erfahren."
Er holte tief Luft.
,,Vor ein paar Jahren waren mein Bruder und ich allein im Wald unterwegs, als wir auf eine Pattroulie der Römer trafen. Obwohl wir uns sofort ergaben und ihnen auch sonst keinen Grund gaben, uns anzugreifen, griffen sie uns an. Mein Bruder wehrte sich und ..."
Ich schluckte. Die Bitterkeit in Arvids Stimme verriet mir schon den Ausgang der Geschichte.
,,Als er tot zu Boden fiel, konnte ich es nicht glauben. Ich wollte es nicht glauben."
Arvid holte tief Luft.
,,Ich wurde wütend; sehr wütend und griff die Römer an. Es ... es gab keine Überlebenen. Ich habe sie alle getötet."
Ich starrte ihn an.
,,Ich war wie im Rausch", verteidigte Arvid sich.
,,Als ich wieder zu mir kam und realisierte, was passiert war, was ich getan hatte, schwor ich mir, nie wieder jemanden zu töten und legte meine Waffen nieder."
,,Das tut mir leid", sagte Silvanus, zu meiner und Arvids Überraschung. ,,Das hätte nicht passieren dürfen. Ihr hattet euch ergeben. Wir Römer hätten nicht angreifen dürfen."
Er stoppte.
,,Aber, wenn du dir geschworen hast, nie wieder jemanden zu töten, warum hast du dann in der Schlacht mitgekämpft?"
Arvid seufzte schwer.
,,Ich hatte keine Wahl...

Arvid hielt sich mit anderen Germanen versteckt. Wie gerne würde er diesem Kampf aus dem Weg gehen. Doch er hatte keine Wahl. Obwohl er sich Frieden wünschte, liebte er trotzdem seine Freiheit über alles.
Und diese Freiheit wollte um nichts in der Welt verlieren.
Nicht durch Römer, nicht durch andere Eroberer.
Er beobachtete alles genau und behielt Lloyd im Auge. Er musste nur auf dessen Kommando warten. Lloyd aber musste auf das Kommando von Arminius warten.
Da! Arvid vernahm das Näherkommen der Legionen. Er entdeckte als ersten Varus, den Anführer. Dicht gefolgt von einigen Offizieren.
Einige Momente warteten sie noch, dann schrie Arminius zum Angriff. Jetzt ging alles ganz schnell.
Germanen griffen mit lautem Gebrüll an. Die Römer waren zu verblüfft, um eine Verteidigung zu bilden. Selbst wenn, im dichtem Wald würden sie das sowieso nie Schaffen.
Auch Arvid stürzte sich in den Kampf. Schon stand er einem Römer gegenüber, der ihn kalt anstarrte.
Arvid griff an. Der Römer versuchte sich mit seinem Schild zu verteidigen, doch Arvid schlug ihn zu Boden. Der Römer starrte ihn an. Arvid zögerte.
Im nächsten Moment steckte ein Schwert in der Brust des Römers. Arvid blickte in Lloyds Augen.
,,Schwächling!", fauchte Lloyd.
Arvid war wie zur Salzsäule erstaart. Eben hatte er den endgültigen Beweis gehabt. Er konnte es nicht. Er konnte keine Römer töten.
Stattdessen parierte er nur die Schläge der Römer und behielt Lloyd im Auge. Er entdeckte, wie dieser  gegen einen Soldaten kämpfte, der ihn mit vor Angst geweiteten Augen anstarrte. Schließlich tötete er den Soldaten. Arvid hätte Lloyd am liebsten dafür angegriffen, doch er ließ es. Er sah, dass Lloyd auf einen jungen Soldaten zustürmte, der die ganze Szene erschrocken gesehen hatte. Arvid sah wie der Soldat fliehen wollte, doch  stolperte und blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen.
Lloyd stach zu. Der Soldat erschlaffte.
Arvid ließ die Schultern sinken. Er hatte Mitleid mit diesen Soldaten.

Als Stille eingekehrt war, machte er sich mit Tyr daran, das Schlachtfeld nach möglichen Überlebenen abzusuchen.
Als er ein Husten hörte, horchte Arvid auf und bemerkte, dass sich der junge Soldat, den er für tot gehalten hatte, bewegte. Er lebte noch!
Als Arvid sich zu ihm herunterbeugte, blickte der Römer ihn an.
Dann ließ er den Kopf sinken und schloss die Augen.  Er wartete auf den alles beendenen Schlag. Doch auf den wartete er vergebens.
Arvid hob ihn hoch und trug in davon.
In Gedanken murmelte er:

,,Vielleicht mache ich einen Fehler. Vielleicht werde ich hierfür bezahlen. Aber eines weiß ich: Hierlassen kann ich ihn nicht."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top