KOOKUCK - 2103

2103

Endlich. Seungmin kann kaum glauben, dass er den Laden nach fünf Monaten Suche tatsächlich gefunden hat. Er befindet sich im 93. Stockwerk eines der alten 2050er Gebäude des ehemaligen Seouls. Die Böden knarren und es ist modrig und stickig, weil die Klimaanlage schon seit Jahrzehnten nicht mehr funktioniert. Draußen sausen Hovercrafts vorbei und weil das Gebäude so schlecht schallgedämmt ist, hört man sogar das Fußvolk auf den schattigen Straßen, ganz unten wo sich niemand, der mehr als ein paar Tausend Won besitzt, freiwillig aufhält.

Minhos Laden ist unscheinbar. Genau wie alle anderen Türen im 93ten Stockwerk, ist sie aus mausgrauem Metall geformt und von Dellen übersät. Der einzige Indikator, dass Minho sich tatsächlich hier aufhält, ist das kleine Schild unter der Klingel auf dem "Minho Lees Laden für Magie und Zauberei" steht. Darunter hat jemand mit Kugelschreiber "Zutritt für alle, die nicht Kim Seungmin heißen" gekritzelt.

Seungmin schnaubt. Minho kann ihn mal kreuzweise. Heute ist der letzte Tag, an dem dieser Idiot ihm in die Quere kommt. Seungmin greift nach seiner Pistole, atmet einmal tief durch und tritt die Tür mit einem gekonnten Frontkick ein. Normalerweise raten die Vorgesetzten vor Gewalteinsatz und unnötigem Sachschaden ab - aber bei Minho sind alle anderen Methoden zwecklos.

Seungmin stürzt in den Laden rein, Waffe gehoben, vollkommen bereit Minho ins Bein zu schießen – wenn es denn sein muss – nur um verwirrt zu erstarren, als er sich mitten in einer rosarot eingerichteten Altdamen-Wohnung, wie man sie noch aus den 1970er Jahren kennt, wieder findet. Die Wohnung besteht aus einem einzigen Raum, der komplett in rosa Blümchentapete gekleidet und mit modrig aussehenden Sofas zugestellt ist. Ein paar weiße Katzen sitzen auf dem Fensterbrett neben grässlichen Kunstblumen und blicken verträumt in die neon leuchtende Skyline von Neo Seoul.

Minho sitzt über einen Beistelltisch gebeugt auf einem der Sessel, eine Lupe in der einen Hand und eine Pinzette in der anderen. Er stochert in einem kleinen Schächtelchen herum und sagt nüchtern: "Hast du das Schild nicht gelesen? Kein Zutritt für Leute, die Kim Seungmin heißen, Kim Seungmin."

"Hände hoch", ruft Seungmin zur Antwort. Er richtet den Pistolenlauf auf Minho, aber dieser starrt bloß weiter in sein Schächtelchen. Ein paar seiner braunen Strähnen hängen ihm ins Gesicht, aber ansonsten wirkt er so makellos wie eh und je. Seine Haut ist rein, seine Schultern stabil und seine Bewegungen geschmeidig. Nichts scheint ihn aus der Ruhe bringen zu können.

"Ich sagte: Hände hoch!", wiederholt Seungmin, als Minho nichts dergleichen tut.

"Bin grad beschäftigt."

"Willst du, dass ich schieße?", droht Seungmin.

"Wirst du nicht tun", entgegnet Minho.

Wut kocht in Seungmin auf. Dieser scheiß Wichser hat ihn schon über hundert Mal quer durchs Land gejagt, nur um ihn am Schluss auszulachen und Seungmins Polizeiarbeit mit ein paar simplen Zaubersprüchen zunichte zu machen.

Seungmin drückt ab.

Die neuesten Waffenserien aus dem Jahr 2103 sind kaum ein paar Monate alt. Sie sind effizient, leise und so treffsicher, dass selbst jemand, der nicht so geübt wie Seungmin schießen kann, sein Ziel trifft. Minhos Schächtelchen explodiert und die Lupe zerspringt am Boden, aber Minho selbst ist...

"Verfickte Scheiße!", ruft Minho hinter Seungmin. Seungmin zuckt zusammen und wirbelt herum, aber bevor er die Waffe auf den Magier richten kann, entwendet Minho sie ihm und richtet den Lauf auf Seungmins Brust. Nicht, das Minho auf Pistolen angewiesen wäre. Er kann Dinge auftauchen und verschwinden lassen; Brände mit seinen Gedanken legen; Illusionen von Häusern, die nicht existieren, konstruieren und Meilen weit durch den Raum springen, ohne nachdenken zu müssen. Seungmin ist, war und wird ihm immer unterlegen sein, aber das bedeutet nicht, dass er sich kleinkriegen lässt.

"Wieso hast du geschossen?", fragt Minho. "Bist du lebensmüde?"

"Du hättest die Hände hochhalten müssen!"

"Ich war beschäftigt!"

"Sehe ich aus, als würde mich das interessieren?"

Minho löst die Sicherung der Waffe und drückt den Metalllauf gegen Seungmins Polizeihemd - und plötzlich ist sich Seungmin nicht mehr sicher, ob Minho ihn nicht doch erschießen würde. Sie kennen sich, seit Seungmin denken kann. Sie sind im gleichen Block aufgewachsen, haben denselben Kindergarten, dieselbe Grundschule und dieselbe Uni besucht. Gemocht haben sie sich nie, aber gehasst auch nicht. Es ist schwer zu erklären. Seungmin wünscht Minho die Hölle, würde sich aber jedem in den Weg stellen, der Minho dorthin bringen will.

Minho scheint Seungmins Gedanken von seinen Gesichtszügen ablesen zu können, denn er lockert den Griff wieder. "Ich habe zwei Monate lang diese scheiß Ameisen gezüchtet. Sie müssen heute um Punkt zwölf gepaart werden, damit das Ritual funktioniert und", er wirft einen Blick auf die grässliche Kuckucks-Uhr, die an der rosa Blümchenwand hängt (es ist zwölf Uhr null drei) und sieht zurück zu Seungmin, "und du, mein Freund, bist der Fluch meiner Existenz."

"Touché", murmelt Seungmin mit trockenem Hals.

Er ist mittlerweile 25. Er könnte eine Beziehung haben, einen sicheren Job und eine schöne Wohnung in einer schönen Gegend, mit Luftgarten und eigenem Hovercraft. Aber nein. Kim Seungmin ist 25, Single, wohnt im selben scheiß Block wie immer, befindet sich am untersten Ende der Hierarchie seiner Polizeistation, ernährt sich von Dosen-Fertiggerichten und jagt seinem Kindheits-Erzfeind hinterher.

Zu Seungmins Verteidigung: Minho hat damit angefangen.

Eine der weißen Katzen miaut, als würde sie Seungmins Gedanken zustimmen. Minho lässt die Waffe sinken, gibt sie Seungmin jedoch nicht zurück.

Seungmin räuspert sich. "Du bist verhaftet."

"Und Blumenkohl schmeckt super", scherzt Minho. "Ganz ehrlich, Minnie, hast du's nicht langsam satt, immer nur zu verlieren?"

Ja, schreit alles in Seungmin, während es gleichzeitig auch nein schreit. Denn ganz ehrlich, was wäre Seungmin, wenn er aufhören würde, gegen Minho zu verlieren? Ein 25 jähriger Single, der Dosenfutter isst und kein Hovercraft besitzt – und nicht einmal einen Grund hat am Morgen aufzustehen? Na bravo.

Die Welt ist am Arsch. Sie befinden sich im 87ten Massensterben, der Äquator brennt 343 von 365 Tagen im Jahr und die Schere zwischen Arm und Reich ist so groß, dass der Mount Everest glatt klein daneben wirkt. Die einzige Konstante, auf die sich Seungmin verlassen kann, ist Minho. Er ist da (auch wenn man ihn nie findet) und er nervt. Und das wird sich nicht ändern, egal was Seungmin anstellt.

"Ich muss dich trotzdem verhaften. Du hast gegen mindestens vierhundert Gesetze ver..."

"Schhht", unterbricht Minho plötzlich. Er kommt näher, reicht Seungmin wortlos die Waffe zurück und sieht sich um. Sein Blick wird glasig – wahrscheinlich sieht er durch die Wände – und seine Haltung wird defensiv.

"Soonie, Doongi, Dori – kommt her." Die drei weißen Katzen springen wie auf Kommando vom Fensterbrett und huschen zu Minho. Sie schlängeln sich um seine Beine und gerade als die Tür heute zum zweiten Mal aufgeschlagen wird und eine Schar schwer bewaffnete Militär-Diener hereinstürmen, berührt Minho Seungmins Schulter und sie verschwinden im Nichts.

Seungmin hasst es durch den Raum zu springen. Es ist als würde jemand jeden Teil von Seungmins Wesen unter die Lupe nehmen, begutachten und verurteilen, bevor er durch einen zwei Millimeter dünnen Schlauch gequetscht wird und als ein anderer Mensch an einem anderen Ort wieder auftaucht.

Als Seungmin das nächste Mal ausatmet, befindet er sich in einer stickigen Bar, irgendwo in einem fensterlosen Gebäude – wahrscheinlich in den Katakomben unter der Stadt. Betrunkene Leute räkeln sich auf einer schlecht beleuchteten Tanzfläche und eine junge Frau, die von Kopf bis Fuß in rot gekleidet ist, steht hinter einem pink leuchtenden Mischpult und beschallt den Raum mit schlechter Pop-Musik aus den 2040ern.

"Komm", flüstert Minho Seungmin ins Ohr und zieht ihn mit sich. Er nickt der Barfrau zu und bestellt nonverbal ein paar Getränke, bevor er sich mit Seungmin in eine kleine Booth am Rand der Tanzfläche quetscht. Eine der drei Katzen setzt sich Seungmin auf den Schoß, als würde der Schoß ihr gehören, während sich die anderen beiden um Minho schlängeln.

"Was ist los?", fragt Seungmin, dessen Magen sich noch nicht ganz vom Sprung erholt hat. Ihm ist übel und die klebrige Luft hier unten hilft nicht.

"Solltest du das nicht wissen, Herr Kriminalpolizist?"

Seungmin funkelt Minho böse an, während die Barfrau ihnen zwei Getränke auf den Tisch stellt. Das von Minho ist lila und sprudelt wie ein Whirlpool vor sich her. Seungmins ist ein Bier.

"Es geht das Gerücht um, dass der Grund bald komplett zerstört werden soll", erklärt Minho, während er einen genüsslichen Schluck nimmt.

"Der Grund?"

"Der Grund", äfft Minho nach. Seungmin kickt ihm ins Bein, aber Minho ist wieder einmal schneller und sitzt, bevor Seungmin ihn trifft, plötzlich neben ihm. Ihre Seiten berühren sich und Minho riecht nach Katzenfutter und Shampoo – und Seungmin würde sich lieber aus dem 93ten Stockwerk stürzen, als zuzugeben, dass er es genießt.

"Du wirst langsamer, Minnie", neckt Minho.

"Jemand will Seoul zerstören?", fragt Seungmin, ohne darauf einzugehen. "Die ganzen Katakomben und Hochhäuser?"

Minho seufzt und lehnt sich zurück. "Schlimmer. Die ganze Welt – oder zumindest das, was noch davon übrig ist. Sie wollen sich in ihre fliegenden Häuser retten und dann den Grund niederbrennen."

"Aber dann ist alles weg."

"Gratulation, Meisterdetektiv, du bist wahrlich clever."

Seungmin kneift Minho in den Arm und Minho lässt es für einmal zu. Gedämpft sagt er: "Genau das ist das Ziel. Dass alles weg ist, meine ich. Sie wollen die ganze Welt niederbrennen, um sich eine neue, bessere in ihren fliegenden Villen zu schaffen."

Seungmin ist misstrauisch. Klar, er hat schon genug Arschlöcher kennengelernt, um zu wissen, dass Menschen in der Lage sind, genauso zu denken. Aber gleich alles auslöschen? Den ganzen Grund? All die Tradition und Geschichte einer Bevölkerung, die schon tausende Jahre lang die Erde belebt? Das scheint ihm hirnrissig.

"Und da bist du dir sicher?", fragt er. "Das ist keiner deiner manischen Schübe, oder so?" Manchmal übertreibt Minho. Und mit manchmal meint Seungmin eigentlich immer. Nur anscheinend dieses Mal nicht. Minho fixiert Seungmin mit einem tötend ernsten Blick und Seungmin weiß sofort, dass er nicht scherzt. Minho lebt sein Leben ohne auf Risiken und Nebenwirkungen zu achten. Er tut was er will und wie er will. Ist er also einmal so glasklar wütend, gibt es keine Zweifel daran, dass er meint, was er sagt.

"Die Militär-Diener...?", fragt Seungmin.

"Werden von den obersten 1% bezahlt. Sie haben ein paar gute Magier in den Rängen und sind mir schon seit Wochen auf den Fersen."

"Sie wissen, dass du sie stoppen willst?"

Minho lacht bitter und nimmt einen Schluck von seinem lila sprudelnden Getränk. "Was heißt hier stoppen? Ich kann nicht die komplette Bourgeoisie umbringen."

"Aber du kannst auch nicht zulassen, dass wir alle sterben."

Minho wirkt kurz zufrieden. So als hätte er genau diese Antwort erwartet. Er lehnt sich zurück und betrachtet Seungmin einen Moment lang mit einer Intensität, die Seungmin nicht einordnen kann.

"Du wirst uns nicht sterben lassen, oder?", hakt Seungmin nach.

Minho zuckt mit den Schultern. "Ich weiß nicht, Minnie, ich war noch nie gut darin Superheld zu spielen – das war schon immer eher dein Ding."

"Superheld spielen?", hakt Seungmin nach. "Wir reden hier von Genozid. Sich zur Wehr zu setzen ist die einzige logische Reaktion auf solch eine Bedrohung."

"Ist sie das?"

Seungmin sieht Minho entrüstet an und Minho weicht seinem Blick aus. "Als ich davon erfahren habe, war mein erster Gedanke: wann beginnt diese Säuberung und wie schmuggle ich mich rechtzeitig in eines der Luftschlösser, um zu überleben."

Ja, das klingt nach Minho. Aber nur nach einem Teil von ihm. Sicher, Minho ist die schlimmste Person, die Seungmin kennt, aber er ist auch die beste. Er würde die Welt nicht sterben lassen. Er würde Seungmin nicht sterben lassen. (Oder?)

"Und was war der zweite Gedanke?", fragt Seungmin.

"Ich muss Seungmin finden, damit er an meiner Stelle das Richtige tun kann."

Seungmin schnaubt. "Es gelingt mir noch nicht mal dich hinter Gitter zu bringen, wie soll ich da die Welt retten?"

"Es gelingt dir bloß nicht, weil du dir keine Mühe gibst, Minnie. Wir wissen beide, dass du einen schwachen Punkt für mich hast. Außerdem hast du mich nicht ausreden lassen. Mein zweiter Gedanke war: Ich muss Seungmin finden, damit er an meiner Stelle das Richtige tun kann, während ich all die falschen Dinge tue, um ihm den Rücken freizuhalten."

Seungmin runzelt die Stirn. Er ist sich nicht sicher, wie er das verstehen soll. Geschweige denn, was es bedeutet. Was sind die falschen Dinge und wieso muss Minho sie tun?

"Denk nicht zu lange darüber nach, es wird nicht besser. Glaub mir, ich hab's probiert."

"Ach? Wie lange weißt du schon davon?"

"Zwei Monate. Deswegen die Ameisen, die du dummerweise erschossen hast." Minho schnaubt. "Ich bin übrigens beeindruckt. Ich hätte nicht erwartet, dass du tatsächlich irgendwann mal abdrückst."

"Wieso ist das beeindruckend?"

"Weil du ein Idealist bist, der an das Gute im Menschen glaubt." Die Katze auf Seungmins Schoss miaut, als würde sie zustimmen. Neben ihnen twerkt eine gut bestückte Frau auf dem Schoß einer Blondine. Hinter den beiden kotzt jemand an die Wand.

"Du willst, dass ich ins Schlechte abrutsche?", fragt Seungmin.

"Im Gegenteil, ich will dass du uns zurück ans Licht führst."

Seungmin ist sich nicht sicher, ob er Minho über den Lärm der Musik hinweg richtig verstanden hat. Irgendetwas in ihm hofft es. Dann könnte er weiter sein erbärmliches Leben leben und müsste für nichts und niemanden (namens Minho) Superheld spielen. Ein anderer Teil suhlt sich im Wissen, dass Minho glaubt, Seungmin sei gut. Es ist, als würde das Monster unter seinem Bett ihm sagen, dass es ihn vor schlechten Träumen beschützt.

"Ich bezweifle, dass ich das schaffe", merkt Seungmin kleinlaut an.

"Das ist mir sowas von egal", entgegnet Minho etwas mehr er selbst. "Ich werde deinetwegen mit der Ameisenzucht nochmals von vorne beginnen müssen, aber in zirka zwei Monaten, sollten wir mit dem Umsturz starten können. Bis dahin musst du mit ein paar meiner Freunde in Kontakt treten, die uns dabei helfen wollen, die Leute aufzuklären."

"Du hast Freunde?"

"Wir sind nicht alles so Versager wie du."

"Autsch", murmelt Seungmin. Er fühlt sich nicht bereit für eine Revolution. Er fühlt sich noch nicht einmal bereit für den kommenden Montag.

"Minnie?"

"Mhm?"

"Die Welt braucht dich. Ich brauche dich."

Bei den Worten verzieht sich etwas in Seungmins Magen. Wie alles, was auf Minho zurückzuführen ist, hasst und liebt Seungmin es zugleich.

"Du wirst mir keine Wahl lassen."

"Du hattest immer eine Wahl", entgegnet Minho. "Du hast dich bloß jedes Mal für mich entschieden."

Ihre Blicke treffen sich und Seungmin fühlt sich, als hätte man all seine innersten Bedürfnis entblößt und für alle sichtbar ausgebreitet. Bedürfnisse, die er noch nicht mal selbst entdeckt hat.

"Wieso fragst du dann überhaupt?", fragt Seungmin schwach.

Minho nickt. "Guter Punkt." Er schiebt Seungmin einen Zettel hin. Darauf ist eine Nummer notiert und darunter steht Daddy. Seungmin sieht Minho fragend an.

"Das ist die Nummer von Chan. Kontaktiere ihn über eine Telefonzelle im Untergrund. Sag ihm Lee Know lässt grüßen und er wird wissen, was zu tun ist. Verwende keine echten Namen."

Seungmin summt zustimmend und steckt den Zettel ein. Widerstand ist zwecklos.

"Ich werde Soonie bei dir lassen", erklärt Minho weiter. Die Katze auf Seungmins Schoss miaut zufrieden. "Sie wird dir folgen und dich nicht weiter stören. Alles, was du tun musst, ist sie füttern und streicheln."

"Sag mir bitte nicht, dass Ameisen und Katzen der Schlüssel sind, um die Bourgeoisie zu stürzen."

"Darüber lässt sich streiten", sagt Minho. "Auf jeden Fall kann ich zu jeder Zeit durch ihre Augen sehen und im Notfall vorbeikommen."

"Nicht mit der Katze duschen", schlussfolgert Seungmin. "Habe verstanden."

Minho lacht und es ist so herzlich, dass es Seungmin warm ums Herz wird. Er wünschte, die Umstände für dieses Lachen wären andere.

"Stimmt, das sollten wir lieber mal in Person machen."

"Wie bitte?", fragt Seungmin.

Minho winkt ab. "Nicht wichtig. Ich muss jetzt gehen, ich kann die Militärs-Diener nicht lange von mir fernhalten. Sie werden mich wieder finden und ich muss gewappnet sein. Wir sehen uns bald wieder und wenn alles gut geht, werden wir auch in nicht allzu ferner Zukunft wieder in einer Welt Leben, in der du deinem einzigen Hobby – mir wie ein Kleinkind nachzujagen – nachgehen kannst."

"Ich jage dir nicht nach."

"Bist du dir da sicher?"

Nein. "Ja."

Minho lacht wieder und vielleicht ist es doch keine so schlechte Idee Superheld zu spielen. Seungmin könnte sich an dieses Lachen gewöhnen. Normalerweise, wenn er es hört, ist er gerade dabei sich selbst in die Scheiße zu reiten.

"Ruf Chan an", sagt Minho und steht auf. Die twerkende Frau auf der Blondine ist mittlerweile fast nackt und die DJane hat beschloßen, den 2040er Pop mit melodramatischem 1990er Grunge zu ersetzen.

"Schon verstanden", grummelt Seungmin. "Geh und paare deine Ameisen."

"Okay", stimmt Minho zu, bewegt sich aber nicht vom Fleck.

"Was?", drängt Seungmin.

Minho leckt sich über die Lippen. Hier drinnen ist es düster und schmuddelig, aber aus unerfindlichen Gründen wirkt Minho dennoch erhaben. Plötzlich tritt er einen Schritt vor, vergräbt seine Hand in Seungmins Nacken und drückt ihm einen hauchzarten Kuss auf die Wange. "Tu mir den Gefallen und überlebe das hier", flüstert er Seungmin zu. "Das Leben macht keinen Spaß, wenn du mir nicht hinterher jagst."

Seungmin will antworten, aber bevor er den Mund aufkriegt, verschwindet Minho im Nichts und hinterlässt nichts, als ein leichtes Wärmegefühl in Seungmins Herzen und den dringlichen Wunsch etwas kaputtzuschlagen in seinen Fäusten.

Eigentlich ist also alles wie immer. Seungmin muss ab sofort bloß die Welt retten. Wird schon schief gehen.

ENDE
© August 2022 -  KOOKUCK

Dieser OneShot basiert auf meiner Novelle "Schwein Gehabt!", in der es keine Hovercrafts und sprudelnde lila Getränke gibt und Seungmin nicht die Welt, sondern bloß ein Dorf retten muss. Minho ist jedoch in beiden Geschichten eine kleine Nervensäge :D

Danke fürs Lesen!

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