Kapitel 8
Um halb 7 klingelte mein Wecker und ich war froh, dass die Nacht endlich vorbei war. Es hatte lange gedauert, bis ich eingeschlafen war, was wohl daran lag, dass ich meine Familie und Roy so fürchterlich vermisste. Wahrscheinlich hatte ich erst ein paar Stunden geschlafen, als ich wegen einer starken Übelkeit im Magen aufwachte. Ich war nachdem zwar wieder eingenickt, hatte aber ziemlich unruhig geschlafen.
Langsam schob ich das weiße Laken zur Seite und setzte mich aufrecht hin. Ich gähnte herzhaft und streckte meine müden Glieder. Entschlossen stand ich auf, bevor ich noch in Versuchung kam mich nochmal hinzulegen und schleppte mich in das angrenzende Bad. Ich war wohl etwas zu schnell, denn mir wurde plötzlich schwarz vor den Augen und die Welt schien einen Rückwärts Salto zu machen. Schnell griff ich nach dem hölzernen Bettgestell und hielt mich daran fest. Ich wartete, bis meine Sicht sich wieder geklärt hatte und setzte mühsam meinen Gang fort. Mein Magen rebellierte und die Übelkeit überkam mich erneut. Ein bitterer Beigeschmack lag auf meiner Zunge und verursachte fast einen Würgereiz. Am liebsten wäre ich wieder zurück ins Bett gekrochen, aber das kam nicht mal ansatzweise in Frage.
Nachdem ich angezogen war und mir die Zähne geputzt hatte, das immer wieder von ständigem Würgen unterbrochen worden war, schlenderte ich zurück in mein Zimmer und sorgfältig nahm ich die feine, silberne Kette, die auf meinem Nachtisch lag und legte sie mir um.
Seufzend griff ich nach dem kleinen Herz und musste unwillkürlich an Roy denken. Schnell verdrängte ich den stechenden Gedanken und zog meine grauen Flipflops an um mich dann auf dem Weg zur Tür zu machen.
Ich eilte in die Küche und just bevor ich diese betrat, kam mir der intensive, bittere Kaffeegeruch entgegen. Mein Magen krampfte zusammen und drohte mir noch die letzten Reste des Abendessen hochzuschicken. Angeekelt verzog ich das Gesicht und versuchte mich auf meine Atmung zu kontrollieren. Tief ein und ausatmen.
Nachdem ich mich mehr oder weniger beruhigt hatte, trat ich in die Küche und musste mich zwingen, mir nicht die Hand auf die Nase zu drücken. Ich fand Alejandra und Julia, die schon eilig das Frühstück zubereiteten. Mir fiel auf, dass Julia ihre schulterlangen, roten Haare ihr offen über den zarten Rücken fielen. Normalerweise trug sie eine Hochsteckfrisur. Ich rang mir ein Lächeln ab und grüßte sie, bevor ich mich zu ihnen gesellte und einige Tassen aus dem hellbraunen Schrank nahm. „Wie viele Gäste sind heute da?“
„Hmm", überlegte Julia laut, „ da ist eine Familie mit 2 Teenagern, eine Gruppe von 5 Männern und eine weitere Gruppe, wahrscheinlich Freunde, die zusammen Urlaub machen. Die sind zu neun, glaube ich."
Ich zählte schnell zusammen. „Insgesamt also 18 Tassen, die ich rausbringen muss."
„Stimmt", bestätigte Ale, ohne von den Brötchen aufzusehen, die sie in ein paar, blumenverzierten Schüsseln verteilte.
Ich griff nach einem großen Tablett und stellte Tassen, Geschirr und ein Stapel Teller drauf. Vorsichtig machte ich mich auf dem Weg nach draußen und achtete darauf, dass keines der Dinge auf den Boden landete. Draußen stellte ich alles auf einen Plastik Tisch auf der Vorderseite des Hotels und blickte in den bunten Garten, der sich vor mir erstreckte. Man hatte eine wirklich schöne Aussicht von hier.
Schnell eilte ich wieder rein und half den beiden Mädchen, alles rechtzeitig rauszubringen. Pünktlich um 7 Uhr war der Tisch fertig gedeckt und ich setzte mich seufzend an einem der kleinen Tische, da meine Übelkeit einfach immer noch nicht verschwinden wollte. Ich fühlte mich elend, aber andererseits auch glücklich, da es das Wachsen eines kleinen Wesens in mir, bestätigte. Sanft legte ich meine Hand auf den Bauch und lächelte leicht. In ungefähr 7 Monaten würde ich das schönste und bezaubernste Kind auf der ganzen Welt im Arm halten.
Schritte und lautes Gelächter holten mich aus meinen Träumereien. Verwirrt blickte ich auf und sah, dass eine Gruppe Jugendlicher auf die aufgereihten Tische zusteuerten. Ich zählte sechs Mädchen und drei Jungs, die sich lautstark über irgend, was weiß ich, unterhielten. Neugierig beobachtete ich sie. Zwei der Mädchen waren blond und drei hatten unterschiedlich dunkel braunes Haar. Nur eine hatte rabenschwarze Locken und fast genau so dunkel getuschte Lippen. Ein schwarzer Nasenring zierte ihr Gesicht. Obzwar alle ziemlich cool und herausgeputzt aussahen, stach diese doch eindeutig heraus. Ihr weites, weißes Oberteil gab einen großzügigen Blick auf ihre nackten Schultern frei und die kurzen Jeans konnte man kaum noch als Hose bezeichnen.
Zwei der Jungs waren blond und der eine hatte dunkelbraunes Haar und eine tief gebräunte Haut.
Sie setzten sich an einem Tisch, der an der Außenseite stand und nur ein kleines Stückchen von mir entfernt war, doch sie schienen mich nicht zu beachten. Das war mir gerade recht so. Leise stand ich auf und wollte mich zurück in die Küche begeben, als Julia sich auf den Plastikstuhl neben mir plumpste.
„Da ist wohl jemand gut drauf", meinte sie und zeigte mit dem Kinn in Richtung der lachenden Jugendlichen. Offenbar fanden die Mädchen ihre männlichen Genossen ziemlich witzig, denn sie kicherten ununterbrochen. Ich verdrehte die Augen, da es offensichtlich war, dass die Meisten über jeden blöden Witz lachten, den sie von sich gaben.
Mittlerweile hatten sich die übrigen Gäste auch schon einen Tisch ausgesucht und irgendwann kamen auch für Ersten, um sich mit der großen Auswahl an Früchten und Gebäckstücke zu bedienen. Ich sah, dass auch die Jugendgruppe sich näherte und stand geschwind auf, um mich möglichst unauffällig zu verziehen, da ich nicht besonders scharf auf die Nähe der "Coolen" war. Auch Julia errichtete sich, doch bevor wir uns umdrehen konnten, stand der Typ mit dem dunklen Haarschopf auch schon neben meiner Kollegin und zwinkerte ihr zu. „Na, Süsse, wie wär's wenn du mit uns kommen würdest, um mir die Zeit zu verschönern?" Dreckig grinste er sie an und ließ seinen lüsternen Blick über ihren Körper wandern.
Ich kannte Julia zwar noch nicht lange, aber ich wusste, dass sie es nicht mochte, so billig angemacht zu werden. Sie zog eine Augenbraue hoch und kreuzte ihre Arme vor der Brust.
„Ich verzichte". Mit einem dein-Ernst Blick bedachte sie ihren Gesprächspartners.
Der Typ gab ein arrogantes Lachen von sich und wandte sich an seinen Kumpel. „War ja klar. Der rote Fuchs hier ist eh unter unserem Niveau. Ich meine, guck sie dir mal an! Eigentlich gibts da nichts Sehenswertes." Er schüttelte den Kopf und blickte Julia angewidert an.
Laut kreischten die Mädchen auf und warfen ihr verächtliche Blicke zu. Eine der Brünetten hakte sich bei ihrem ach-so-tollen-Freund unter und legte ihren Kopf auf seine Schulter ab, während sie immer noch laut lachte und ihm leicht auf die Brust klopfte.
Julias Augen blitzten auf und wütend giftete sie ihn an: „Weißt du, du bist nicht der erste Trottel, der sich über mein Haar lustig macht, aber wohl der Erste, der selber scheiße aussieht. Zweitens, macht es mir leider gar nichts aus und drittens", sie machte einen Schritt auf ihn zu, „muss ich keine blöden Witze reißen, um mich besonders zu fühlen." Sie trat wieder zurück und fügte noch hinzu: „Und jetzt verzieh dich!"
Plötzlich prustete die Schwarzhaarige los, hielt sich die Hand vor dem Mund und krümmte sich vor Lachen, während der Rest der Clique Julia fassungslos anstarrte. Seinem Gesichtsausdruck nach, wäre der Dunkelhäutige ihr am liebsten an die Gurgel gesprungen.
Als das Mädchen sich etwas beruhigt hatte, sah sie Julia grinsend an und kicherte:„Alter, der war gut!" Sie wandte sich an ihren Freund, der immer noch verärgert dreinblickte. „Bist es nicht gewohnt, dass dir mal jemand Kontra gibt, was? Nicht alle halten große Stücke von dir, Leo."
Sein Kopf schnellte in ihre Richtung und er hob drohend seinen Zeigefinger. „Klappe, Zoe!", zischte er. „Du solltest aufpassen, wie du mit mir sprichst!." Hastig drehte er sich auf dem Absatz um und eilte energisch auf den gedeckten Tisch zu. Alle folgten ihm wortlos, nur Zoe drehte sich noch einmal um, zwinkerte meiner Kollegin zu und flüsterte: „Du gefällst mir."
Julia und ich sahen uns an und konnten uns ein Lachen nicht verkneifen. Das war für ihn wohl gewaltig nach hinten losgegangen.
Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Weg in die Küche, um auch noch ein paar Gebäckstücke zu ergattern. Am liebsten etwas Süßes. Hoffentlich würde ich noch Schokoplätzchen finden, falls Ale noch nicht alle aufgefuttert hatte. So eins oder zwei. Oder auch fünf.
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