Kapitel 6
Mühsam öffnete ich meine schweren Augenlider, als mein Wecker laut klingelte und blinzelte ein paar Mal. Langsam nahm ich mein Handy und warf einen Blick auf die Uhrzeit, die auf den grellen Display angezeigt wurde. Es war fast 6:00 Uhr. Missmutig warf ich die dünne, blaue Bettdecke zurück und schwerfällig richtete ich mich auf. Ich faltete meine Hände, stützte meine Ellbogen auf die Kniee ab, so dass ich vorn über gebeugt saß und starrte auf den hellen Fußboden vor mir. Dass Geschehene von gestern beanspruchte immer noch mein ganzes Denken. Mit dieser schrecklichen Nachricht war ich eingeschlafen und mit diesem Wissen wieder aufgewacht. Knapp, dass mein Gehirn funktionstüchtig war, drehte alles sich einzig und allein um Leah und ihren Verrat. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als, dass es einfach ein shlechter Scherz gewesen wär, aber so war es nun mal nicht.
Immer noch müde, stand ich auf und merkte, dass ich mir gestern Abend gar nicht mal die Mühe gemacht hatte, meine Sachen auszuziehen, die jetzt ziemlich zerknittert aussahen, aber das war mir sowas von egal.
Schlecht gelaunt schlurfte ich ins Bad und als ich in den Spiegel sah, erschrak ich: tiefe, dunkle Ringe hatten sich unter meinen geschwollenen Augen gebildet. Es sah so aus, als hätte ich seit ein paar Tagen schon nicht mehr geschlafen, obwohl ich mindestens drei oder vier Stunden Schlaf hatte.
Ich griff nach meiner grün gestreiften Zahnbürste und putzte mir die Zähne, bevor ich mich etwas unsicher in die Küche begab, wo meine Mutter schon eilig mit ihren Utensilien klapperte. Leise und mit einem flauen Gefühl in der Magengegend setzte ich mich auf meinen Platz am Tisch und starrte auf die braune Tischplatte vor mir. In Gedanken sah ich den Umschlag da liegen, wo ich ihn gestern hingelegt hatte, nachdem ich ihn geöffnet und den Brief rausgezogen hatte.
„Hey, guten Morgen, Roy. Ich hab dich gar nicht kommen hören". Die helle Stimme meiner Mutter holte mich aus meinen Gedanken. Ohne aufzublicken antwortete ich mit einem "Guten Morgen, Ma", und starrte weiterhin auf den Tisch. Sie merkte wohl, dass ich heute nicht sehr gesprächig war und erleichtert atmete ich auf, als sie schweigend ihre Arbeit fortsetzte.
Plötzlich knarrte die Küchentür und das mulmige Gefühl verstärkte sich, denn ich wusste nicht genau, wie ich mich meinem Pah gegenüber verhalten sollte. Es war klar, dass Mam ihm alles erzählt hatte, denn sie verheimlichte nie etwas vor ihm.
Er setzte sich an den Tisch, schnappte sich sein Handy aus seiner Hosentasche und sah mich an, freundlich wie immer und wünschte mir einen guten Morgen.
Gleich darauf tippte er mit seinem dicken Zeigefinger auf das Display seines, nicht sehr modernen Handy's, rum und ich war froh, dass er mit keiner Silbe erwähnte, was Mam ihm vermutlich alles berichtet hatte. Das war das Letzte, worüber ich sprechen wollte!
„Wie kauft man doch mal diese MiniBikes? Hab's schon wieder vergessen". Ich blickte zu meinem Vater und mußte schmunzeln. Ja, das war mein Pah. So gut wie jeden Morgen würde er mir diese Frage stellen, genauso oft würde ich's ihm erklären und jedes Mal vergass er es wieder. Lag wohl daran, dass er seit erst ein paar Monaten ein Smartphone hatte und er mit der neuen Technologie nicht sehr viel anfangen konnte.
„MegaBytes, dad", antwortete ich, während ich aufstand und mich zu seinem Platz begab um das Ganze mit ihm zum tausendsten Mal durchzugehen.
„MiniBikes, MegaBikes, ist doch alles dasselbe", brummte er vor sich hin und hielt mir das Handy entgegen.
Währenddessen hatte meine Mutter die Omelettes schon auf den Tisch gestellt und sich auf ihren gewöhnlichen Platz gesetzt. Nachdem auch ich wieder saß, dankte mein Pah den himmlischen Vater, laut und deutlich für das Essen und wir widmeten uns unseren Tellern. Ich hatte absolut keinen Hunger und stocherte unbeholfen mit meiner Gabel in Mom's sorgfältig gemachten Omelet herum.
Nach dem Frühstück stand ich auf und bedankte mich bei meiner Mutter für das Essen, obwohl ich keinen Bissen zu mir genommen hatte und machte mich auf den Weg nach draußen. Hastig schnappte ich mir meine Mütze vom Haken, der an der Wand neben der Tür angebracht war, und folgte meinem Pah auf den Hof.
Ich setzte mich auf den Fahrersitz unseres großen, grauen Pickup's und als mein Vater an der anderen Seite eingestiegen war, startete ich den Motor. Sofort schaltete ich in den ersten Gang und fuhr los.
Es dauerte nicht lange, bis wir an unserem Feld ankamen, auf dem der geliehene, rote Traktor stand und darauf zu warten schien, sein Werk beenden zu können, nämlich, den Rest des Feldes noch einzupflanzen. Es war zwar kein sehr großes Stück Land, aber es reichte aus, um uns zu versorgen. Und hin und wieder konnten wir uns sogar den einen und den anderen Luxus göhnen.
Ich stieg aus und eilte auf den Traktor zu, warf einen Blick auf seinen breiten Anhänger und stieg die Treppe hoch, bevor ich die Tür aufschloss. Kräftig zog ich daran und trat ein, um mich auf dem harten Sitz niederzulassen.
Langsam fuhr ich los und hoffte, dass diese Arbeit mich wenigstens ein bisschen von meinem gebrochenen Herzen ablenken würde. Aber genau das Gegenteil passierte, denn ich hatte jetzt Unmengen an Zeit, da ich nur danach sehen musste, dass der Autopilot des GPS's auch richtig eingestellt war und an den Enden des Feldes musste ich lediglich das Wenden übernehmen.
Meine Gedanken kreisten also eingehend um Leah und ich fragte mich, wo sie jetzt wohl war. Dachte sie vielleicht auch noch an mich, oder war ich ihr völlig egal? Tief im Herzen wusste ich, dass das nicht stimmte, aber ich war viel zu verletzt, um in Erwägung ziehen zu wollen, dass vielleicht ein wirklicher Grund ihren Abschied verursacht hatte.
Sie hatte mir so oft ihre Liebe gezeigt, indem sie mit mir Zeit verbrachte und immer für mich da war, wenn ich sie brauchte, aber trotzdem zweifelte ich plötzlich an ihren Gefühlen. Vielleicht hätte sie die nur vorgetäuscht?
Seit ein paar Stunden schon holperte ich über den ungleichen Erdboden und mein Rücken schmerzte mittlerweile. Auch der fehlende Schlafmangel machte sich langsam bemerkbar und ich gähnte herzhaft. Lustlos griff ich zum music player, der im Traktor angebracht war, um auf andere Gedanken zu kommen und schaltete ihn ein. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als das erste Lied, die spanische Version von Perfect, zu spielen begann.
"Creo en tu amor por mi.
“(I found a love for me)
Solo atrévete y sígueme hasta el fin.
(Darling just dive right in, follow my lead)
Y ya te encontré, tan dulce tú te ves.
(Well I found a girl, beautiful and sweet)
Yo nunca pensé que fueras tú, lo que siempre esperé..."
(I never knew you were the someone waiting for me...)"
Ich stöhnte auf. Seit ich dieses Lied zum ersten Mal gehört hatte, war es zu einem meiner Lieblingslieder geworden. Leah war genau so versessen nach dem Song und sang immer laut mit, wenn sie ihn hörte. Generell sang sie jedes Lied mit, das sie kannte und manchmal staunte ich darüber, wie viele Texte sie in ihrem Kopf gespeichert hatte.
Schnell schaltete ich den Player wieder aus und versuchte mich auf die Landschaft zu konzentrieren. Ich bückte mich leicht nach vorne und schaute in den blauen Himmel. Ein paar graue Wolken versammelten sich und leicht besorgt kratzte ich mir das Kinn. In dieser Sommerzeit kamen Regengüsse ziemlich plötzlich und brachten nicht selten ein großes Ungewitter mit. Ich versuchte ungefähr abzuschätzen, wie lange es noch dauern würde, bis ich mit der Arbeit fertig wäre und hoffte, dass es noch vor dem Einsetzen des Regens wäre.
Zwar liebte ich es, wenn es regnete, aber wenn's jetzt matschig werden würde, müssten wir mit dem Einpflanzen warten und das war nicht so gut.
Ich erinnerte mich, dass es vor fast einer Woche auch heftig geregnet hatte und musste unwillkürlich schmunzeln, als ich daran dachte, wie Leah hinaus gestürzt war und genüsslich die kalten Tropfen auf sich fallen gelassen hatte. Sie ließ keine solcher Gelegenheiten ungenutzt vorbei streichen und ich war jedes Mal überwältigt von ihrer Liebe zur Natur.
Während ich unter der Veranda ihres Hauses gestanden und ihr lächelnd zugesehen hatte, hatte sie sich lachend im Kreis gedreht, nach oben geguckt und ihre Hände ausgestreckt. Irgendwann hatte sie mich an der Hand gepackt und mit in den kalten Regen gezerrt.
Meine Brust zog sich schmerzlich zusammen und mein Magen verschnürte sich. Das alles war vor ein paar Tagen gewesen, als noch alles perfekt gewesen war.
Klar hatten auch wir unsere Differenzen immer mal gehabt, aber wir gehörten zusammen und fanden meistens einen Weg, um uns zu einigen, anstatt dumme Streitereien zu führen, die uns nirgendwo hin brachten.
Doch alles war so schön gewesen. Jedes Mal, wenn ich zu ihr kam, begrüßte sie mich mit einer festen Umarmung und einem Kuss, der mir den Verstand raubte. Wir teilten Glück und Trauer, immer waren wir füreinander da, doch diese Zeit schien nun endgültig vorbei zu sein. Einfach von heute auf morgen hatte sich alles so drastisch verändert. Ein Traum, unser Traum für die Zukunft, hatte sich in einem Alptraum verwandelt.
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