Kapitel 21


Nachdem Mr. Wilson endlich gegangen war, hörte Mike auf, jedes kleine, uninteressante Detail des Fußballspiels groß und breit zu erklären, an dem er am vorigen Tag teilgenommen hatte. Mein Kumpel hatte ununterbrochen gequatscht, lediglich um den netten Herrn nicht zu Wort kommen zu lassen. Es hatte geklappt und auch wenn das ein bisschen komisch und kindisch war, freute ich mich.
Mike verdrehte die Augen und sah mich gelangweilt an. „Du glaubst nicht, wie viel Mühe es mir gekostet hat, dich bei Laune zu halten. Das Essen geht heute auf dein Konto."
Ich schmunzelte. „Mir soll es recht sein."
„Ach, ehrlich? Keine Widerrede?" Mike sah mich stirnrunzelnd an, was mich schmunzeln ließ.
„Nein", sagte ich, „außer du willst gar nicht, dass ich dir dein Essen bezahle."
Ein warnender Ausdruck machte sich auf seinem Gesicht breit. „Ne, Alter, belassen wir's dabei."
Eine junge, schlanke Kellnerin kam mit zwei Teller Essen an, die sie elegant auf unseren Tisch schwang. Mike hatte seine Augen auf sie, anstatt auf unser Essen gerichtet und blickte ertappt zur Seite, als er meinen amüsierten Blick fing. Leicht schmunzelte ich und zog eine Augenbraue hoch. Er warf mir einen Killer-Blick zu und fragte sie anschließend höflich nach Mayonnaise und Ketchup. Bald darauf kam das junge Mädchen mit den gewünschten Sachen und ein paar Plastiktassen zurück und mir entging nicht, wie ihre Finger die von Mike leicht streiften, als sie ihm die Tassen überreichte. Ihre blauen Augen blieben eine Sekunde zu lang an ihm hängen, bevor sie uns einen guten Appetit wünschte und davoneilte.
„Was war das denn?", wollte ich wissen.
Er stopfte sich ein großes Stück Fleisch in den Mund und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung was du meinst, Mann."
„Also, wenn du mich fragst..."
„Ich habe dich aber nicht gefragt!", unterbrach er mich harsch.
„Aber wenn du das würdest", fuhr ich unbeirrt fort, „dann würde ich sagen, du stehst auf sie." Ein schelmisches Grinsen zierte meine Lippen. Ich schaufelte mir eine Gabel Reis in den Mund und schnitt das Steak in kleine Stücke.
„So ein Blödsinn. Laber keinen Mist!" Eine leichte Röte zog sich über seine Wangen.
Ich lachte auf. „Die Tassen musstest du ihr unbedingt aus der Hand reißen. Sie hätte sie auf den Tisch stellen können, wie jeder Andere es auch getan hätte."
„Das war ihre Idee, Roy. Nicht meine!" Seine Stimme nahm rasch an Lautstärke zu.
Ich versuchte nicht mal meine Belustigung zu verstecken. „Ach! Dann besteht das Interesse wohl auf beiden Seiten, was?"
Warnend funkelten seine dunklen Augen mich an. „Falls du nicht willst, dass ich mir noch ein prächtiges Desert bestelle, dann hälst du jetzt lieber die Klappe!" Er zeigte mit seiner Gabel auf mich. „Erzähl du mir lieber von der Idee, die du hattest, bevor Mr. Wilson uns unterbrach."
Stimmt. Das war momentan viel wichtiger, als den armen Mike zu quälen. „Ich habe zwar eine Idee, aber die wird dir nicht gefallen."
Jetzt hatte ich seine ganze Aufmerksamkeit. „Was hast du vor?" Skeptisch musterte er mich.
„Du klapperst die Straße nach Edessa ab, ich die anderen zwei."
Schweigend sah er mich an und kaute energisch auf einem Stück Kartoffel. Allem Anschein gefiel ihm das wirklich nicht.
Nachdem er ohne ein weiteres Wort seinen Teller geleert hatte, wandte er sich wieder mir zu. Auf meinem Teller lagen noch ein paar Kleinigkeiten, die ich unschlüssig hin und her schob, unruhig darüber, dass Mike mir wohl gleich eine Absage erteilen würde.
„Und was, wenn Leah davon erfährt? Sie würde mich umbringen."
„Mein lieber Kumpel", sagte ich mit einem gespielt traurigen Lächeln, „das wäre es mir wert, wenn ich sie dann zurück bekäme. Natürlich würde ich dich sehr vermissen, aber...".
Ein leiser Pfiff unterbrach mich und ich sah, wie Mike die junge Kellnerin herbei winkte.
„Was kann ich für Sie tun, Sir?" Sie verzog ihre Lippen zu einem koketten Lächeln.
„Ich würde gerne ein Desert bestellen", sagte Mike und mir rutschte das Portemonnaie in die Hose.
„Gern doch. Was hätten Sie denn gerne?" Sie griff nach dem Kugelschreiber der hinter ihr Ohr steckte und holte ein kleines Büchlein aus der Tasche ihrer Schürze hervor.
Ich wappnete mich für das was kommen würde und fuhr mir missmutig mit der Hand durch das Haar.
„Überraschen Sie mich, Ma'am. Jedenfalls soll es etwas sein, wofür es sich wirklich lohnt, eine Menge Geld auszugeben." Der gemeine Schuft besaß noch die Frechheit, mir zuzuzwinkern. Innerlich schwor ich ihm Rache. Das würde ich nicht einfach so hinnehmen. Der sollte sich besser auf was gefasst machen!
Etwas verwirrt schaute die Kellnerin Mike an, aber nickte zögernd. „Natürlich, Sir. Äh, ich sehe mal, was ich Ihnen bringen kann." Sie drehte sich um und schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Du mieser, kleiner Hund!" Meine Augen schossen Giftpfeile auf Mike ab.
„Mein lieber Kumpel", sagte er, „du hättest wirklich einfach deine Klappe halten sollen." Ein übertrieben großes Lächeln schmückte sein Gesicht.
Okay. Vielleicht hatte ich das in gewisser Hinsicht hin verdient, aber er hatte ein bisschen zu dick aufgetragen. Und ich würde auf meine Chance warten, ihm das heimzuzahlen. Aber das musste er ja nicht unbedingt erfahren. Noch nicht.
„Also gut. Ich hab's verdient." Ich lehnte mich zurück und richtete meinen Blick durch das Fenster auf den Fernseher, der oben an der Wand angebracht war. Ein Fußballspiel wurde angezeigt. Gut, dass Mike mit dem Rücken zum Fernseher saß. Ich würde ihn ganz bestimmt nicht daran erinnern, dass sein Lieblingssport gerade lief.
Nach gefühlt 15 Minuten kam die Kellnerin wieder zurück und balancierte ein kleines, silbernes Tablett auf ihren Händen. Eine niedliche, weiße Porzellanschüssel, gefüllt mit drei verschiedenen Eiskugeln stand in der Mitte. Schokolade, Cappuccino und Erdbeere. Ein paar Oreo Plätzchen waren sorgfältig oben drauf platziert worden. Und zu guter Letzt noch zwei Flaschen mit flüssigem Schokoladen- und Karamellsyrup. Oh je! Das sah teuer aus. Mein Magen machte ein paar Purzelbäume und ich konnte nicht länger hinsehen.
„Wow. Das sieht aber himmlisch aus. Vielen Dank Miss...?"
„Clarke. Stephanie Clarke. Aber nennen Sie mich einfach Stephie." Das kokette Grinsen von vorhin kam wieder zum Vorschein. Sollte sie doch ruhig grinsen und Mike um den Finger wickeln! Ein bisschen eifersüchtig und wütend war ich schon, denn eigentlich waren wir hier, um über Leah zu reden und nicht damit irgend eine Sophie oder wie auch immer sie hieß mit meinem besten Kumpel flirtete. Na gut, das mit dem besten Kumpel musste ich mir wohl nochmal überlegen.
„Also gut, Stephie. Könntest du mir bitte die Rechnung bringen?" Keine Ahnung wo Mike plötzlich so viel Mut her nahm und sie so offen anlächelte. Das nervte!
„Kommt sofort", flötete sie und schon war sie weg.
„So. Kommen wir wieder zum Punkt", sagte Mike und grinste mich an. Das sollte er besser lassen. Er fraß mir die Haare vom Kopf und benahm sich ziemlich dumm und das könnte gefährlich werden, wenn er so weiter machte. „Wegen deiner Idee. Ich habe darüber nachgedacht, während wir auf mein köstliches Desert gewartet haben und letztendlich habe mich entschlossen." Er zwinkerte mir zu und schob sich einen Löffel Erdbeereis in den Mund, der in Schokoladensyrup getränkt war.
„Und? Machst du das oder nicht?", fragte ich genervt.
„Yeap." Das war alles was er sagte und aß ruhig weiter, während er immer wieder Laute von sich gab, die wohl verdeutlichen sollten,wie toll das komische Eis doch war. Absolut lächerlich!
Skeptisch sah ich ihn an. „Yeap?", wiederholte ich.
„Yeap", bestätigte er.
„Wo ist der Haken?", wollte ich wissen.
„Sehr schlaues Bürschchen. Kein Haken, aber eine Bedingung." Ein schelmisches Lächeln umspielte seinen Mund.
Aha. Also wieder etwas, wovon er zu profitieren suchte. „Glaub nicht, dass ich dir das Ticket für die Reise bezahle. Das hätte ich getan, aber da du mir so tief in die Tasche gegriffen hast, kannst du das vergessen!" Ich versuchte meinen Unmut etwas zu bändigen, was mir aber mehr schlecht als recht gelang.
Mike lachte laut auf. „Nein, das brauchst du auch nicht." Er senkte seine Stimme um einiges und beugte sich leicht über den Tisch. „Aber Stephie kommt gleich zurück. Und du wirst jetzt schön das Geld rausrücken, es mir in die Hand drücken und ich werde bezahlen. Kapiert?"
Ach, daher wehte der Wind! Er wollte einen auf reich machen! Na, wenn das alles war, um mir seine Hilfe zu kaufen, dann mal los. Ich griff in meine Hosentasche und holte den ledernen Geldbeutel hervor, den Leah mir mal zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich war gerade dabei ein paar Scheine rauszuziehen, als Mike mich zurück hielt. „Nein Mann, gib das alles her."
Etwas verwirrt runzelte ich die Stirn, aber okay, wenn er es so wollte. Diesmal musste ich seiner Nase nach tanzen, aber das würde sich noch ändern.
Eilige Schritte waren zu hören und ich schob Mike das Geld zu. Er steckte es sich in Windeseile in die Tasche und legte den silbernen Löffel in die Schüssel.
„Bitte sehr." Stephie reichte ihm ein handbeschriebenes Papier. Ich versuchte einen Blick auf die Gesamtzahl zu erhaschen und fiel fast vom Stuhl, als ich die Nummern sah. 180 Bolivianos! Das wären dann 80 nur für das Eis. Meine Güte, das war unverschämt! Leichte Wut stieg in mir auf und der Satz "Mike, du wirst es bereuen" spielte sich in Dauerschleife in meinem Kopf ab.
Gelassen zog er den Geldbeutel wieder aus seiner Tasche und nahm zwei 100 Bolivianos Scheine raus. Mit zwei Fingern hielt er ihr den Betrag hin. „Behalt den Rest", sagte er zu dem Mädchen und zwinkerte ihr sogar zu. Dieser miese Schuft!
„Mike, du weißt schon, dass das mein Geldbeutel ist, oder?", mischte ich mich ein, bevor Stephie sich bedanken konnte.
Irritiert sah sie zwischen uns Beiden hin und her und Mike hustete plötzlich los. Wahrscheinlich um den Schwall Schimpfwörter zu ersticken, den er leise von sich gab.
„Danke", sagte die Kellnerin zögernd, „ich geh dann mal." Langsam drehte sie sich um und schritt ins Innere zurück.
Mike funkelte mich wütend an, aber er sagte nichts. Das entlockte mir ein breites Grinsen, das in ein unkontrolliertes Kichern überging. „Versprochen ist versprochen!", erinnerte ich ihn nochmal, nur zu dem Fall, dass er sich auf einmal aus der Verabredung rausreden wollte.

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