Kapitel 13


Fragend sah sie zu Mike. „Reden? Worüber denn?" Sie legte ihre Stirn in Falten und mir fiel die Ähnlichkeit auf, die Leah mit ihr hatte, wenn sie ihre Stirn runzelte. Ein kleines, trauriges Lächeln umspielte meine Lippen.
Mike's Stimme holte mich aus meinen Gedanken. „Über Leah."
Mrs. Anderson versteifte sich augenblicklich und warf mir einen kalten Blick zu. „Ich wüsste nicht, was es da zu reden gäbe." Ihre sonst so zarte Stimme klang rau und distanziert.
„Mam, bitte. Roy weiß bereits, dass, äh, naja, dass Leah ein Kind erwartet."
Ihr Kopf schoss in seine Richtung und ihre Augen blitzten gefährlich. Seufzend setzte er sich auf das gegenüber liegende Sofa und schaute sie eindringlich an.
Seine Mutter jedoch wandte ihren Blick ab und begutachtete ihre Nägel. Und schwieg.
Mike warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, doch wenn er sie nicht zum Reden bringen konnte, wie sollte ich es dann? Ratlos zuckte ich mit den Schultern, bevor ich mich ihm langsam näherte und mich zögernd neben Mike, in einem gewissen angebrachten Abstand, niederließ.
„Weißt du zufällig, wo sie ist?" Mike wagte einen neuen Versuch.
„Ich sehe keinen Grund, diese Frage zu beantworten." Sie lächelte bitter, als sie endlich den Blick hob und ihn ansah.
Mike verdrehte die Augen. „Es gibt allerdings einen sehr guten Grund, es uns zu sagen. Roy verdient es zu wissen, Ma."
Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, schaute nervös zwischen uns beiden hin und her, bevor sie ihren Blick aus dem großen Fenster richtete.
Ihr Gesicht hellte sich plötzlich auf. „Ach, wie schön. Guck mal, die ersten Regentropfen fallen." Sie lächelte verträumt, als ob das jetzt etwas Besonderes oder Seltenes wäre.
Ich musste mich beherrschen, nicht die Geduld zu verlieren, denn ich wollte, ich musste einfach die Wahrheit erfahren und zwar so schnell wie möglich, damit ich meine nächsten Schritte planen konnte. Und wie es schien, hatte Mrs. Anderson nicht vor, es mir ein bisschen einfacher zu machen. Was eigentlich auch verständlich war.
Ich fasste einen Entschluss. Tief atmete ich ein, bevor ich sie ins Gesicht sah und so selbstsicher, wie möglich zu klingen versuchte: „Ma'am, ich muss Leah finden. Sie ist nicht nur mein Mädchen, sondern auch die Mutter meines Kindes."
Ihr Kopf schnellte in meine Richtung und sie musterte mich mit zusammen gekniffenen Augen, aus denen die Blitze nur so schossen. „Und meine Tochter", fauchte sie. Ihre laute Stimme ließ mich zusammen zucken und ihre dunkle Augen bohrten sich in meine.
Frustriert wandte ich den Blick ab und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Das konnte so doch nicht weitergehen! Ich seufzte laut und stützte meinen Kopf in meine Hände.
Plötzlich spürte ich Mike's Hand auf meiner Schulter. Langsam hob ich den Kopf, zog eine Augenbraue nach oben und blickte auf seinen sonnengebräunten Arm. Er lächelte verlegen und nickte mir aufmunternd zu, während er mir einen Klaps auf der Schulter gab.
Ich kratzte all meinen Mut zusammen, um es noch einmal zu versuchen. Doch ich besaß nicht den Mut sie anzusehen, also richtete ich meinen Blick auf einen unbestimmten Punkt auf den Boden und gestand: „Ich weiß doch, dass ich das nie hätte tun sollen und ich bereue es aus tiefstem Herzen. Jeden Tag, jede Minute wünsche ich mir, dass ich es rückgängig machen könnte, aber was geschehen ist, ist geschehen. Es ist trotzdem meine Pflicht, meine Aufgabe und mein Wunsch, die Verantwortung für Leah und das Kind zu übernehmen und ich bitte Sie, nein, ich flehe Sie an, helfen Sie mir doch. Bitte!" Meine Stimme brach ab. Der Kloß, der sich in meinem Hals formte, machte es mir unmöglich, weiterzusprechen. Verzweifelt stützte ich meinen Kopf in die Hände.
Stille folgte und nur das Prasseln, des mittlerweile schon starken Regens, war zu hören. Schließlich zwang ich mich in ihre Augen zu sehen, die, wie ich überrascht feststellte, verdächtig glitzerten. Der Blick, den sie mir schenkte, war sanft, fast schon traurig.
„Liebst du sie?" Der schwache Versuch eines Lächelns erschien auf ihrem Gesicht, jedoch scheiterte dieses Vorhaben kläglich.
„Ja, ma'am, mehr als je zuvor", flüsterte ich ehrlich.
„Dann finde sie, Roy." Eine einzelne Träne lief ihr die Wange hinunter. „Ich weiß zwar nichts Genaues, aber sie wollte zu einer bestimmten Ms. Valeria, die das Hotel ihrer Großeltern vor einigen Jahren geerbt hat und seit ein paar Jahren es selbst leitet. Als Leah auf ihrer Abschlussreise war, haben die Beiden sich kennen gelernt. Sagt dir der Name "das grüne Paradies" etwas?"
Wow. Das hatte ich nicht erwartet, aber mein Herz füllte sich mit inniger Freude und Dankbarkeit. Ihre plötzliche Kooperation überraschte mich und am liebsten hätte ich die Hände in die Luft geworfen und laut gejubelt. Aber das musste noch etwas warten. Ich bemühte mich stark, einen seriösen Ausdruck zu behalten und sagte schnell, bevor sie es sich anders überlegen könnte: „Nein, eigentlich nicht. Aber wissen sie den Nachnamen dieser Valeria? Damit könnte ich vielleicht weiterkommen."
Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube, Gutierrez oder Gonzales, aber ich bin mir nicht sicher, tut mir leid."
„Haben sie eine Ahnung, wie weit weg dieses Hotel ungefähr liegt?"
Sie schüttelte ihren Kopf, wobei sich ein paar graue Strähnen aus den Haarnadeln lösten. „Nein, aber Mike hat sie zur Bus Station gebracht, also muss es etwas weiter entfernt sein." Nachdenklich sah sie auf einen unbestimmten Fleck vor sich.
Wie bitte? Mike hatte sie weggebracht? Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Das hatte er mit keiner Silbe erwähnt.
Abwehrend hob er die Hände. „Hey, sie wäre so oder so gegangen, also dachte ich, das es das Beste wäre, wenn ich sie zur Bus Station begleite."
„Das hättest du ruhig früher erwähnen können", brummte ich.
„Um ehrlich zu sein, ich hab gar nicht daran gedacht." Leicht verlegen zupfte er an seinem kurzen Hemd Ärmel.
„Mike, welchen Bus hat sie genommen?"
„Keine Ahnung, Mann. Einen weißen, aber das ist alles, was ich weiß."
Mir wurde schwer ums Herz. Es würde eine riesen Herausforderung sein, sie aufzuspüren, doch ich war mehr als bereit mich dieser Aufgabe zu stellen. Ich würde sie finden, sie nie wieder von mir gehen lassen und gemeinsam würden wir unser Kind großziehen. Und vielleicht noch ein paar mehr.
Der Regen hatte etwas nachgelassen und schwermütig stand ich auf. „Ich muss jetzt weg. Es gibt noch ein paar Dinge, die ich erledigen muss." Am liebsten hätte ich das Gesicht verzogen, bei dem Gedanken daran, dass mir ein ähnliches Gespräch mit meinen Eltern noch bevorstand.
Mike sah mich fragend an, während seine Mutter mir lächelnd und wissend zunickte.
„Danke, ma'am, dass Sie mir so geholfen haben." Ich reichte ihr zum Abschied die Hand.
„Pass auf meine kleine Tochter auf, Roy." Traurigkeit breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
„Sehr gerne." Ich schenkte ihr ein ehrliches Lächeln, bevor ich mich umdrehte und mich nach draußen begab, dicht gefolgt von Mike. Er machte die Haustür zu, während ich zum Motorrad eilte und mich draufsetzte. Der kalte Nieselregen drang durch mein dünnes, weißes Shirt und befeuchtete meine Haut.
„Wie, du hast noch was zu erledigen?" Mike stand in grauen Socken auf der Veranda und die Neugierde stand ihm ins Gesicht geschrieben.
„Ach, ist kein Kinderkram. Verstehst du eh nicht", neckte ich ihn augenrollend, bevor ich den Motor startete.
„Hey, ich bin nicht mal zwei Jahre jünger als du!", rief er mir noch zu, während ich die Maschine wendete und die Auffahrt runter brauste.

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