Das ständige Schweigen der Silberschwinge


„Guten Morgen", flüsterte mir jemand ins Ohr, „oder sollte ich eher guten Abend sagen?"

Ich stöhnte und wollte mich auf die andere Seite drehen, als ich das warme Etwas bemerkte, das neben mir lag. Verwirrt blinzelte ich und als mir schlagartig bewusst wurde, was das warme Etwas war, wurde ich sofort knallrot und hellwach.

Ich spürte, wie Damian meinen Körper mit seinem sanft umschlang. Mein Rücken schmiegte sich an seine starke Bauchmuskulatur. Er hatte einen Arm besitzergreifend um meine Taille gelegt und mein Kopf lag auf seinem Oberarm.

Ob er erst jetzt anfing, mich von meinem Nacken aus bis zu meinem Mund und den Augenlidern zu küssen oder ob er das schon eine ganze Weile getan hatte, wusste ich nicht. Ich konnte nur das Prickeln meiner Haut spüren und erneut stieg eine feuchte Hitze in mir auf.

„Na, bist du jetzt wach?" Spielerisch knabberte er an meinem Ohr herum und ich stieß die Worte beinahe wie ein Fluch aus als ich antwortete: „Ich bin ja schon wach!"

„Was denn? Stört es dich etwa?", fragte er lachend und knabberte mit Absicht weiter an meinen Ohr herum. Dabei zog er das Ohrläppchen für einen Moment sogar sanft in seinen Mund.

Ich sah mich gezwungen, so schnell wie möglich zu antworten, denn ich wusste nicht, wie lange ich noch unserer Sprache mächtig war, wenn er so weitermachte. „Ob es mich stört, dass du an mir schon wieder herum knabberst, als sei ich ein Hundeknochen?", meinte ich also schnippisch, in der Hoffnung er würde aufhören. Denn um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, ob ich den heutigen Tag überleben würde, wenn er das von gestern wiederholte.

„Ich würde dich niemals mit einem Knochen verwechseln, obwohl du vielleicht wirklich etwas mehr essen könntest", erwiderte Damian und schien nun nicht nur Gefallen an meinem Ohr, sondern auch an meinem Hals zu finden.

Ich krallte mich in das Bettlaken und fragte gespielt gekränkt: „Was soll denn das heißen?" Natürlich wusste ich jedoch, dass meine langzeitige Ernährung aus dem Billigsten vom Billigsten und dann minimal Nahrung unter maximaler Anstrengung im Trainingscamp nicht gerade gesundheitsförderlich gewesen war.

Er lachte und leckte nun sanft über meinen Hals. In Gedanken fing ich an, einige Stellen aus Jane Austen zu zitieren, in der Hoffnung, dass mein Körper sich so nicht mehr weiter erhitzen würde. Nur geradeso am Rande bekam ich mit, wie Damian fragte: „Das heißt, dass du so viel essen kannst, wie du willst. Was möchtest du eigentlich zum Frühstück?", während er mich spielerisch weiter neckte.

In meinem Gehirn ratterte ich hinunter: „Sie war vernünftig genug einzusehen, daß ein Mann von fünfunddreißig die Zeit der überschwenglichen Gefühle und ausschweifenden Amüsements wohl bereits hinter sich gelassen hatte."

Erst als er erneut seine Frage stellte, erkannte ich, was er gefragt hatte, trotzdem hakte ich leicht irritiert nach: „Zum Frühstück?"

„Ja, du isst doch immer vor einem Arbeitstag, oder etwa nicht?" Damians Stimme wurde misstrauisch. Anscheinend war das Frühstück für ihn so etwas wie die erste Bürgerpflicht oder besser Lehrlingspflicht.

Ich antwortete also rasch, bevor ein Missverständnis aufkam: „Schon, nur normalerweise bringt man mir ein ganz normales Frühstück in mein Zimmer." Das ganz normale Frühstück bekam soweit ich wusste jeder. Es wurde in der großen Küche zubereitet und jedem auf sein Zimmer geliefert.

Damian wirkte wieder entspannt und erklärte mit einem zufriedenen Grinsen: „Nur heute ist eine Ausnahme, du hast hier unten geschlafen."

„Ja, und? Ich kann doch einfach zu meinem Zimmer hoch laufen, oder?", fragte ich nach und wusste nicht, worauf Damian aus war.

„Hm...", meinte er und das Grinsen auf seinen Gesicht wurde raubtierhaft. „Wenn es dir nichts ausmacht, nur zu."

„Wieso sollte es mir etwas ausmachen?", fragte ich noch verwirrter nach und Damian konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Ich stand auf und bemerkte erst da mein Problem. Ich war nackt und im Raum war bis auf ein paar Fetzen, eine zum Glück heil gebliebenen Hose und zwei Socken kein Kleidungsstück von mir zu finden.

„Wie zum Teufel soll ich das erklären!?", brauste ich auf.

„Hängt in deinem Kleidungsschrank nicht noch Wechselkleidung? Du kannst dir doch gleich frische anziehen wenn du zum Frühstücken hochgehst", meinte Damian wieder mit diesem Grinsen.

„Na warte du Klamottenmörder!" Ich packte eins der weichen Kissen und warf es direkt auf Damian. Doch natürlich hatte ich dank seiner Vampirkräfte keine Chance. Er wich aus und ehe ich blinzeln konnte, war er hinter mir und hielt meine Arme im Polizeigriff hinter meinen Rücken fest.

„Was soll das!?", stieß ich hervor.

„Ich bin doch ein Klamottenmörder, da muss ich mich doch vergewissern, ob du wirklich keinen Fetzen Stoff mehr auf der Haut trägst."

„Das siehst du doch! Ich habe..." Doch weiter kam ich nicht denn Damian fing an meinen Rücken mit sanften Küssen zu bedecken. Dann wurde daraus etwas wie ein Lecken, als Suche er jede kleinste Hautstelle ab.

„Was soll das!?", stöhnte ich und versuchte ernst und verärgert zu klingen.

„Das hab ich dir doch gesagt", antwortete Damian genüsslich.

„Du bist unglaublich!", schimpfte ich diesmal – Gott sei Dank! – mit strenger Stimme, doch Damian meinte nur: „Dankeschön."

Er küsste nun wieder meinen Nacken. Sein Körper war ganz dicht an meinem. „Wir müssen aufhören. Wir müssen uns für die Nacht fertig machen", stieß ich hervor.

„Wie könnte ich dich jetzt einfach loslassen, nachdem du zum ersten Mal freiwillig hier heruntergekommen bist?"

„Damian! Bitte!" Wenn er so weitermachte, würde ich ihm nicht mehr widerstehen können und ich bezweifelte, dass wir heute Nacht dann noch irgendetwas erledigen würden.

Damian lachte und lockerte etwas den Griff. „Na gut, wenn du mir versprichst, dass du wieder hier unten schläfst."

„Damian, das kann ich dir nicht versprechen!", schimpfte ich mit einem Gesicht so rot wie eine Tomate.

„Nicht?" Er begann mich wieder zu küssen und ich wusste lange würde mein Gehirn nicht mehr funktionieren.

„Na gut! Ich werde hier unten schlafen. In Ordnung?! Bist du jetzt zufrieden? Wollen wir nun endlich was essen?"

Damian lachte. „Ist gut." Er küsste noch einmal sanft meine Wange, bevor er mich losließ.

„Also was möchtest du zu Essen haben?"

„Keine Ahnung... Vielleicht einen Kaffee?", fragte ich hoffnungsvoll. Den gab es normalerweise nicht.

„In Ordnung. Und was möchtest du essen?", wollte Damian weiterhin wissen.

„Keine Ahnung was isst du denn?", meinte ich unbedacht.

„Nun, normalerweise nehme ich keine menschliche Nahrung zu mir. Wir Vampire brauchen das nicht unbedingt, da wir uns eigentlich von Blut ernähren. Aber ich glaube ein Frühstück mit dir wäre ganz nett, besonders wenn du so gekleidet bist wie jetzt. Verträgst du etwas nicht oder magst du etwas nicht?"

Ich schüttelte den Kopf und Damian meinte lächelnd: „Dann besorge ich jetzt etwas für uns. Ich werde auch gleich Kleidung für dich mitnehmen. Du bleibst am besten hier in dem Zimmer. Es dürfen zwar nur die Wachen der Silberschwinge hier in meine Gemächer und das auch nur im Notfall, allerdings wird auf jeden Fall einer von ihnen den Gang betreten, wenn ich das Essen bestellt habe. In Ordnung?"

Ich nickte und setzte mich brav auf das Bett, während Damian rasch aus der Tür verschwand. Ihm schien es nichts auszumachen, wenn er von der Garde nackt gesehen wurde, aber es war ja auch seine Leibgarde, vielleicht war das etwas anderes.

Ich würde gerne behaupten, dass ich die ganze Zeit geduldig auf Damians Rückkehr gewartet hatte, doch so war es leider nicht. Schon nach kurzer Zeit fing ich an, unruhig an im Zimmer auf und ab zu tigern und fragte mich, wie sich die letzte Nacht – Pardon, der letzte Tag – auf unsere Beziehung auswirken würde. Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht den blassesten Schimmer und das beunruhigte mich nicht nur ein bisschen.

Als endlich die Türe wieder aufging und Damian hereinkam, war ich erleichtert. Er hatte sich bereits vollkommen angezogen und warf mir ebenfalls Klamotten zu.

„Tut mir leid, wir müssen uns beeilen. Du wirst das Frühstück im Flieger nachholen müssen."

„Wieso?", fragte ich, während ich erstaunt meine Sachen musterte. Er hatte mir einen schwarzen engen Rock aus elastischem Stoff und eine weiße Bluse zugeworfen, gemeinsam mit zwar sehr schlichter Unterwäsche, doch ganz sicher keiner Sportunterwäsche, wie ich sie sonst trug. Dazu gab es zu meinem großen Bedauern auch noch die perfekten Businessschuhe. Schön schwarz, vorne spitz und natürlich auch noch mit einem Absatz. Mir taten meine Füße jetzt schon leid, doch ich zögerte nicht einen Moment, die Sachen anzuziehen. Besser die, als gar keine.

„Wie ich dir schon erzählt habe, führen die meisten Vampire ein scheinbar normales Leben, allerdings meistens in irgendwelchen hohen Positionen. Wir haben auch unsere eigenen Firmen aufgebaut, in denen oft sehr viele Vampire arbeiten, obwohl es natürlich nicht ohne menschliche Hilfe geht und du niemals offen über die Kinder der Nacht dort reden darfst. Von vielen dieser Unternehmen bin ich der Firmenvorstand. Die meisten Firmen beschäftigen sich mit Computern, Elektronik oder Programmen. So auch diese Firma, um die es heute geht. Es gibt möglicherweise einen guten Geschäftspartner, der sich für eine sehr große Lieferung an Tablets interessiert. Er möchte jedoch mit dem gesamten Firmenrat zuvor sprechen und da darf ich natürlich nicht fehlen."

„Wohin fliegen wir genau?", fragte ich nach, während ich mir den letzten Schuh anzog.

„In die USA, genauer gesagt nach New York. Dort kann ich dich auch schon einmal mit unserem geschäftlichen Sicherheitsteam vertraut machen. Du wirst wahrscheinlich noch häufiger mit ihnen zusammenarbeiten."

„Okay. Hast du einen Kamm oder eine Bürste?", bat ich, denn bis auf meine Haare war ich nun einsatzbereit.

„Die habe ich vergessen. Aber keine Sorge, draußen wird sicherlich schon jemand mit einer warten. Meine Haare sehen nicht gerade viel besser aus, obwohl ich sagen muss, dass ich nichts einzuwenden habe gegen deine wilde Mähne."

„Hey! Lass den Unsinn. Meine Haare sind frühs wirklich schrecklich!"

Damian grinste, doch es blieb keine Zeit weiter herumzualbern.

In Windeseile schritten wir auf den Gang hinaus. Vor der großen Tür erwartete uns tatsächlich eine Dienerin im grauen Gewand. Sie gab uns wortlos eine Bürste und während wir uns die Haare ordneten, erklärte sie rasch welchen Flug wir nehmen würden und wann wir in New York ankämen. Dann reichte sie mir ein schwarzes Stofftuch und ein Brillenetui.

„Du wirst am Anfang der Fahrt blind sein. Wir können nicht riskieren, dass du bereits jetzt unseren Versammlungsort kennst. Natürlich vertraue ich dir, doch die anderen erwarten diese Vorsichtsmaßnahme. Die Brille ist später als Tarnung gedacht, aber sie ist auch ein nützliches Gadget. Sie hat einen Peilsender eingebaut mit den wir dich jeder Zeit orten können. In dem Brillenträger ist ebenfalls ein Mikrophon, sodass wir hören können, was um dich herum geschieht. Verstanden?"

Ich nickte. Eine der Silberschwingen, die die ganze Zeit neben uns gestanden hatten, trat vor. Ohne ein Wort zu sagen, nahm mir der Mann den schwarzen Stoff aus der Hand und begann geschickt meine Augen zu verbinden. Das Brillenetui nahm er mir darauf hin ebenfalls ab, ich vermutete, dass er es für mich sicher verwahren würde.

Dann wurde ich die Treppe hoch geführt und musste eine Weile geradeaus laufen. Irgendwann wehte mir ein frischer Windzug um die Nase und Damian erklärte mir: „Wir steigen nun in das Auto ein."

Ich wurde auf einen Sitzplatz bugsiert und man schnallte mich an. Kurz darauf ertönte der Motor. Ich hatte um ehrlich zu sein, keine Ahnung wo ich war. Niemand sprach mit mir ein Wort und alles um mich herum war schwarz. Am Anfang machte mich das Ganze noch nervös, doch schon bald wurde ich von dem Schnurren des Motors in einen sanften Schlaf getragen.

Ich hatte keine Ahnung wie lange die Fahrt gedauert hatte, doch irgendwann befahl man mir aufzustehen und ich wurde hinaus gebracht. Zu meinem Erstaunen führte man mich noch ein ganzes Stück weiter. Musste das nicht auf einen öffentlichen Flughafen auffallen, wenn jemand mit verbundenen Augen herumlief? Selbst als ich merkte, wie es deutlich wärmer um mich herum wurde und der Wind aufhörte zu wehen, wir waren also in einem Gebäude, nahm man mir nicht sofort das Tuch ab. Erst nach weiteren fünf Minuten blieben wir stehen.

Als zum ersten Mal wieder Licht in meine Augen fiel, musste ich stark blinzeln und meine Augen fingen an zu tränen, doch hatte ich keine Zeit, mich an die Helligkeit der Lampen zu gewöhnen. Der eine Leibwächter reichte mir die Brille und ich setzte sie auf, während er mir kurz angebunden erklärte: „Der Flieger sollte jeden Moment starten. Wir müssen sofort einsteigen."

„Was ist mit dem einchecken?", fragte ich verwirrt nach. Wir waren doch sicher nicht einfach so durchgekommen, wenn ich ein Tuch vor den Augen hatte.

Der Mann war nicht gerade glücklich über meine Nachfrage, doch er antwortete, während er uns in einem zügigen Tempo vorführte: „Das ist alles schon erledigt."

„Und was ist mit dieser Kontrolle, ob wir Waffen tragen?", wollte ich wissen.

„Auch das ist schon erledigt", erklärte mir Damian rasch.

Ich schaute die Männer von der Garde der Silberschwingen an. Wieso hatte ich bloß das Gefühl, dass diese Kerle ganz sicher nicht unbewaffnet waren?

„Sir, wir müssen uns beeilen", meldete sich der andere von ihnen nun zu Wort und Damian nickte knapp.

Gemeinsam eilten wir durch eine große Wartehalle zu dem Einstieg für unseren Flieger. Wir kamen noch gerade rechtzeitig dort an. Als ich jedoch das innere des Fliegers sah, wäre ich fast zu einer Salzsäule erstarrt.

Vor mir erstreckte sich die Landschaft der Business Class. In diesem Abteil gab es gerade Mal zwölf Stühle. Bis auf vier Stück waren alle besetzt. Zwei Stühle standen immer nah beieinander, doch wirkten sie eher wie zwei gemütlich Sessel als enge Flugzeugsitze. Es gab für jeden Passagier mehr als nur genug Platz, um die Füße auszustrecken und überall hatte man bereits für Stromversorgung und einen kleinen Bildschirm gesorgt. Ich wollte mich eigentlich neben Damian setzen, doch ein Mann der Silberschwingen hielt mich fest.

„Wir werden während des Fluges getrennt sitzen müssen, aus Sicherheitsgründen", erklärte mir Damian rasch sehr leise.

Wenigstens waren die vier freien Sitze in der gleichen Reihe. Trotzdem hätte ich mich lieber neben Damian gesetzt, als neben einen seiner schweigsamen Leibwächter. So jedoch hatten wenigstens ich und Damian einen Fensterplatz, obwohl man in der dunklen Nacht kaum etwas sehen konnte.

Der Flug war eigentlich relativ angenehm, bis auf die Tatsache, dass der Mann neben mir die ganze Zeit – also ungefähr acht Stunden lang – beharrlich geschwiegen hatte. Nur auf direkt gestellte Fragen antwortete er und das auch nur so knapp es ging. Ich hatte gerade mal drei Neins und ein Schulterzucken aus ihm herausbekommen.

Das Essen hier im Flugzeug war zu meinem Erstaunen sehr gut, obwohl das auch daran liegen könnte, dass meine Anforderungen nach der Pampe, die es bei der Ausbildung gegeben hatte, extrem niedrig waren.

Leider war auch die Autofahrt zum Unternehmen furchtbar langweilig. Ich konnte zwar etwas sehen, doch es gab keinerlei Fenster in dem abgeschlossenen, hinteren Bereich des Autos in dem wir uns befanden und Damian las hochkonzentriert in einigen Akten, die man ihm auf sein Handy gesendet hatte. Jedes Mal, wenn ich versuchte, mich ihm auch nur zu nähern, bekam ich einen strafenden Blick von den Securitytypen zugeworfen und als ich es einmal gar wagte, näher zu ihm heranzurücken, wurde ich wie ein ungezogenes Hündchen im Nacken an der Bluse gepackt und zurückgezogen. Ich hätte ja gerne einen neuen Versuch gestartet, doch leider war ich mir nicht sicher, ob das meine Bluse ausgehalten hätte und so blieb mir nichts anderes übrig, als gelangweilt Löcher in die Luft zu starren.

Als wir endlich am Zielort angekommen waren, war ich mehr als nur ein bisschen erleichtert. Damian schaffte es, mir beim Aussteigen zuzuzwinkern, doch das besserte meine Laune nicht wirklich, denn sofort wurde er von den Männern in Geleitschutz genommen und zum Gebäudeeingang bugsiert, als würde gerade irgendjemand ein Scharfschützengewehr auf ihn richten.

Das hellerleuchtete, riesige Gebäude aus Glas und Stahl hätte mich sicher beeindruckt, doch leider blieb mir ja nicht besonders viel Zeit, um es zu mustern.

Das Innere des Towers war genauso blank geputzt wie die Fenster. Moderne Kunst hing an den Wänden und der kleine Wartebereich war gefüllt mit schwarzen Ledersesseln und einem edlen Glastisch. Überall wo keine Fenster waren, waren die Mauern mit einem sehr hellen Holz verziert. In diesem waren meistens Bildschirme eingearbeitet, die alle möglichen Daten und Informationen anzeigten.

Eine junge, attraktive Blondine, ganz im Businessstyle gekleidet, stand hinter einem Empfangsschalter aus eben dem Holz, mit dem die Wände verkleidet waren. Sie tippte in unglaublicher Schnelligkeit auf einem Display herum, während sie uns ein Lächeln zuwarf und uns mit süßer Stimme begrüßte: „Willkommen, Sir. Man erwartet Sie bereits oben. Wohin darf ich Ihre Begleiterin schicken?"

„Sie wird sich die kleine Forschungsabteilung anschauen. Wenn Sie Ihr bitte einen Fahrstuhl und eine Wegerklärung bereit machen könnten?"

„Natürlich Sir, ist schon so gut wie erledigt. Ihr persönlicher Fahrstuhl ist gerade eben angekommen. Er führt direkt zu den Sitzungsräumen."

Damian nickte und wandte sich dann rasch mir zu. „Ich muss mich beeilen. Die Sitzung soll in drei Minuten anfangen. Unten erwartet dich jemand. In Ordnung?"

Ich nickte und sofort eilte Damian gefolgt von seinen zwei Schatten davon.

„Nun zu Ihnen", sprudelte die Blondine sofort diensteifrig hervor. „Bitte nehmen Sie Fahrstuhl drei."

Sie deutete auf einen der fünf Fahrstühle und ich nickte. „Was ist mit der Wegbeschreibung?", fragte ich noch, bevor ich auf den Aufzug zuging, der in diesem Moment die Türen öffnete.

„Die Wegbeschreibung ist ebenfalls soeben fertig geworden. Keine Sorge. Gehen Sie ruhig."

Ich nickte mit einem Lächeln, obwohl ich wirklich keine Ahnung hatte, wohin ich gehen musste, wenn ich aus dem Fahrstuhl wieder ausstieg. Allerdings hatte ich gelernt, dass offene Verwirrung zu zeigen, eine Schwäche war, die ein Gegner schamlos ausnutzen konnte. Den Weg nicht zu kennen, war zwar auch ein großes Übel, doch im Notfall konnte ich ja immer noch bei einen Arbeiter nachfragen.

Als die Türen des Fahrstuhls sich schlossen, ertönte eine leise Melodie aus den Lautsprechern. Zu meinem Erstaunen gab es im Inneren keinerlei Knöpfe, doch der Aufzug setzte sich auch ohne meine Hilfe in Bewegung und so blieb ich ruhig stehen und wartete.

Nach einer kurzen Zeit spürte ich einen kleinen Ruck und schon glitten die Türen wie von Zauberhand auseinander.

„Bitte folgen sie den Pfeilen", meinte nun eine freundliche Frauenstimme aus den Lautsprechern.

In diesem Moment wurden auf der milchigen Glaswand vor mir Pfeile eingeblendet. Im stetigen Rhythmus wechselten ihre Farben von mittel- ins dunkelblau, sodass man sie gut auf der weißen Glaswand ausmachen konnte.

Ich tat, wie mir befohlen und folgte den Pfeilen. Zu meinem Erstaunen sah ich auf dem ganzen Gang keinerlei Türen. Nur immer wieder war ein Kartenlesegerät an der Wand angebracht, die anscheinend mit demselben Holz verkleidet war, dass ich schon in der Empfangshalle gesehen hatte. Erst als ich an einer Schiebetür vorbeiging, die halb auf war, und auf der das Wort „Defekt!" in roten Buchstaben immer wieder schnell aufblinkte, wurde mir bewusst, wieso ich hier noch keine Tür gesehen hatte.

Der Gang war nicht türlos, doch waren sie so perfekt mit der Wand getarnt, dass ich sie nicht erkennen konnte. Durch die Glasfassade zu meiner rechten Seite konnte ich leider nicht schauen, doch immer wieder wurde eine Welle von kleinen Sternchen dort eingeblendet, die an mir vorbeizog und irgendwann in der Ferne verschwand.

Nach einer Weile fing der Fußboden unter meinen Füßen an, sich zu verändern. Der vorher auf Hochglanz polierte, dunkle Parkettboden wich und stattdessen lief ich nun auf blankem Beton. Die Pfeile führten mich zu einer Treppe und deuteten darauf. Doch weitere Bildschirme gab es hier nicht und auch keine elegante Atmosphäre, denn die Wände waren nun ebenfalls aus grauem Beton.

Ich fing an, die Treppenstufen hinabzusteigen. Ich fühlte mich wie in eine Filmkulisse hineinversetzt und wartete nur darauf, dass mir Frankensteins Monster oder irgendein Zombie entgegenlief, doch es blieb weiterhin mucksmäuschenstill. Vorsichtig ging ich weiter, mittlerweile darauf bedacht ebenfalls kein Geräusch zu machen und mich in die nicht existierenden Schatten zu drücken.

Nach fünf weiteren Minuten fragte ich mich schon, ob diese Treppe niemals aufhören würde, doch dann erstarrte ich. Vor mir wurde der Gang auf einmal mit einem bläulichen Licht erfüllt. Zuerst blieb ich stehen, als sich jedoch nichts veränderte lief ich wachsam weiter.

Das blaue Licht kam hinter einer riesigen Glastür hervor. Dahinter erstreckte sich ein Paradies für jeden Elektronikliebhaber. Unzählige Bildschirme waren auf jeder Seite der Wand eingelassen. Sie zeigten Messungen an und den neusten Stand der Dinge. Überall saßen Leute lässig und mit vor Begeisterung funkelnden Augen vor ihren persönlichen Computern mit jeweils drei Monitoren. Sie tippten wie wild auf ihren Tastaturen herum und schienen sich vertieft und sowie aufgeregt ihrer Arbeit zu widmen. Um einen Tisch in der Mitte, dessen Oberfläche ein einziger, riesiger Bildschirm war, standen mehrere Leute und diskutierten eifrig. Doch ganz hinten in der Halle auf einem erhöhten Podest stand eine einzige Person, die das Ganze dirigierte.

Die Person hatte ein kleines Mikrophon am Mund und hinter ihr auf einen Tisch standen fünf Bildschirme, die die Person lässig im Blick hatte. Vor ihr war ein weiterer Bildschirmtisch. Die Haare des jungen Mannes waren wieder vollkommen blau gefärbt und ragten in stacheligen Borsten nach oben. Auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen, als er mit der Hand winkte glitt die Türe vor mir wie von selbst auf.

Einstein kam auf mich zu und ich konnte nicht anders als breit zu grinsen.



Aus den Chroniken der Tagwandler - Ein Bericht eines Ratsmitglieds:

Unruhe breitet sich unter den Vampiren aus. Es sind nun bereits fünf von ihnen gefallen. Alle waren grausame Herrscher und ihr Tod ist wahrscheinlich nicht nur eine Gnade für die Menschheit, sondern auch für die gesamte Vampirgesellschafft. Trotzdem fällt die auf einmal ansteigende Zahl der Todes- beziehungsweise Vermisstenfälle auf. Wir bekommen nicht genug Informationen aus den Reihen der Vampire, doch es scheinen sich zwei Gruppen zu bilden. Einmal die Gruppe, die sich zurück in die Schatten ziehen will und den Lauf der Dinge abwarten möchte und einmal die Gruppe, die der Ursache der plötzlichen Todes- und Vermisstenmeldungen auf den Grund gehen will.

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