5.4 ~ Computer sind doof
♫ ♪ Der Wäschetrockner flirtet mit dem Video und sendet Strahlen aus. Ein elektronischer Zoo. Die Kaffeemaschine törnt den Toaster an, ich krieg die Kurve nicht mehr. Oh mann oh mann ♪♫ (Spliff - Computer sind doof)
„Hallo Tessa", schallt es mir noch im Rahmen der Eingangstür entgegen.
In der Erwartung, dass Jamil, der in diesem kleinen, vollgeramschten Laden neue Handys verkauft und alte repariert, ein „schön, dich doch noch zu sehen" hinterherschickt, ignoriere ich das aufgeregt bimmelnde Glöckchen über der Tür und fummele mein Laptop im Gehen aus der Schultertasche. Doch da habe ich mich wohl zu früh gefreut, denn noch bevor ich am Verkaufstresen angekommen bin, zieht er die Stirn in Falten und ich darf mir ein charmantes „Schlecht siehst du aus" zur Begrüßung anhören.
Vor Schreck wäre mir um ein Haar mein seit Tagen herumzickendes Laptop aus den Händen gerutscht. Gut, dass meine Reflexe noch funktionieren. Puh, das ist ja gerade noch mal gutgegangen. Was für ein Sonnenschein! Aber so und nicht anders kenne ich den kleinen Bruder meiner besten Freundin Jasmin: immer direkt und gleich auf den Punkt, das erspart uns endlose Floskeln. Wobei „klein" es nicht ganz trifft. Genau genommen gilt das nämlich nur für den Altersunterschied der beiden. 17 Minuten sind jetzt nicht unbedingt die Welt, aber wenn es um die Größe geht, dann schon. Niemand, der die beiden das erste Mal zusammen sieht, würde sie für Zwillinge halten, denn mit einem Meter siebenundachtzig überragt er Jasmin und mich um locker mehrere Köpfe, was den Raum zwischen Theke und Tür gleich noch kleiner und beengter wirken lässt.
Instinktiv ziehe ich den Kopf ein: Wie ein Welpe, der etwas angestellt hat, denke ich. Dabei besteht gar kein Grund dazu. Wir kennen uns ja nun wirklich lange genug. Ein anderer wäre wahrscheinlich angesäuert, wenn diejenige, die ihm vor Tagen noch am Telefon die Ohren vollgejammert hat und herumheult, dass es ja so tierisch eilig wäre, sich dann doch nicht blicken lässt. Nicht jedoch Brüderchen. Jamil war schon immer die Gutmütigkeit in Person, weshalb ihn die meisten gnadenlos unterschätzen. Leider aber verschwendet er aber auch deshalb seine Zeit und Energie damit, kaputte Smartphones zum Laufen zu bringen, obwohl er doch so viel mehr auf dem Kasten hat. Wäre es nach mir gegangen, hätte er sich an einer Uni beworben, schön weit weg von hier, damit ihn die liebe Familie...
„Ich sehe, du hast das Corpus Delicti mitgebracht", unterbricht er mein geistiges Abschweifen mit dem Offensichtlichen und ich wundere mich, ehrlich gesagt, denn genau deshalb haben wir doch miteinander telefoniert. Wenn nämlich der Computer, den du für deinen Job dringend brauchst, plötzlich zum Hochfahren länger braucht und auch sonst ganz komische Sachen anstellt, dass du kurz davor bist, in den Wahnsinn abzudriften, dann ist es Zeit, ihn in gute und vor allem erfahrene Hände zu geben. Hoffen wir mal, dass du dir keinen Trojaner oder sonstige gruselige Sachen, die der Mensch nicht braucht, eingefangen hast.
Natürlich nicht ich, sondern mein Laptop.
Obwohl ich bei seinen Worten „sieht mir ganz nach einem Virus aus, wenn ich mir dich so ansehe" erst einmal zusammenzucke. Mir ist ein Rätsel, warum er mich dabei so merkwürdig anschaut anstatt meinen Computer, der aufgeklappt vor ihm auf der gläserenen Platte liegt. Ja, ja, ich weiß, ich sehe besch...eiden aus, als ob bei mir eine Seuche eingeschlagen hätte. So übernächtigt und mit den Nerven runter, wie ich seit Tagen durch die Gegend schleiche, kann es auch Kaffee nicht mehr reißen. Zum Glück hatte ich gerade noch rechtzeitig eine Sicherungskopie von allen Daten gezogen und zur Sicherheit diese ebenfalls nochmal kopiert und woanders abgespeichert. Nur dumm, dass ich an dieses woanders gerade nicht herankomme, da ein überregionales Serverproblem dazu geführt hat, dass unsere Bank mir und den anderen Kunden den Zugang zu den Tresorräumen gesperrt hat.
Oder war es ein lokaler Server?
Aber im Prinzip ist das ja auch schietegal - so viel zum Thema Schließfach. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn sich zum Zeitpunkt des Zwischenfalls irgend so ein armes Schwein darin befunden hätte. Ein Grund mehr für mich, der gegen KI spricht. Ich weiß, warum ich von KI inzwischen immer weniger halte. Wenn das so weitergeht, haben wir bald die allerschönsten Verhältnisse wie in Terminator. Wir schaffen uns selber ab. Ach, ihr glaubt, ich übertreibe?
Dann fragt euch mal, warum ausgerechnet die Bücher mit den perfekten Covern auf gewissen Plattformen oder Apps vom Algorithmus ganz nach oben befördert werden, während die handgemachten eher weniger angeklickt werden. Alles Fassade. Nur kann ich mir davon leider nur wenig kaufen. Im Gegenteil: Wählerisch zu sein, kann ich mir in meiner Situation nicht leisten und muss am Ende über jeden Auftrag, der mir ins Haus flattert, froh sein. Egal, von welchem Verlag. Genau deshalb war ich ja so froh, als ich Wattpad entdeckt habe. Und als ich dann noch herausgefunden habe, dass es dort jede Menge Autoren und Autorinnen gibt, die zwar ganz toll schreiben können, aber keine Ahnung haben, wie man ein ansprechendes Cover entwirft und froh sind, wenn ihnen jemand die Arbeit abnimmt. Hey, habe ich mir da gesagt, verdienen wirst du damit zwar nichts, aber wenn renommierte Verlage hier schon den nächsten Bestsellerautor gefunden haben, lass es doch einfach auf einen Versuch ankommen. Vielleicht bekommst du so schneller einen Fuß ins Verlagswesen.
Nur hat meine Milchmädchenrechnung einen klitzekleinen Schönheitsfehler. Mir war völlig entgangen, dass diese Datenkrake, die sich AI nennt und sich wie eine Schlingpflanze überall ausbreitet und fröhlich vor sich hin wuchert, auch vor den Gestaltern von Buchcovern und -illustrationen nicht halt macht.
Computer sind echt doof!
A/N: Bald sind alle Vögel da, äh, alle Kandidaten vollzählig. Wie Tessa auf die Idee gekommen ist? Ich hoffe, die nächsten Kapitel liefern Gewissheit.
Ich weiß, es ist diesmal nur ein kurzes Kapitel - aber ich konnte den Schreibvorschlag Nr. 5 aus dem Mai von Malu_H endlich in Angriff nehmen: Dein Laptop funktioniert nicht mehr, aber da du wenig Geld hast, suchst du den eher schäbigen, kleinen Elektroladen auf, in dem ein guter Bekannter von dir arbeitet.
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