4.3 ~ ein höllisches Vergnügen und seine Folgen
♫ ♪ Every breath you take and every move you make, every bond you break, every step you take, I'll be watching you ♪♫ (The Police – Every breath you take)
Lucy hat wohl geglaubt, dass sie mir nichts, dir nichts davonkommt. Aber da hat sie sich geschnitten. Ich bin doch kein Vollidiot, den man so einfach austricksen kann. Auch wenn man bei uns im Pandämonium anderer Ansicht ist, weil ich so blöd war, sie entwischen zu lassen. Und das, nachdem das Urteil für ihre erste Verfehlung Purgatorium lautete und ich eigenhändig dafür sorgen sollte, dass sie diese auch antrat.
Purgatorium: Wer sich darunter nichts vorstellen kann, dem sei gesagt, dass sich Normalsterbliche in so ein läuterndes Bad, auch als Fegefeuer bekannt, niemals freiwillig begeben würden. Und tatsächlich haben auch sie keine Wahl. Weder bei der Länge ihres Aufenthalts, noch bei der Heftigkeit, mir der sie darin schmoren müssen. Die Wahl der Qual haben allein wir. Das Purgatorium – so weit so schlecht. Doch so richtig kompliziert wird die Sache dadurch, dass Lucy außer ihrer für Normalsterbliche ach so lieblichen Gestalt nichts mit denen gemein hat.
Für Dämonen wie uns bleiben da nicht sehr viele Möglichkeiten. Vor allem nicht, wenn einer so richtig Mist baut und der andere ein Auge zugedrückt und den Mund gehalten hat. Da kennen die Oberen nur selten Gnade, und da hilft auch nicht, um Vergebung zu winseln. Mitgefangen – mitgehangen, nur dass hier niemand gehängt werden sollte. Ab zu Sisyphos, der sie zur Strafe zu endlosen Reinigungsarbeiten in den Ersten Ring schickte und mich gleich mit. Weiß der Geier, wie sie es geschafft hat, sich von der Vorhölle durch alle anderen Kreise bis in den Sechsten zu schleichen, ohne dass es einer von uns mitbekommen hat.
Ich konnte es kaum glauben, als Lucy eines Morgens zum verordneten Putzdienst nicht auftauchte. Dass ein gewisser Schlüssel fehlte, wurde zum Gegenstand von Sisyphos' Empörung, der es dann auch prompt den Oberen vortrug. Da war aber die Hölle los! Erneut wurde ich vor den Finsteren Hof gezerrt und durfte ihr Gegeifer über mich ergehen lassen.
Du hattest einen Job, Damon! Auf!! Sie!!! Aufzupassen!!!! Und hast es gründlich verkackt!!!!!
Mit ihren Visagen, auf den Portraits in unserer Ahnengalerie sonst so gleichmütig zur Schau gestellt, fratzenhaft verzogen, brach ein wahrer Sturm aus Blitz und Donner über mich herein – eine schier endlose Gewitterfront aus tobenden und zu Dutzenden durcheinander brüllenden Stimmen... Fetzen aus Gezeter, die an spitzen Dornen aus Unflätigkeiten hängen bleiben und käuen sie fortwährend wieder, meine unermesslichen Unzulänglichkeiten, eines wahrhaftigen Dämons nicht würdig und eine Schande für die Natur.
Meine Einwände, die das bis zum Bersten gefüllte Pandämonium nicht gelten lässt und als Schnickschnack abtut. Als ob es meine Schuld war, dass Lucy so plötzlich aus der Art schlug. Dabei hätte mir damals ihre Frage, als unser beider Welt noch in Ordnung war, Warnung genug sein müssen – so sehr, dass eine Meldung fällig gewesen wäre.
Ja, damals...
Wir lagen träumend im Gras. Ich von meiner Beförderung, vor der ich so kurz stand, sie wahrscheinlich von nichts bestimmtem. Wie meistens, wenn wir uns miteinander vergnügt und uns von einer Welle nach der anderen hatten hinfort tragen lassen. Ein Genuss, der bei den meisten hier unten nicht mal ein gelangweiltes Wimpernzucken auslöst, nur sollte man sich dazu nicht unbedingt die ungewöhnlichsten Orte aussuchen und sich vor allem die Frage danach, was der andere denkt, gründlichst verkneifen.
Was auch immer ich mit meinem schlagartig geleerten Hirn „gedacht" haben mag, aber plötzlich erklang Lucys schläfrige Stimme, während Madame mir mit ihren Krallen über meine nackte Brust fuhr und mit schläfriger Stimme so etwas murmelte wie
„Du, Damon...kommen Tiere eigentlich auch in die Hölle?"
Huch! So schnell war ich noch nie aus meinem Rausch erwacht.
Nein, hätte ich am liebsten geantwortet, wie kommst du denn auf diesen absurden Gedanken? Die Hölle haben sie ja schon auf Erden erlebt, was sollen sie dann bei uns? Es sei denn, sie kommen, um Rache zu üben – und das wäre eine ganz neue Art des bereits erwähnten Purgatoriums.
Aber es kam noch schlimmer, denn mit einem träumerischen Ausdruck in ihren von unserem Schäferstündchen ermatteten Augen, schweifte sie ab, um mir mit völlig unzusammenhängenden Worten, die für mich null Sinn ergaben, zu erzählen, wie sie einen Igel gefunden hatte, der sich im Maschendrahtzaun des Gartens ihrer Tante und dem hilflosen Tier die Freiheit geschenkt hätte.
Nichts hätte mir mehr an meinem haarigen Allerwertesten vorbeigehen können als irgendein x-beliebiger Vierbeiner. Aber, verdammt nochmal, als Sukkubus sollte sie nachts über irgendwelche Normalsterbliche herfallen und meinetwegen die ganze Bude zum Einsturz bringen und nicht auf die absurde Idee verfallen, Tiere zu retten.
Wo kamen denn plötzlich diese Anwandlungen her? Und was, wenn uns jemand gehört hatte? Verstört blickte ich mich um. Keiner da? Auch Lucifer oder seine Assistentin nicht? Aber trotzdem, man konnte nie vorsichtig genug sein. Eine Einschätzung, mit der ich nicht ganz falsch lag, wie ich später erfahren durfte.
Aber was suchten wir uns für unser Date auch ausgerechnet die Wiese am Läuterungsberg aus? Ganz egal, dass es keine Wände gab, die Ohren hatten. Wände nicht, aber unzählige winzige Spione, die nur darauf lauerten, das Aufgeschnappte so weiterzugeben, wie es ihnen am besten in den Kram passte.
Tja, Freunde der Nacht, ob in der Vorhölle oder den anderen Regionen des Reichs der Finsternis, die Konkurrenz ist überall und sie schläft nicht.
Der oberste Richter schäumte vor Wut. Teils, weil ihm so ein Dilettantismus wie meiner schon ewig nicht mehr untergekommen war – teils, weil ihm die Worte für Lucys subversives Verhalten fehlten.
Von allen guten Geistern verlassen? Wohl eher von einem uns alles andere als wohl gesonnenen Geist besessen! Ein Dämon, vom Zweifel besessen, ein Sukkubus, der unter einen Bann geraten ist. Das hat es seit Äonen nicht gegeben.
Wo kommen wir da hin, wenn jeder ein- und ausgeht, wie er will!
Seit Äonen? Seit 666 Jahren, um genau zu sein. Soviel habe ich inzwischen in der Bibliothek im Sechsten Ring auch herausgefunden. Die Bibliotheca heretica, wie ich sie in meinem mangelhaften Latein so gerne nenne und für Sukkubi wie sie strikt tabu ist – in den Sechsten Ring hat man sie nicht ohne Grund ausgelagert, und ausgerechnet hier hat sich ihre Spur verloren – ob sie den Schlüssel dazu gebraucht hat oder nicht, es spielt keine Rolle.
Denn der Gearschte bin ich. Und so, wie die Dinge jetzt liegen, kann sie nicht auf Gnade hoffen. Ich auch nicht, wie es aussieht. Aber nicht mit mir! Ich bin wild entschlossen, meine Reputation wieder herzustellen, koste es was es wolle.
Und ganz gleich, was du treibst oder wo du hingehst, ich behalte dich im Auge. Wäre doch gelacht, wenn ich dich nicht wieder einfangen und auf Spur bringen könnte.
A/N: Der April macht, was er will, und meine Charaktere auch. Wer hätte gedacht, dass ein Dämon wie Lucy, die eigentlich Schaden und Chaos verbreiten soll, ihr weiches Herz entdeckt und damit ein ganzes Pandämonium aufmischt?
Die Idee gab mir der Schreibplot „Du rettest einen Igel, der sich in dem Maschendrahtzaun deines Gartens verfangen hat" von Malu H ein.
Ganz ehrlich? Diesen Höllentrip habe ich mir auch einfacher vorgestellt und deshalb muss ich auch hier unserem lieben Damon mehr als nur ein Kapitel auf den Leib schneidern.
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