3.5 ~ Vorsicht - entzündlich!

Oh make me over, I'm all I wanna be. A walking study in demonology ♪♫ (Hole – Celebrity Skin)



Vielleicht wird aus dir doch noch was...

Damon, immer wieder Damon. Toller Freund! Wegen ihm bin ich doch erst da gelandet, wo ich jetzt bin. Konnte er nicht einfach bleiben, wo der Pfeffer wächst? Oder besser da, wo er nicht wächst und wo die Sonne nicht hinkommt! Und das ganze nur, weil Mister Oberschlau der Meinung war, mir hinterher zu stalken, nachdem ich meinen Leuten eine lange Nase gedreht und mir eine Auszeit von ihnen genommen habe. Viva la famiglia? Schön wär's... Manchmal frag ich mich echt, wo mein sogenannter Freund denn nun eigentlich steht: auf meiner Seite oder auf der Seite von denen? Die liebe Familie? Der Witz war gut – denn wenn diese Mischpoke eines ganz bestimmt nicht ist, dann das: lieb.

Bösartig trifft's ja wohl eher. Nicht umsonst tragen sie alle, und damit leider auch ich, den bis ins finsterste Mittelalter zurückreichenden Namen de Vil. Ich wette, ich könnte unsere Blutlinie bis zur Antike zurückverfolgen, aber wozu? So sinnlos diese Verschwendung von Lebenszeit, also habe ich die angestaubten Wälzer an in die Ecke geschmissen und damit aufgehört, unseren Stammbaum und seine ganzen Verästelungen auswendig zu lernen. Und wenn mir jetzt jemand mit dem blöden Witz von Cruella und den 101 Dalmatinern kommen will: Das Ding hat so 'nen Bart. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass die Dame bei uns sogar einen Ehrenplatz bekäme, wenn sie real wäre.

Zur Hölle? Oh ja, dort seid ihr alle bestens aufgehoben – und könnt warten, bis ihr schwarz werdet, bevor ich zurückkomme und auch nur einen Fuß über eure Schwelle setze. Nicht, nachdem ich in diesem Laden... Aber ich schweife schon wieder ab - eine Eigenschaft, die mich irgendwann noch den Kopf kosten wird. Oder vielleicht eher, weil ich für manche Dinge einfach länger brauche. Einen Moment zu lange gezögert, und schon hat die liebe Lucy den Salat.

Wie an diesem Abend, an dem ich noch einen Termin hatte und sowieso schon ziemlich spät dran war. Kaum hatte ich meinen Kram hinter meinem Sitz verstaut und mich angeschnallt, tauchte Damon wie aus dem Nichts neben meinem Auto auf. Hätte ich doch bloß schneller reagiert und die Beifahrertür rechtzeitig verriegelt! Doch weil ich in dem Moment mal wieder nicht in die Puschen kam, saß er dann auch schon auf dem Sitz neben mir und das Drama nahm seinen Lauf.



Nur mal reden wollen... Wohin das führt? Bei einigen auf geradem Weg zurück in eine toxische Beziehung, bei anderen in die Versöhnung und einen Neuanfang mit Aussicht auf eine Zukunft voller Glück – bei mir an eine x-beliebige Tanke im Nirgendwo.

Nur mal reden wollen... mit diesen Worten hatte er mich. Ich bin ja gerne bereit, jemandem eine zweite Chance zu geben, nachdem er es sich mit mir verscherzt hat. Ich meine: Ganz egal, ob wegen Kleinigkeiten oder grundsätzlichen Dingen – gibt es denn überhaupt auf dieser Welt Freunde, die sich noch nie gestritten und anschließend wieder miteinander versöhnt haben? Auch wenn's bei manchen etwas länger dauert? So eine „Freundschaft" ohne Knatsch möchte ich gern mal sehen. Die Straße fest im Blick, gab ich mir einen Ruck und beschloss, mir anzuhören, was er zu sagen hatte.

Du kannst ihn ja immer noch rauswerfen, wenn er wieder mit der Story von dem Igel anfängt, redete ich mir die Situation schön, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich wahrscheinlich den Kürzeren gezogen hätte. Doch zu meiner Verwunderung sagte er erst einmal gar nichts. Schweigen legte sich über die leise vor sich hin dudelnde Musik, breitete sich aus und klebte sich an die knappe Luft unseres begrenzten Raums wie ein Kaugummi, den die Schuhsohle nicht mehr loswird. Selbst die an der Windschutzscheibe herabrinnenden Regentropfen und das Quietschen der sie hinwegfegenden Scheibenwischer übertönte es. Damon wollte reden? Aber worauf wartete er dann noch? Auf der Autobahn wurde es mir dann zu dumm und ich drehte das Radio lauter.

♪♫♪ Oh make me over, I'm all I wanna be. A walking study in demonology ♫♪♫

Der Rest dieses Gejaules ging in statischem Rauschen unter. Das hatte mir zu meinem Glück ja gerade noch gefehlt. Als ob jemand diesen Song extra für Damon und mich bestellt hätte, stöhnte ich innerlich gequält auf, um dann die Show von jetzt auf gleich abzubrechen.

Ällabätsch? Dabei war mir wirklich nicht zum Lachen zumute. Im Gegenteil, so angespannt, wie ich das Lenkrad umklammerte, hätte man glauben können, die am Horizont aufflackernden Blitze setzten sich in meinem Innern fort. Unter Strom hatte ich schon öfters gestanden, doch noch nie waren meine Knöchel dabei so weiß hervorgetreten wie jetzt. Irgendetwas würde noch kommen, das spürte ich genau.

„A walking study in demonology? Tja, wenn man vom Teufel spricht..." zerteilten Damons Worte das in der Luft hängende elektrische Knistern.

Alles, nur nicht das... Aber mein Stoßgebet fiel auf taube Ohren. Wie hatte ich auch nur für einen Moment annehmen können, Damon wäre gekommen, um mir zu erklären, er hätte nochmal über alles nachgedacht und könnte nun besser verstehen, warum ich mich nach der Aktion mit dem Igel und ganz besonders dem Erlebnis in dem Buchladen auf Französisch verabschiedet hatte.

„Und alles nur wegen so einer unnötigen Lappalie? Ich bin sicher, wenn du dich reumütig zeigst, nehmen sie dich wieder auf in ihr ehrenwertes Haus."

Die de Vils ein ehrenwertes Haus? Lappalie? Im Leben nicht! Mögen andere mich stur nennen – ich nenne es konsequent. Und genau diese Konsequenz führte zu einem erhitzten Wortgewitter, das sich während der Fahrt über unseren Köpfen entlud.

Vorsicht – entzündlich!!

Beschlagene Scheiben!

Regentropfen, die an mein Fenster klopfen.

Luft, die immer dünner wird...

Ich musste raus, und zwar schnell.



Vorsicht – entzündlich? Gut, dass die in meinem Inneren sprühenden Funken nicht nach außen gelangen konnten, sonst wäre jetzt alles in die Luft geflogen.

Fassungslos starrte ich den sich entfernenden Rücklichtern meines Triumph hinterher. Das hatte Damon also mit seinem ominösen „Nun, dann wollen wir doch mal sehen, wie weit du kommst" gemeint. Nicht symbolisch, sondern wortwörtlich. Sich einfach mit meinem feuerroten Schmuckstück aus dem Staub zu machen, während ich nach drinnen gehe, um den Sprit zu bezahlen. Das sah ihm ähnlich.

Den Termin konnte ich vergessen und mit ihm die Unterlagen für meine Präsentation, für die ich mir die letzten Nächte um die Ohren geschlagen hatte, genauso wie unsere Freundschaft, die Damon mit dieser Aktion gründlich und für immer gegen die Wand gefahren hatte.



A/N:  Geplant war das so nicht – inspiriert von Schreibprompt Nr. 5 von Malu_H (Du fährst per Anhalter mit, weil dein Freund dich nach einem Streit an einer Raststätte einfach sitzen lassen hat. Erst hast du ein mulmiges Gefühl, doch dein Fahrer ist so cool drauf, dass du schnell die Angst verlierst und deine anfänglichen Bedenken vergisst. Aber dein Fahrer hat ein dunkles Geheimnis, dem du plötzlich auf die Schliche kommst) wollte ich diese Szene in ein einziges Kapitel packen, doch dann wäre das viel zu lang geworden.

Und damit ihr wisst, womit Lucys etwas mehr als seltsamer Freund nun durch die Gegend fährt, gibt es zur Feier des Tages ein Bild, das ich bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Triumph_(Auto)#/media/Datei:Triumph_Spitfire-1500_Side-view.JPG) ausgegraben habe:


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