3.1 ~ Künstliche Welten
♫ ♪ If I could turn back time, then I would rewrite those lines. ♪♫ (The Script - No good in goodbye)
Als Bob, unser Makenbildner beziehungsweise Stylist, den mit „Maske" ausgeschilderten Raum verlässt, wird mir klar, dass es vielleicht doch keine so clevere Idee war, mich bei dieser Show zu bewerben anstatt bei der Höhle der Löwen. Warum ich es dennoch getan habe? Weil ich keine Lust darauf habe, dass ich mich bei den Löwen verrenken und eine Handvoll knallharte Investoren von meiner ausgeklügelten Geschäftsidee überzeugen muss. Die stellen gerne einen Haufen unbequeme Fragen, und das alles nur, damit ich bei Erfolg darauf hoffen darf, den kleineren Teil vom Kuchen behalten zu dürfen, während Herr oder Frau Geldgeber bestimmt, wo es lang geht? Das hatte ich lange genug! Dann doch lieber eine andere Taktik verfolgt und bei einer harmlosen Flirt- oder Spielshow für die ganze Familie mitgemacht.
Tiertrainer: Wenn sie erfahren, was ich beruflich mache, spätestens dann habe ich sie und mit ihnen die ersehnte Aufmerksamkeit. Denn nichts erweicht Kinderherzen mehr als knuddelige Robben mit ihren großen schwarzen Knopfaugen. Und dann, nachdem sie endlich alle dahingeschmolzen sind und bei der Abstimmung für mich und eine der Ladys gevotet haben, greife ich den Jackpot ab und jubele still und heimlich ciao, ciao, amore. Nichts gegen die Auffangstation für Seehunde, bei der ich angestellt bin, aber ich träume schon länger davon, mich mit meinem Talent selbständig zu machen. Da kommen mir die fünfzigtausend Mäuse gerade recht.
50.000 Euro. Die vielen Nullen klingen wie Musik in meinen Ohren. Musik? Ach was. Das wäre so ziemlich untertrieben. Für eine Jubiläumsausgabe erwarte ich da schon ein ganzes Orchester. Und wer an der Stelle denkt, ich hätte geschummelt, weil ich vorher schon wusste, dass ich bei der Jubiläumsausgabe mit dabei bin, könnte falscher nicht liegen. Ich kann ja schließlich rechnen. Obwohl der Gedanke, ich könnte mir auf welche Weise auch immer Einsicht in das Skript verschafft haben, gar nicht so dumm ist - schließlich geht nichts über den kleinen, aber feinen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Wissen ist Macht? Diesmal nicht, Jay, das habe ich mir geschworen. Reicht doch schon, dass ich mich unter dem Namen angemeldet habe, unter dem mich nur Freunde und Kollegen kennen. Braucht doch kein Mensch, dass irgendjemand meint, mich noch während der Sendung googeln zu müssen, um mich womöglich in meinem Privatlabor aufzustöb- O SH*T!
Dass wir Zuschauer bekommen würden, war so nicht geplant. Oder besser gesagt: eine Zuschauerin. Der Stromstoß, der durch meinen Körper fährt, als ich im Spiegel erkenne, wer da draußen auf dem Gang zur Statue mutiert, lässt mir die feinen Härchen im Nacken zu Eisnadeln gefrieren.
Die Zuschauerin ist sie!
Hätte ich doch bloß auf Bob gehört und mein Tattoo überschminkt anstatt darauf zu vertrauen, dass mein Kragen diesen Job schon erledigen würde. So kann ich jetzt leider nur noch hoffen, dass ihre Blicke nicht im Spiegel auf meine treffen. Ganz so abwegig wäre es nicht. Natürlich könnte ich mich auch vorbeugen und so tun, als sei mir ganz plötzlich etwas runtergefallen, aber das wäre dann doch zu auffällig. Erreichen würde ich damit nur unnötige Aufmerksamkeit, und zwar von allen um mich herum, da ich trotz des Gewusels um mich herum bisher die Ruhe selbst war. Auch von Jess, die mich mit Todesverachtung ansieht.
Jess. Ausgerechnet. Dabei hatte dieses verflixte Speed-Dating mehr als hoffnungsvoll begonnen. Die Kleine, zu der ich mich gleich am Anfang an den Tisch gesetzt habe, war genau meine Kragenweite. Da ich ja mehr auf den nerdy Typ stehe, war ich mehr als angetan, dass Jess sich zwar mit ihrem Outfit Mühe gegeben, aber glücklicherweise auf haufenweise Spachtelmasse im Gesicht verzichtet hatte und nicht aussah wie ein wandelnder Instagramfilter. Wer hätte auch ahnen können, dass das richtige Date, zu dem wir uns in dieser schicken Cocktailbar verabredet hatten, so dermaßen zum Desaster werden würde?
Dumm gelaufen, das kommt davon, wenn man wegen eines Dates von seinem Prinzip „Privatsphäre muss sein" abweicht und nicht nur seinen tatsächlichen Namen preisgibt.
Chipgesteuerte Trainingsmodelle... Was hätte ich an diesem Abend für so einen Mikrochip in meinen Hirnwindungen gegeben, mit dem ich mein Desaster-Date, wie ich es im Nachhinain nenne, hätte anders verlaufen lassen können. Anstatt ihn meinen Vierflossern zu implantieren, sondern mir selbst - vielleicht hätte ich ja auf diese Weise jenen von Gin Tonic geschwängerten Abend , endgültig aus meinem Gedächtnis löschen können. Leider nur zu gut sehe ich Jess wieder vor mir - oder besser gesagt ihre Augen wieder vor mir, die mir schon beim Speed Dating aufgefallen sind: silbergrau mit einem Hauch Eisblau, umgeben von einem schwarz getuschten Wimpernkranz. Wie bei einem Husky. Nur dass so ein Hundeblick bei mir nicht auch nur annähernd das auslöst, was ich bei unserem Rendez-Vous empfunden habe, nämlich eine Art Rauschzustand. Denselben Pegel, den Jess übrigens schneller erreichte als ich, der es bei vorerst einem Drink beließ. Vielleicht hätte ich mich ebenfalls durch die Getränkekarte probieren sollen, dann hätte ich mich vielleicht nicht so schnell verplappert oder meine Angeberei über gewisse Aktivitäten in meinem Labor hinter wirrem Gefasel verstecken können.
Kaum dass die verhängnisvollen Worte meinem Mund entflohen waren, bereute ich auch schon, dass ich meinem Hirn überhaupt erst eine Auszeit gewährt hatte. Leider war ich nicht betrunken genug, um mich in den Nebel des Vergessens zu hüllen, aber zum Glück geistesgegenwärtig genug, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Weg von mir.
Lass dir was einfallen. Zeig Interesse. Geh auf sie ein. Der Gedanke setzte ein wahres Räderwerk in Gang und mündete in einer einzigen Frage.
„Und wovon träumst du, Jess?"
Genau so, Jay - Fragen dieser Art kommen immer gut. Ja, wenn das Hirn Freizeit hat...
Wie hätte ich ahnen können, dass ich mit dieser harmlosen Frage anscheinend nicht nur in ein Wespennest gestochen, sondern gleichzeitig die Büchse der Pandora geöffnet hatte, denn auf mich rollte ein Wortschwall zu, aus dem ich nicht schlau wurde. Im Sinne von träume nicht dein Leben, sondern lebe deinen Traum, fing sie plötzlich an, von ihrer besten Freundin zu erzählen, die nicht lange gefackelt hatte und um die halbe Welt gereist war. Mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde das, was sich zunächst noch halbwegs logisch angehört hatte, immer wirrer. Mit mathematischem Verstand hatte das, was sie faselte, immer weniger zu tun. Auffallend lange hielt sie sich bei dem gefundenen Traumtypen, ohne danach gesucht zu haben auf, um bei Träumen, die irgendwann zu lange her sind zu landen. Irgendwann fing sie dann auch noch von irgend so einem seltsamen Schlüssel an, der aus welchen Gründen auch immer eine wichtige Rolle gespielt haben muss. Doch bevor ich mich in ihren Monolog einklinken konnte, jaulte eine Sirene los, gefolgt von der Aufforderung, das Gebäude umgehend zu räumen.
Was war ich über diese unvorhergesehene Unterbrechung froh, gab mir doch das Gewühl, in dem wir voneinander getrennt wurden, die ideale Gelegenheit, in der Menge unterzutauchen und mich aus dem Staub zu machen. Ja, ich weiß, ich bin ein elender Feigling. Einfach so abzuhauen, ist wirklich nicht die feine Art, und jemanden zu ghosten noch weniger.
Aber was wäre die Alternative gewesen? Schon beim Speed-Dating die Reißleine zu ziehen und bereits bei der Vorstellungsrunde Antipathie zu heucheln? Etwa im Sinne von „Ich bin Jessica." - „Und ich nicht interessiert" ?
Ja, ich frage euch: Was wäre die Alternative gewesen?
A/N: So, ihr Lieben - Was mit einem Schreibprompt (Der Protagonist und der Tiertrainer offenbaren sich gegenseitig ein Geheimnis von Weltentaenzerin_2) angefangen hat, endet mit einem anderen aus dem März, nämlich mit diesem: „Ich bin (Name einfügen)." „Und ich nicht interessiert" von _Silencia_
Wie und mit wem es weitergeht? Ich arbeite bereits daran. Doch bis dahin viel Spaß mit diesen süßen Gesellen (ich bin gerade sowas von schockverliebt):
(Quelle: https://lh3.googleusercontent.com/p/AF1QipMjx_ctd5ANiqFehdMJEdYt3y3nc3Pb_keHWQEY=s1360-w1360-h1020)
(Quelle: https://lh3.googleusercontent.com/p/AF1QipPpeVvhpoXfo4zrfWyf8JovTaLSYIaF3RTryQSO=s1360-w1360-h1020)
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