1.1 ~ der Zonk


And the winner is... Ella!

Mit weit ausgebreiteten Armen kommt der Quizmaster auf die völlig verblüffte Kandidatin zu und bereitet sie auf das vor, was gleich kommt: drei Türen, und hinter jeder von ihnen wartet ein ganz besonderer Preis auf sie. Doch der Herr im schrill gemusterten Hawaiihemd hat noch ein Ass im Ärmel oder besser gesagt eine Schikane, auf die sie nicht gefasst war: Natürlich könne sie ihre Wahl noch ein letztes Mal revidieren und sich spontan für eine der beiden anderen Türen entscheiden.

Nicht die dritte Tür", würde ich am liebsten meiner Freundin zurufen, „nicht den Zonk!"

Doch meine Kehle ist wie ausgedörrt und die Worte verhallen ungehört, weil sie unausgesprochen bleiben. Kein Wunder, wenn man auf dem Sitz zur Eisskulptur erstarrt, während die beste Freundin sehenden Auges in ihr Unglück rennt. Oh ja, das haben sie sich fein ausgedacht: Einhundert Millionen Euro hinter der ersten Tür, während hinter der Tür Nummer Zwei der vom anderen Ende der Welt eingeflogene Traummann in einem schnittigen Cabrio auf dich wartet. Winke winke? Von wegen!

Dabei sollte der 28. Januar als Tag X den Beginn einer neuen Ära für Ella und uns alle markieren.

Nun, in gewisser Weise hat er das auch, wenn auch anders als erwartet. Aber was jammere ich; im Grunde hat das Drama doch bereits mit der ComicCon angefangen, zu der ich alleine gehen durfte, weil Ella von ihrem ätzenden Chef zu einer Extraschicht am Wochenende verdonnert wurde. Murphy's Law hatten wir gespottet und nicht geahnt, dass wir uns so bald nicht wiedersehen würden.

Vom einen auf den anderen Tag war meine beste Freundin verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt und ohne auch nur ein einziges Lebenszeichen. Diese Hölle wollt ihr euch nicht vorstellen. Apropos Hölle: Himmel und Hölle haben Ellas und meine Familien in Bewegung gesetzt um sie zu finden. Doch es war wie die berüchtigte Suche nach der Nadel im Heuhaufen, nur tausendmal schlimmer.

Und dann steht sie plötzlich vor der Tür, gerade so, als wäre sie nur eben mal kurz zum Getränkemarkt um die Ecke gegangen und außer einer langen Schlange vor der Kasse wäre nichts gewesen. Ich dachte, mich trifft der Schlag.

Fehlte nur noch die extragroße Chipstüte als Trostpflaster. Aber was rede ich da? So ganz ohne leere Hände ist Ella dann doch nicht zurückgekommen. Wedelte mir mit einem dicken Klunker vor der Nase herum und zeigte mir auf ihrem Smartphone Bilder von dem Glücklichen, den sie sich in Australien geangelt hat. Am Bondi Beach, um genau zu sein. Wie passend, war mein Gedanke, als ich mich entgeistert durch Ellas Bildergalerie hindurch arbeitete, kaum dass ich mich von dem Schrecken halbwegs erholt hatte, denn schon allein vom Äußeren her fiel dieser Typ Surferboy genau in ihr bevorzugtes Schema. Als ob es nur auf die Optik ankäme.

Denn wenn es eines gibt, das ich nicht verstehe, dann warum sich Mr. Surferboy überhaupt erst auf diesen Deal eingelassen hat; abgesehen davon, was Ella geritten hat, als sie sich in den Kopf gesetzt hat, sich für diese mehr als fragwürdige Show zu bewerben. Sagt mal, Leute, geht's noch? Die wahre Liebe gegen den schnöden Mammon auszuspielen – wer auch immer bei diesem Sender diesem Konzept das grüne Licht gegeben hat, muss von allen guten Geistern verlassen worden sein.

Smile – siehst du es auch? Natürlich nicht. Anscheinend bin ich die einzige, für die das Zahnpastalächeln des Quizmasters dem Grinsen des Jokers immer ähnlicher wird. Batmans Gegenspieler würde sich wie ein kleines Kind darüber freuen, dass Ella tatsächlich auf das schleimige Getue des Moderators hereinfällt und Tür Eins und Zwei links liegen lässt, um sich der dritten Tür zuzuwenden.

Das kann nur böse enden.

„Sind Sie sich auch ganz sicher?"

Wären wir bei „Wer wird Millionär", würde ich jetzt zögern und meine Antwort noch einmal überdenken. Aber nicht ich stehe dort unten, sondern Ella, und so kann ich nur noch beten, dass ihr „Ja" eventuell doch nicht zum befürchteten Ergebnis führt.

Doch da die Hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt, sinkt mein Herz im gleichen Maß wie die Tür, die langsam nach oben gefahren wird. Bis das Grauen, an das ich bis zum Schluss nicht glauben wollte, in seiner ganzen Gestalt höhnend vor dem ganzen Studio steht.

Es ist der Trostpreis.

Nicht 100 Meter ausgedienter Jägerzaun. Nicht 1000 ausgebrannte Glühbirnen. Nein, vor uns steht eine riesige, wie ein Pilz aus dem Boden gewachsene knallrote Ratte und dreht uns allen eine lange Nase. Ja, das Grauen hat einen Namen.

Es ist der Zonk.



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