Kapitel 7

Wenn das normal war, nun, dann war ich es bestimmt nicht. Es war meine erste Woche und mein drittes Mal, dass ich Svea in Aktion erlebte. Die Ohrenstöpsel halfen nur bedingt. Ich hatte mich inzwischen an das Leben hier gewöhnt. Der Campingplatz war mir einigermaßen vertraut und ich hatte auch schon ein paar andere kennengelernt, die hier arbeiteten, im anderen Team. Sie waren alle auf dem Platz angestellt, aber dank Sveas Talent, neue Menschen kennenzulernen, waren wir zumindest hier in unserer kleinen Zeltstadt ein Teil der großen Gemeinschaft. Es war wie in einem kleinen Dorf. Man sah sich morgens auf dem Weg zur Dusche, man winkte sich abends einen Gruß zu, wenn man in der warmen Luft vor dem Zelt saß. Nun, tatsächlich waren es abends nicht allzu viele. Die meisten hatten Doppeljobs, arbeiteten abends noch in der Animation mit oder waren sonst wie in den Shows beschäftigt, die hier jeden Abend zur Unterhaltung der Gäste angeboten wurden.
Dieser Platz, das musste ich zugeben, verdiente seine fünf Sterne. Die Anlage war groß, richtig groß, aber durch die Unterteilung in einzelne Bereiche war es keine einfache Ansammlung von Bungalows. Jeder Bereich hatte seinen eigenen Namen und seinen eigenen Look. Im Palmengarten gab es unzählige alte, mächtige Palmen und apfelgrüne Häuschen. Im Sternengarten waren wunderschöne sternförmige Laternen als Wegweiser und die blauen Wohncontainer waren mit Sternen verziert, auf denen die Nummern standen. Im Sonnengarten leuchteten die Mobile Homes in einem strahlenden Gelb. Im Lavendelgarten säumten kleine Rabatten die Wege und ich mochte die Idee, lilafarbene Häuschen mit rosaroten Vorhängen zu vermieten. Es gab Bereiche, in denen die Behausungen auf Stelzen standen und bis zur Haustür Sand hatten, als stünden sie direkt am Strand. Es gab ein Viertel, in dem die Containerhäuser noch prächtiger waren, edle Loungemöbel auf den Terrassen standen, Hängesessel zum Hinsetzen einluden und jedes einen kleinen, knöchelhohen Wasserbereich hatte, der im Sonnenlicht glitzerte. Jeder Bereich hatte seinen Look, seinen Namen, und zusammen ergab es ein harmonisches Bild. Für jede Art von Mensch war etwas dabei.
Am allerschönsten fand ich aber den Bougainvillea-Garten. Nicht nur die prächtigen Pflanzen, die in allen Schattierungen von Weiß bis hin zu einem kräftigen Pink leuchteten, oder die passenden Mobile Homes in allen erdenklichen Farben zwischen rosé und fast lila, sondern auch seine Lage, ganz vorne, direkt am Strand mit Blick auf das Meer hatte es mir angetan. Es war so farbenfroh, so wunderschön, dass ich oft eine kleine Runde durch dieses Viertel drehte, nur um mich an seiner Schönheit zu erfreuen. Dagegen fielen unsere Behausungen deutlich ab. Wir hatten viel weniger Farben. Unsere Mobile Homes waren weiß mit einem orangefarbenen Streifen an der Seite. Bei uns gab es ebenfalls Palmen und Hecken, aber es wirkte nicht so gut wie in den anderen Bereichen. Wenn ich ehrlich war, dann hatten wir den hässlichsten Bereich auf dem ganzen Platz, auch wenn hässlich hier nicht wirklich zutraf. Alles in dieser Anlage war sehr gut gepflegt. Den Hauptweg säumten große, illuminierte Blumenkübel mit prächtigen Pflanzen. Er führte fast gerade von der Rezeption zum Strand, und hier war immer etwas los, Tag und Nacht, es war sozusagen die hauseigene Flaniermeile. Davon zweigten all die anderen Wege ab, die zu den hinteren Teilen führten. Auch sie waren immer gut ausgeleuchtet und sauber. Lichterketten, welche ich liebte, auf dem Hauptweg sorgten für zusätzliches sanftes Licht. Die sanitären Anlagen waren nicht alle neu, aber in sehr gutem Zustand und stets sauber. Es gab genug davon über den ganzen Platz verteilt und sie wurden nicht nur stundenweise geöffnet, wie das auf den billigen Campingplätzen manchmal der Fall ist. Der Strand wurde jeden Morgen gereinigt und geglättet. Man spürte, dass diese Anlage mit sehr viel Liebe gepflegt wurde.

Svea nebenan kam endlich zur Ruhe und auch ich fiel schließlich in einen tiefen Schlaf. Ich konnte mich mit dem einfachen Leben hier arrangieren, ob ich mich allerdings jemals daran gewöhnte, sie in Aktion zu erleben, wusste ich nicht. ,,Mira, Haus 213 braucht dich. " Simon erwartete mich, als ich am späten Mittag ins Home kam. ,,Und schau bitte auch bei der 201 vorbei. Der Boiler. " Ich seufzte. Der Boiler in 201 war mir inzwischen recht gut vertraut. Er hatte eine Macke, definitiv, und setzte regelmäßig aus. ,,Können wir nicht mal einen Handwerker kommen lassen? Der das Ding richtig repariert?" ,,Nein. Der ist ja auch nicht kaputt. Nicht in dem Sinn. " Klar, nicht in dem Sinn. Aber wir mussten ziemlich genau alle zehn Tage dort auflaufen, ein wenig an den Anschlüssen wackeln, dreimal gegen ihn schlagen, um ihn wieder zum Laufen zu bringen. ,,Simon, das geht nicht. Wenn wir die Anschlüsse abreißen? Wenn das Hämmern mal nicht mehr hilft? Bitte, es kann doch nicht so schwer sein, jemanden zu finden, der das repariert. Und das kostet nicht die Welt. " Er sah mich einen Augenblick an, als wolle er mich zusammenstauchen, dann nickte er langsam. ,,Ich werde mich umsehen. "

Ich kümmerte mich erst um den Boiler. Die übliche Behandlung nützte nichts und ich bekam leichte Panik. Waren wir schon so weit, dass es nicht mehr zu reparieren war, zumindest mit den rudimentären Methoden, die uns zur Verfügung standen? Dann kam mir eine Idee und ich sah nach der Gaskartusche. Leer. Nun, das war auch eine Möglichkeit, weshalb es kein warmes Wasser gab. Ich sauste also zurück, holte eine neue und tauschte sie aus. Dann versuchte ich es wieder. Wunderbar warmes Wasser kam aus der Leitung. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich deutlich länger gebraucht hatte als erwartet. Eigentlich hatte ich bereits Feierabend, aber ich musste erst noch bei den Bewohnern von Haus 213 vorbeischauen.

,,Hallo? " Ich klopfte und trat vorsichtig ein. ,,Hallo. Sind Sie die junge Dame, die sich mit Medizin auskennt?" ,,Nun ja, ein wenig. Was haben Sie denn für Probleme? " Die kleine ältere Dame vor mir sah einen Moment verlegen zur Seite. ,,Es geht um meinen Mann. " Die Bewohner dieses Hauses waren ein englisches Ehepaar, Rentner, die sich drei Wochen eingemietet hatten. Sie waren seit drei Tagen hier und bisher unauffällig gewesen. Man musste nicht mit ihnen sprechen, um zu wissen, dass sie von der Insel kamen. Ihre helle Haut und das rötliche Haar des Mannes deuteten ihre Herkunft an. ,,Was ist denn mit Ihrem Mann? " Ich sah mich um. Die Klimaanlage lief auf der höchsten Stufe und es war fast kalt hier drin. Alle Sonnenschutzrollos waren heruntergezogen und Dämmerlicht herrschte in allen Räumen. Auch hinter mir hatte die Dame gleich die Tür geschlossen und den Vorhang vorgezogen. Es war ein seltsames Gefühl und ich spürte leichtes Unwohlsein.

,,Er ist hier. Er war heute wohl zu lange in der Sonne. Wir sind eingeschlafen. " Ich trat in das kleine Schlafzimmer, in das mich ihre Hand wies. Ihr Mann lag auf dem Bett, mit geschlossenen Augen, eine leichte Decke bis zum Kinn hochgezogen. ,,Ist Ihnen schlecht? Schwindelig? " Ich trat vorsichtig neben das Bett und sah hinab. Die Temperaturen waren deutlich angestiegen in den letzten Tagen und ich konnte nicht ausschließen, dass sich der alte Mann einen Sonnenstich geholt hatte. ,,Die Köpfe hatten wir unter dem Sonnenschirm. Da unten habe ich Probleme. " Seine Hand deutete vage auf seinen Körper. ,,Okay. " Ich sah bereits, wo das Problem war. Das Tuch war ein wenig herabgerutscht durch die Bewegung und seine Brust leuchtete rot. »Haben Sie den Sonnenschutz vergessen?« Ich sah ihn mitleidig an. ,,Ich bin eingeschlafen und meine Grace mit mir. Aber sie hat keine so empfindliche Haut wie ich." ,,Okay. Sie müssen in den nächsten Tagen aus der Sonne bleiben. Haben Sie eine Creme? " Ich wandte mich der Frau, Grace, zu. ,,Sie sollten da was draufmachen. Quarkwickel sind gut, das zieht die Hitze aus der Haut. Vorne, um Supermarkt, können Sie welchen holen." ,,Oh, guter Rat. Und diesen Quark kann ich überall hinmachen?" ,,Klar. Ich würde allerdings dazu raten, etwas unterzulegen, um das Bettzeug zu schützen." ,,Oh, gute Idee." ,,Sieht der Rest genauso aus? Keine großen Blasen oder so?" ,,Nun, so ähnlich, aber vielleicht werfen Sie mal einen Blick darauf?" Ihre Stimme klang vorsichtig und flehend. ,,Ich bin keine Ärztin ..." ,,Aber wenn Sie dennoch mal eben nachsehen könnten. Mein George meint, das würde ganz arg wehtun und ich bin nicht wirklich gut in so was. " Ich seufzte. ,,Zeigen Sie mal, George. "

Mit Schwung zog Grace die Decke zurück. Ich trat einen Schritt nach hinten, versuchte es zumindest, aber die Wand war im Weg. Grace hatte George nicht einfach ein Stückchen weiter aufgedeckt, sondern die Decke ganz weggezogen. Ein verbrannter roter Körper leuchtete mir entgegen. Rote Brust, roter Bauch, rote Beine. Und ein schrecklich verbrannter Penis. ,,Wir waren drüben, Sie wissen, im Nachbarort. Die haben einen FKK-Strand und wir wollten das mal wieder machen." ,,Das .. ja … Oh Mann, das sieht schmerzhaft aus."
Ich blickte stur auf seine Brust, obwohl ich wusste, dass ich den Anblick nie mehr vergessen würde. ,,Tut schon etwas weh." Georges Stimme klang kleinlaut. ,,Also, da auch den Quark drauf?" ,,Ja. Nein. Ich meine, vielleicht sollten Sie das doch einem Arzt zeigen?" ,,Das wäre mir zu peinlich. " George schnaubte.

Ich fragte mich, weshalb es ihm weniger peinlich war, dass ich mir das ansah. ,,Ich meine, so ein studierter Herr, der muss ja denken, ich bin dumm, mein bestes Stück ungeschützt in die Sonne zu hängen. " Ah. Und ich war nur eine dumme kleine Aushilfskraft, die das nicht dachte? Mein Mitgefühl schwächte sich einen Moment ab. ,,Und Sie sind außerdem netter, als es jeder Arzt sein könnte." Er richtete sich etwas auf und zog umständlich wieder das Laken zurück, das seine Frau so schwungvoll entfernt hatte. Ich atmete auf. ,,Dann gehe ich mal eben Quark holen und werde dich damit einschmieren. Ganz vorsichtig, mein Lieber, damit nichts passiert, was die Schmerzen noch vergrößert. " George grinste und ich floh hinter Grace aus dem Häuschen. Bloß nicht dran denken. ,,Danke, dass Sie sich Zeit genommen haben. Das war sehr nett." Ich lächelte schwach. ,,Dafür sind wir ja da. "

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