Kapitel 5
Ich stand früh auf, schlich mich so leise wie möglich aus dem Zelt und ging duschen. Anschließend machte ich mich direkt auf den Weg zum kleinen Supermarkt, um Oleg zu seinem täglichen Morgengeschäft zu zwingen und holte Brötchen, einen Kaffee to go und dem Himmel sei Dank, auch Schmelzkäse. Als ich zum Zelt zurückkam, war noch alles still und ich setzte mich in den kühlen Morgen und genoss mehr oder weniger mein Frühstück. Was für eine Nacht! Was für ein Einstand! Wie eine Bekloppte hatte ich mich aufgeführt und ich fürchtete mich bereits die ganze Zeit davor, wieder auf Svea zu treffen. Ihr war das Ganze offensichtlich weit weniger peinlich als mir.
Nach meinem schamvollen Auftritt war ich noch nicht wieder im Bett, als sie so richtig loslegte. ,,Ja, da. Mach weiter. " Ich hatte mir das Kissen über den Kopf gezogen, beide Hände auf die Ohren gepresst und versucht, an etwas anderes zu denken. Aber alles, was mir in den Sinn kam, war, dass sie es schaffte, selbst in diesem Moment französisch zu sprechen, obwohl es nicht ihre Muttersprache war. Und dass Svea ziemlich direkt war. Und, verdammt, warum es den beiden so gar nicht peinlich war, dass ich hier nebenan lag, während ich mich fühlte, als blickte ich durch unerlaubte Schlüssellöcher.
,,Guten Morgen. " Ich fuhr herum. Mein Blick war starr auf den Zelteingang gerichtet gewesen, um mitzubekommen, wenn die beiden sich rührten. Doch offensichtlich hatte meine Mitbewohnerin sich während meines Einkaufs schon aus dem Bett geschwungen und war duschen gegangen. Svea ließ sich auf einen der mit Tau benetzten Stühle fallen, die nassen Haare hingen ihr um das Gesicht. ,,Oh, Kaffee. Du bist ein Schatz. Aber du weißt, dass wir hier eine tolle Maschine haben. Kleiner Gruß von Sarina." ,,Ja, aber ich wollte nicht … ich dachte", ich brach ab. Ich wollte keinen Lärm machen, sie nicht wecken. Auch wenn sie heute Nacht weit weniger rücksichtsvoll gewesen waren.
,,Dir ist es peinlich." Sie musterte mich kurz und mit einem feinen Lächeln im Gesicht. Dann griff sie nach einem Brötchen und lehnte sich entspannt zurück. ,,Mir nicht. Ist doch was ganz Natürliches. Und hier gibt es eben nicht viel Raum zum Ausweichen." ,,Klar. Nein, kein Problem. Ich wollte nicht … es tut mir leid." ,,Du wolltest mich retten. Finde ich süß. Bist nicht die Erste. Ich kann nichts dafür, dieses Wimmern, das kommt einfach. Vielleicht sollte ich beim Kennenlernen einfach darauf hinweisen: Hallo, ich bin Svea, und wenn du mich wimmern hörst, mach dir keine Sorgen, ich steh dann nur kurz davor, zu kommen. Die Leute um uns herum wissen Bescheid. " Sie wies lässig zu den Zelten zu beiden Seiten von unserem. ,,Learning by doing. Anfangs haben die auch gefragt, ob ich in Schwierigkeiten stecken würde. " Sie griff nach dem nächsten Croissant.
,,Wo ist denn dein Freund? " Ich versuchte, ebenso lässig zu sein wie sie. ,,Karl? Weg. Er reist heute ab." ,,Oh." Svea grinste. ,,Kein Problem. Es gibt genug knusprigen Nachschub hier. Also, was denkst du? Werden wir es miteinander aushalten? " Ich nickte langsam und nahm mir vor, heute Abend die Ohrstöpsel bereitzulegen.Magnolia
Und dann schmiss ich mich zum ersten Mal in meine neue, gelb-orangene Dienstkleidung und machte mich mit meiner Kollegin und Oleg neben mir auf den Weg. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl in den Klamotten, doch ich ließ mir versichern, dass ich ›scharf‹ darin aussehen würde. ,,Du hast genau die richtige Figur für den Schnitt. Ich bin zu breit im Becken, aber bei dir passt es. Dafür sitzt mein Shirt besser. " Sie sah an sich herab. Ihr Shirt saß eng und betonte ihren Busen recht eindeutig. Meines war lockerer, allerdings hatte ich auch nicht so viel zu bieten wie sie. Ich bin eher der zierliche Typ, schmal in den Hüften und recht flach obenrum. Ich wäre gerne ein wenig größer gewesen und seit ich mit Erik zusammen war, auch gerne besser ausgestattet, aber eigentlich mochte ich meine Figur. Sie passte zu mir, zu meiner Vorliebe für das Tanzen und überhaupt. Svea jedoch war eine Frau, eine von der Sorte, bei der man sich ein Ausrufezeichen dachte. Groß, kräftig und sehr weiblich gebaut. ,,Und dieses Gelb passt gut zu deinen braunen Haaren. Warte ab, wenn du ein bisschen Farbe bekommen hast, siehst du zum Anbeißen aus darin. Du könntest glatt als süße kleine Griechin durchgehen mit deiner Figur und diesen riesigen Kulleraugen und dem Mund. Du hast tolle Lippen, weißt du das? Süße griechische Knutsch-Lippen." Da war ich mir nicht so sicher. In meinem Kopf waren Griechinnen elegante kleine Frauen, die immer gut gestylt und perfekt frisiert waren. Und sich nicht die noch feuchten Haare zu einem hohen Dutt zusammengezwirbelt hatten, weil es praktischer war, als sich ständig die tropfenden Strähnen über die Schulter zu werfen oder gar in aller Frühe den Föhn auszupacken.
Und dann waren wir da und trafen auf Magnolia, Irina und Simon, die schon die Köpfe über dem Tagesplan zusammensteckten. ,,Vier Abreisen heute, drei Neuankünfte. Ihr beide arbeitet zusammen. Zeig ihr, wo die Putzwagen sind und worauf es ankommt. Geht der Hund auch mit? " Mürrisch begutachtete er Oleg mit einem Naserümpfen. ,,Ja, am Telefon hieß es, er würde kein Problem darstellen. Er hört sich prima auf alle Befehle. ", sagte ich in der Hoffnung, Simon würde mich wenigstens ein bisschen sympathisch finden. Fehlanzeige. Er runzelte die Stirn und blickte, mich ignorierend, auf den Terminplan, um Irina ihre Aufgaben zu zeigen.
Im Hotel wäre das, was die Angestellten hier als >ordentlich< bezeichneten, ein absolutes No-Go gewesen. In dem Schuppen, wo die Putzsachen aufbewahrt wurden, gab es kleine Wagen aus einer Art Gitterdraht mit einer langen Stange, an der man sie hinter sich herziehen konnte. Damit zuckelte man los. Wenn ein Gast abgereist war, hängte er ein Schild an die Tür. Das war unser Zeichen, und dann begannen wir mit der Arbeit. Oder dem, was wir darunter verstanden. Ich bemerkte schnell, dass unsere Auffassungen vom Putzen nämlich etwas auseinandergingen.
,,Was machst du denn da?" Meine Kollegin sah mich interessiert an. ,,Ich putze." ,,Im Besenschrank?" ,,Äh, ja." ,,Hör mal, wir haben echt viel zu tun. Und es wird noch schlimmer, es geht gerade erst los. Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren, das, was man sieht." ,,Das sieht man auch. Jeder macht diese Tür auf." ,,Schon. Aber es reicht, den Sand rauszufegen. Wenn da wirklich Dreck ist, dann putzen wir den natürlich weg. Aber der ist doch sauber. Da schauen wir rein, denken ›gut‹, machen wieder zu. " Ich sah sie nachdenklich an. Sie hatte so auch schon mit den Küchenschubladen verfahren. Aufgezogen, reingesehen, gut. ,,Das ist kein Luxushotel. Entspann dich."
Sie schaltete das Radio ein und begann, fröhlich mit den Hüften zu wackeln, während sie das Kinderzimmer in Angriff nahm. Ich versuchte es, aber ich konnte das nicht. Man hatte mir beigebracht, dass es so nicht ging. Da ich jedoch deutlich schneller war als sie, merkte sie nicht, dass ich im Elternschlafzimmer ebenfalls die Schränke ausgewischt hatte und es sogar schaffte, unter dem Bett zu wischen. Und das ist gar keine leichte Sache. Diese Mobile Homes waren nicht gerade geräumig und um unter das Bett zu kommen, musste man sich flach auf den Boden legen. Man konnte es nicht verschieben, weil es dazu keinen Platz gab. Und man konnte nicht im Stehen den Wischmopp drunterschieben, weil die Wand im Weg war. Ich fragte mich, wie sie das im Kinderzimmer machte, das noch enger war. Wahrscheinlich gar nicht.
,,Wenn wir schon nicht druntersehen können, können das die Gäste auch nicht. Ich versuche es, doch was nicht geht, geht nicht. Aber ich klappe immer die Matratzen hoch, um mich zu vergewissern. Ich hatte mal eine, die hat sich bei Simon beschwert, ich hätte nicht gründlich geputzt. Es war stressig, und ja, ich hatte keine Zeit mehr. Auf alle Fälle lagen unter dem Bett noch ein Paar Socken der Vorbewohner. Seither bin ich da sehr gründlich." Sie klappte eine Matratze hoch, schaute sich um und legte sie zurück. ,,Perfekt. Nichts da. " Ich nahm mir vor, in Zukunft einfach immer die Zimmer mit ihr zu tauschen. Dann würde wenigstens im Zwei-Bewohner-Rhythmus gründlich sauber gemacht werden. Ansonsten war es toll, ein Team mit ihr zu sein. Sie war fröhlich und so langsam hatte ich mich an ihre leicht einschüchternde Art gewöhnt. Wir funktionierten gut zusammen und ich hatte ausreichend Erfahrung, um zu wissen, dass das keine Selbstverständlichkeit war. Als wir zu unserem Rezeptionsbungalow, den sie einfach ›Home‹ nannte, zurückkamen, war niemand da. Dafür lag ein Zettel auf dem Tisch. Haus 222 wünschte sich einen Grill. Ich bekam also gezeigt, wo wir das Lager hatten. Grills, Stühle, Sonnenschirme, alles Mögliche war hier in diesem kleinen Raum untergebracht. ,,Wenn du was brauchst, ist alles hier. Oder sollte es sein. Das Regal ist für das Küchenzeugs. Töpfe und so. " Sie zeigte auf die beschrifteten Kartons. ,,Hier sind Glühbirnen und all so was. Den Rest siehst du ja. Im Moment ist es noch voll, aber das wird sich leeren. Und vergiss nicht, wenn du was hierherbringst, das defekt ist, einen Zettel dranzukleben." Sie deutete auf einen Block mit Haftnotizen und einen Stift, beides neben der Tür an der Wand befestigt. ,,Besonders bei den Stühlen."
Wir stellten den Grill vor Haus 222 ab, grüßten die Gäste, die sich auf ihren Terrassen aufhielten, beantworteten Fragen, die uns gestellt wurden. Ich merkte, wie ich begann, das alles zu genießen. Oleg sprang dauernd um mich herum und wenn er sich mal entfernte, kam er trotz allem immer wieder zurück. Es war war ein schöner Tag, warm, und um uns herum entspannte Menschen, die sich gut erholten. Im Hotel hatten wir oft gestresste Geschäftskunden gehabt, die ihren schlechten Tag an uns weitergaben. Hier war es umgekehrt. Die Menschen gaben ihre gute Zeit an uns weiter.
,,Mach dir keine Hoffnungen, das bleibt nicht so." Svea hob einen Schwimmreif auf, einen dieser riesengroßen, knallpinken in Form eines Flamingos, und legte ihn auf die Liege zurück. ,,Nicht alle hier sind gut gelaunt. Für manche ist der Urlaub echt eine schwierige Zeit. Aber jetzt machen wir erst mal Pause."
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