Chapter 7

„Warum will er eigentlich, dass alle glauben, wir wären seine Kinder?“, frage ich und stelle damit die Frage, die mir schon die ganze Zeit im Kopf herumgeistert.

„Das fragt Ihr ihn am besten selber. Liz.“ Er bleibt vor einer großen braunen Holztür stehen und öffnet sie für mich. Ich trete in den großen Raum, der durch die vielen Fenster Lichtdurchflutet ist.

Finja ist schon da, sie lehnt in einem Kleid, welches meinem verdächtig ähnlich sieht an einem der Fenster und starrt mürrisch vor sich hin. Der reiche Mann ist auch schon da und kommt begeistert auf mich zu.

„Du siehst wirklich gut aus …“, fängt er an, doch ich unterbreche ihn.

„Sagen Sie nichts über das Kleid. Und was wollen Sie jetzt von uns?“

Er verzieht das Gesicht und dreht sich dann so, dass auch Finja ihn gut sehen kann.

„Damit ihr von allen als meine Töchter gehalten werdet, müsst ihr euch dementsprechend benehmen. Das üben wir hier.“

„Und warum sollen die Leute uns als … mit Ihnen in Verbindung bringen?“, fragt Finja und zupft ärgerlich an ihrem Kragen.

„Ihr seid meine Bodyguards. Bei Teeveranstaltungen und Abendessen. Da dürfen meine anderen leider nicht mit rein, und jetzt wird geübt!“

Ich sehe ihn nur skeptisch an, dann verdrehe ich die Augen und schlender zu Finja hinüber.

Gelassen lehne ich mich neben sie und beobachte, wie der Mann noch schnell etwas mit einem Bediensteten bespricht.

„Der Typ hat sie nicht mehr alle“, sage ich dann und sehe Finja von der Seite an. Sie macht sich noch nicht mal die Mühe mich anzusehen, doch ihr Blick verändert sich. Ich habe wieder das Gefühl, dass Hass darin zu sehen ist.

Ich seufze leise. Warum mag sie mich denn nicht? Habe ich was falsch gemacht?

„Wie lange bist du in dem Heim gewesen?“, frage ich , bereue es jedoch sofort. Ihre Augen verengen sich und sie sieht auf den Fußboden.

„Ich … ich bin da ja mal entkommen. Durch die Küche, beim Mittagessen. Dann bin ich durch die Stadt geirrt, ich dachte schon, ich schaff es nicht mehr, als ich …“ Ich verstumme. Finja scheint überhaupt kein Interesse zu zeigen. Langsam reicht es mir. Sie könnte ja auch mal versuchen nett zu sein.

Leicht schmollend verschränke ich die Arme vor der Brust. Dann halt eben nicht!

„So, Schluss mit dem Plaudern!“ Der Mann kommt auf uns zu und klatscht in die Hände. Finja und ich sehen ihn an, reagieren jedoch sonst nicht.

„Also wirklich! Jetzt seht erst mal eure Haltung an. Die ist ja scheußlich, stellt euch gerade hin und lehnt euch nicht so … seltsam an die Wand!“ Er rümpft die Nase. Mürrisch stoße ich von der Wand und stelle mich aufrecht hin. Finja wirft mir einen ganz kurzen Blick zu und ahmt meine Haltung dann nach.

Ich will ihr gerade ein aufmunterndes Lächeln schenken, als der Typ mich festhält und verzweifelt den Kopf schüttelt.

„Ich hätte wirklich nicht so viel für euch zahlen dürfen! Diese Manieren sind ja unter aller Sau. Wenn du dich zu jemandem umdrehst, drehst du den ganzen Oberkörper mit, ja?“ Unsanft drückt er mich in Finjas Richtung.

Leise fluchend befreie ich mich aus seinem Griff und sehe ihn wütend an.

„Ich kann …“

„Hör auf zu reden und mach!“

Mit knirschenden Zähnen drehe ich meinen ganzen Oberkörper zu Finja um und lächel ausgesprochen griesgrämig.

„Gut. Obwohl wir das noch mal wiederholen müssen. Besonders was das Lächeln angeht. Aber das wichtigste ist der Name. Damit ihr auch wisst, wie ihr euch vorstellen müsst.“ Er sieht uns zufrieden an.

„Mein Name ist Fernando-Campillo-Moralez. Verstanden?“

Plötzlich muss ich kichern. Kein Wunder, dass Frau Kingston vermieden hatte, ihn beim Namen zu nennen.

„Ist das der Vor – oder Nachname?“, frage ich stattdessen, immer noch ein Grinsen auf dem Gesicht.

„Mein Nachname und ab heute auch eurer. Und jetzt sagt euren Namen.“

„Finja Fernando Campillo Moralez“, rattert Finja hinunter und zuckt mit den Schultern, als ich ihr einen überraschten Blick zuwerfe.

„Gut. Nur mit ein bisschen mehr Gefühl in der Stimme bitte. Wir sind hier nicht auf einer Beerdigung. Aber Finja. Am liebsten würde ich diesen Namen ändern, da hatte Frau Kingston schon recht. Nun gut.“

Ich merke, wie Finja die Hände zu Fäusten ballt.

„Jetzt du“, sagt er und sein Blick ruht auf mir. Entsetzt sehe ich ihn an. Ähm, wie war der noch mal?

„Liz F..“, fange ich an, doch er unterbricht mich sofort.

„Dein richtiger Name!“

„Liz.“

„Willst du das ich sauer werde?“

„Nein, wieso?“

„Mädchen! Dein richtiger Name! Elizabeth.“

„Ich hasse diesen Namen, außerdem ist das nicht mein richtiger“, beschwere ich mich, doch er holt drohend mit der Hand aus. Ich zucke zusammen und verenge meine Augen.

„Elizabeth Fernado … irgendwas mit C und Moralez.“

Finja kichert leise und auch ich fange wieder an zu grinsen.

„Elizabeth Fernando Campillo Moralez! So schwer ist das doch nicht“, der verschränkt die Arme vor der Brust.

„Wie sollen wir Sie eigentlich nennen?“, werfe ich ein. Wo wir doch gerade bei der Namensgeschichte sind.

„Sir Fernando Campillo Moralez.“

Ich glaube ich nehme nur Moralez, denke ich und nicke.

„Also, noch mal deinen Namen.“

„Eli… ich denke, ich fange bei meinem Nachnamen an“, füge ich hinzu und räusper mich. „Fernado, Camplo Moralez! Ha!“

Moralez sieht mich mit einem vernichtenden Blick an, Finja lacht immer lauter.

„Was denn?“

„Hör auf dich so anzustellen!“ Er packt mich grob an der Schulter. „Fernando.“

„Fernando.“

„Campillo.“

„Camprillo.“

„Campillo! Langsam treibst du mich in den Wahnsinn!“

„Campillo.“

„Moralez. Und jetzt alle hintereinander.“

„Ähm, Fernando Campillo Moralez! Stimmt doch, oder?“

Finja klopft mir auf die Schulter, sie lacht immer noch. „Irgendwas mit C!“ Sie grinst breit, doch plötzlich versteift sie sich und hört auf zu lachen. Leicht beschämt sieht sie zur Seite.

„Gut.“ Der Mann wirft mir einen tödlichen Blick zu. „Ich hoffe das merkst du dir.“

Ich nicke schnell und versuche beruhigend zu lächeln, was aber grandios schief geht, als ich mich versuche zu erinnern ob es jetzt Campillo oder Camprillo heißt. Mit so Monsternamen hatte ich es noch nie.

„Die nächste Übung.“ Moralez wirft einen kurzen Blick auf die Uhr und sein Blick verfinstert sich. „Der Flug geht in drei Stunden. Also macht mal ein bisschen hin!“

„Welcher Flug?“, frage ich plötzlich alarmiert und sehe ihm in die Augen.

„Der nach Brasilien, aber das tut im Moment nichts zur Sache.“
„Nach Brasilien? Sie wollen uns mit nach Brasilien nehmen? Haben Sie sie noch alle?“, brülle ich und starre ihn entgeistert an.

„Hör auf, mich anzuschreien“, sagt er mit einem gefährlichen Ton. „Ihr gehört mir, schon vergessen? Und ich nehme euch dahin mit, wo ich will!“

Meine Knie drohen nachzugeben. Brasilien. Das kann einfach nicht sein. Wie sollen Mate und Nico mich da finden. Vor allem, woher sollen sie wissen, dass ich in Brasilien bin?

Plötzlich trifft mich eine Hand im Gesicht und holt mich sofort in die Realität zurück.

Ich reiße die Augen auf und merke, dass ich auf dem Fußboden sitze und mir die Wange halte.

„Los, steh auf, wir sind noch nicht fertig!“ Moralez zieht mich brutal auf die Füße. „Und nur so schon mal im voraus: Ich kann sehr nett sein, und wir können eine schöne Zeit haben, wenn ihr euch benehmt.“ Dabei sieht er auch Finja an. „Wenn ihr euch aber weiterhin anstellt, oder irgendetwas anderes dummes macht, bekommt ihr Ärger, und zwar gewaltigen“, erklärt er mit eisiger Stimme.

Er lässt mich los, ich taumel leicht, doch richte mich sofort wieder auf.

„Zweite Übung: Laufen und sitzen. So wie ihr immer rumlümmelt hält man euch höchstens für ein paar Straßenkinder!“

Ärgerlich verschränke ich die Arme vor der Brust, löse sie jedoch sofort wieder, als mir bewusst wird, wie oft ich das jetzt schon in letzter Zeit gemacht habe.

„Also, probiert es mal. Herrschaftlich laufen, schließlich seid ihr die Kinder eines reichen Herren.“

Ich erinnere mich, wie Mate und ich die Filme gesehen hatten, wo die Frauen riesige Kleider trugen und immer durch die Gegend schwebten. Danach waren wir immer so albern durch die Wohnung gelaufen und hatten adlige Leute gespielt. Mate war darin sehr gut gewesen und hatte mich teilweise den ganzen Nachmittag die Treppe rauf und runter geführt, bis irgendwann Nico auftauchte, mich über seine Schulter warf und in den Garten schleppte, um mit mir vernünftiges zeug, wie er es nannte, zu üben.

Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als ich daran denke, ich stelle mich gerade hin und rausche albern davon.

Die Arme erhoben, die Hände abgeknickt, den Kopf hoch erhoben, dass ich die Decke sehen kann. Meine Füße berühren nicht ganz den Boden, als ich eine Kurve laufe, und zu einer Finja, die sich beide Hände auf den Mund gepresst hat, um nicht zu lachen und dem zufrieden aussehenden Mann zurück komme.

Vor ihm bleibe ich stehen und fange auch an zu grinsen. Das hat bestimmt ziemlich dämlich ausgesehen, doch Moralez ist begeistert.

„Super, nur die Hände kannst du runter nehmen. Los, Finja!“

Sie wirft erst ihm, dann mir einen skeptischen Blick zu, stellt sich dann auf ihre Zehenspitzen, legt den Kopf in den Nacken und wankt vorwärts.

„Nein, nein, nein! Das ist ja schrecklich, ihr seid wirklich nur den halben Preis wert! Elizabeth, zeig es ihr noch mal.“

„Vergessen Sie es! Sie sind nicht mal ein viertel von unserem Preis wert“, rutscht es mir raus.

Also schwebe ich erneut durch den Raum, Finja stolpert hinter mir her.

Plötzlich geht die Tür auf und ein Mann im schwarzen Anzug kommt herein geeilt.

„Sir, wir brauchen Sie für eine dringende Angelegenheit. Es ist sehr wichtig.“ Er wirft Moralez einen bedeutenden Blick zu, der darauf hin sofort nickt.

„Ok, übt zusammen weiter, ich bin so schnell ich kann wieder da!“ Damit rennt er fast aus dem Raum, verfolgt von dem anderen Mann. Einen Moment später sind wir allein.

Es ist still. Etwas unsicher drehe ich mich zu Finja um und stelle mich wieder gerade hin.

„Sag mal, warum kannst du das so gut?“, fragt sie leise und sieht mich an.

Ich erzähle ihr von den Filmen, die ich und Mate gesehen haben, und wie die Leute dort immer gelaufen waren.

Sie lächelt ganz leicht. „Cool!“

Dann versucht sie wieder so zu laufen, doch bei ihr sieht es eher wie ein Wanken aus.

„Versuch mal langsamer zu gehen“, ermunter ich sie und drücke ihren Kopf etwas nach unten.

Vorsichtig macht Finja ein paar Schritte und fängt an zu lächeln. „Geht das so?“

Ich schaue ihr zu, wie sie durch den Raum läuft und nicke. „Super.“

Erleichtert stellt sie sich wieder normal hin und kommt zu mir zurück.

„Hast du schon mal darüber nachgedacht, abzuhauen?“, frage ich behutsam und zupfe an meinem Ärmel herum.

Sie sieht mich an, und ich kann nicht sagen, was sie denkt.

Schließlich sagt sie leise: „Ja, aber auch wenn ich es schaffen könnte. Wohin soll ich denn gehen?“

„Du könntest mit mir kommen! Mate hat bestimmt nichts dagegen!“, sage ich begeistert.

Doch Finja sieht mich skeptisch an. „Wer ist denn … Mate?“

„Mate ist mein Vater! Er hat mich aufgenommen, als ich aus dem Waisenheim weggelaufen bin“, erzähle ich und setze mich auf den Fußboden.

Langsam setzt sie sich neben mich. „Einfach so? Ich meine, ohne etwas zurück haben zu wollen?“ Sie sieht irgendwie ungläubig aus.

„Japp. Er nicht.“ Im Gegensatz zu Nico. Ich lächel grimmig.

Nicht ganz überzeugt sieht sie mich an. „Wirklich?“

„Ja, wir finden bestimmt eine Lösung. Und Nico …“ Meine Stimme wird immer leiser und ich wuschel mir durch die Haare.

„Ja?“

„Ach, der wird sich damit auch abfinden. Wenn ich ihn drum bitte.“ Ich erinnere mich an das Disaster mit Cassy und muss schlucken.

„Aber ich will nicht bei irgend so einem Gangsterzeug mitmachen“, wirft Finja ein und zieht die Knie an.

Ups, denke ich und sehe verlegen auf den Boden.

„Wir schaffen das schon irgendwie“, murmel ich dann.

„Aber wir haben doch nicht mal mehr drei Stunden!“, wirft sie ein und sieht mich nachdenklich an.

Ich nicke langsam und denke nach. Wenn wir erstmal in Brasilien sind können wir es fast vergessen. Wir müssen es einfach vorher schaffen. Plötzlich fällt mir was ein.

„Sag mal …“, verlegen sehe ich erst sie, dann wieder den Boden an. „Warum warst du eigentlich vorher sauer auf mich?“

Finja schlägt die Augen nieder und seufzt leise.

„Schon ok, ich, ich wollte es nur wissen“, sage ich hastig und wünsche mir, nicht damit angefangen zu haben. Dabei hatten wir uns doch gerade so gut verstanden, musst du das alles wieder zunichte machen?

Keiner von uns sagt ein Wort. Sauer auf mich selbst sitze ich da und betrachte da Muster des Holzfußbodens.

„Du hast jemanden, der dich sucht. Jemanden der dich vermisst“, gesteht sie plötzlich leise. Überrascht sehe ich auf.

„Ich glaube … ich war eifersüchtig auf dich.“ Ihre Stimme ist so leise, dass ich sie kaum verstehen kann.

„Kopf hoch, irgendwie schaffen wir das!“ Ich berühre sie leicht an der Schulter, worauf sie den Kopf hebt.

„Freunde?“

„Freunde.“ Wir umarmen uns und ich spüre Erleichterung. Ich muss das ganze nicht alleine durchstehen. Finja ist bei mir. Wir sind immer hin zu zweit, und Nico und Mate sind auch nicht weit. Bestimmt.

„He, ihr solltet keine Freundschaftsbändchen knüpfen, sondern üben!“, reißt uns die Stimme von Moralez auseinander.

„Das Essen ist fertig, also kommt.“ Ungeduldig winkt er uns zu, wir springen auf und laufen zur Tür.

„Was sind Freundschaftsbändchen?“, flüstert mir Finja zu.

Entgeistert sehe ich sie an, bis mir einfällt, dass sie in dem Waisenheim wohl kaum welche gemacht haben. Nicht das ich je welche gemacht hätte, aber die Mädchen in meiner Klasse hatten sie mal während des Unterrichts gemacht und sich dann in der Pause geschenkt.

„Das sind Bänder die man flechten kann. Die schenkt man dann einer Freundin“, flüster ich zurück.

„Hört auf zu tuscheln, und beeilt euch mal ein bisschen!“ Moralez scheint sehr gereizt zu sein, anscheinend war die dringende Angelegenheit nicht sehr erfreulich gewesen.

Er führt uns zu einer großen Tür, die in dem Moment, wo wir ankommen von einem adrett gekleideten Mann aufgezogen wird.

„Dritte Übung: Vernünftig Essen“, informiert uns Herr Moralez, doch da stürmen Finja und ich auch schon an ihm vorbei in den Raum.

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