Chapter 37

„Nico!“ Ich will aufstehen, doch Herr Moralez quetscht mich geradezu zurück auf den Stuhl.

Mit ein paar Schritten hat Nico mich fast erreicht, doch da tauchen schon weitere Angestellte auf und ziehen ihn zurück, während Herr Moralez mich festhält.

„Lasst mich los, ihr Rüpel!“, flucht Nico und kämpft sich wieder einen Schritt nach vorne.

„Bringt ihn endlich hier raus!“, brüllt Herr Moralez seine Angestellten an.

Ich nutze den Moment, trete ihn vors Schienbein und entwinde mich seinem Griff.

„Hier geblieben!“, knurrt er und packt meine Haare. Ich schreie laut auf und halte meine Haare fest, damit es am Kopf nicht so zieht.

Nico wird Stück für Stück zur Tür gezogen und Herr Moralez zerrt mich grob auf meinen Stuhl zurück.

Mit einem Knall fällt die Tür zu und ich höre nur noch, dass Nico etwas flucht, dann ist es wieder still.

„Also.“ Mit einem grimmigen Gesichtsausdruck dreht sich Herr Moralez wieder zu mir um.

Mit einem unguten Gefühl sitze ich da, doch sehe ihm die ganze Zeit in die Augen. Er soll bloß nicht denken, dass ich schwächer bin als er.

„Wir waren beim Begrüßen stehen geblieben, als dein … Freund hier hereingeplatzt ist“, fährt er fort und sein eiskalter Blick bleibt an mir hängen.

Stumm sitze ich da und starre ihn an. Ausdruckslos. Ich werde jetzt einfach gar nichts mehr sagen. Soll er doch sehen, was er macht.

„Wie gesagt: Schönen Abend wünschen, dann wird einer der Bediensteten ihnen die Mäntel abnehmen und du geleitest sie in den Speisesaal.“

Es herrscht wieder Stille, plötzlich rollt Moralez auf seinem Stuhl ein Stück zurück und kramt in seinem Schreibtisch.

„Und wenn sie versuchen mich umzubringen?“, breche ich mein vorsätzliches Schweigen.

Herr Moralez hebt den Kopf. „Werden sie nicht. Und wenn doch, weißt du dich doch zu verteidigen.“

Ich verdrehe die Augen. „Sonst noch was?“

„Natürlich bin ich noch nicht fertig“, brummt er und rollt wieder das Stück nach vorne.

„Willst du ein Bonbon?“

Entgeistert sehe ich erst das Bonbon in seiner Hand und dann ihn an.

„Nein danke“, entgegne ich dann kühl. Herr Moralez zuckt mit den Schultern und legt es neben sich auf den Schreibtisch.

„Bei diesem Essen musst du besonders vorsichtig sein, schließlich bist du die Einzige, die da ist, um mich zu beschützen, verstanden?“

Ich bestrafe ihn wieder mit Schweigen.

„Ob du verstanden hast?“, faucht Herr Moralez.

Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich ihn an und nicke dann.

„Gut. Kannst du schießen?“

Nico hatte mal versucht es mir beizubringen, doch ich hatte mich lausig angestellt. Mittlerweile treffe ich zwar meistens, aber eine Garantie gibt es nicht.

Aber das muss Herr Moralez nicht wissen, denke ich gelassen und schüttel den Kopf.

„Messer werfen?“

„Sehe ich aus wie eine Killerin?“, frage ich blöd zurück und Herr Moralez Blick wird wieder dunkler.

„Es war nur eine Frage.“

„Und es war nur eine Gegenfrage“, knurre ich zurück.

Herr Moralez hebt die Hand und ich bin still. Noch eine Ohrfeige und mein Gesicht ist wahrscheinlich dauernd rot.

„Gut. Oder auch nicht. Dann habe ich eben …“, murmelt er eher zu sich selbst, als zwei Dinge gleichzeitig passieren: Das Telefon fängt an in einem schrillen Ton zu klingeln und die Tür fliegt wieder auf.

Bevor Herr Moralez oder ich richtig reagieren können, ist Nico schon bei meinem Stuhl, erst da tauchen weitere Angestellte in der Tür auf.

„Liz. Komm!“ Nico packt meine Hand und zieht mich von dem Stuhl hoch, doch Herr Moralez ist schon zur Stelle.

Es herrscht ein unglaublicher Lärm. Das Telefon plärrt, die Bediensteten keuchen und fluchen und Moralez brüllt seine Leute zusammen, während er meine andere Hand gepackt hält.

„Du!“ Er deutet auf einen etwas Älteren, „Du bleibst hier und erzählst ihr den Ablauf vom heutigen Abend und ihr: Schafft ihn hier weg!“ Mit ausgestrecktem Finger zeigt er auf Nico, an dem schon wieder vier Typen hängen.

„Und ich will ihn nie wieder sehen!“ Herr Moralez klopft an seinen Gürtel, wo seine Pistole leicht rausragt.

Mir bleibt die Luft weg. Er hat doch nicht vor?

Panik macht sich in mir breit.

„Nico!“ Ich reiße mich von Herr Moralez los, stoße den Stuhl um und umklammer Nico so fest ich kann.

„Mach dir keine Sorgen“, ächzt der und schafft es gerade einen abzuschütteln, als schon wieder der Nächste da ist.

„Bringt ihn endlich hier weg und macht ihn kalt!“, brüllt Herr Moralez, packt mich hinten am Kleid und zieht. Mit aller Kraft hänge ich an Nico fest, der seine starken Arme um mich geschlungen hat, als wolle er mich nie wieder loslassen.

„Sie dürfen ihm nichts tun!“, rufe ich, doch Herr Moralez lacht nur kalt und zerrt weiter verbissen an mir. Langsam habe ich das Gefühl, das er Wahnsinnig wird.

„Ich lasse dich nicht los“, flüstert Nico mir ins Ohr.

Ich spüre wie Tränen in mir hochsteigen.

„Warum schießen wir nicht einfach?“, fragt einer der Männer und zieht seine Waffe.

„Sind Sie wahnsinnig?“, kommt es von mir und Moralez gleichzeitig.

„Du würdest sie auch treffen, und Elizabeth brauche ich noch!“, erklärt Moralez. „Stecken Sie verdammt noch mal das Ding weg, und bringen Sie die beiden auseinander, ich telefoniere jetzt!“ Damit schnappt er sich das immer noch klingelnde Ding und verschwindet aus dem Raum.

Für eine Sekunde ist es still, dann weichen Nico und ich vor den Angestellten zurück und fallen über den umgekippten Stuhl.

Im Fallen lasse ich ihn los, um mich abzufangen. Ich lande auf dem Stuhl und schreie auf, als er sich in meinen Rücken bohrt. Mit einem lauten Kracks bricht das eine Stuhlbein, auf dem ich gelandet bin, ab.

Mit zusammengekniffenen Augen warte ich drauf, dass Nico auf mich drauffällt, doch es passiert nicht.

Erschrocken reiße ich meine Augen wieder auf und sehe, wie er von vier Männern zurückgezogen wird. Sofort springe ich auf und stürme auf ihn zu, doch zwei springen mir in den Weg, packen mich an den Armen und ziehen mich in die entgegen gesetzte Richtung.

Das darf nicht war sein! Verzweifelt winde ich mich, doch die beiden Typen halten eisern fest.

„Nico.“ Meine Stimme klingt leise. „Ihr dürft nicht …“

Sie werden ihn umbringen!

In meiner Verzweiflung habe ich plötzlich mehr Kraft, reiße mich von dem einen los und komme zwei Schritte nach vorne, bevor ich wieder festgehalten werde.

„Liz, wir schaffen das“, bringt Nico zischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Er wird immer mehr Richtung Tür gezogen, die fünf Typen sind einfach zu stark, obwohl Nico tritt und kämpft wie verrückt.

Meine Augen füllen sich mit Tränen und ich versuche nicht zu blinzeln, damit sie nicht herauslaufen. Ich bekomme einen Schlag in den Rücken und beiße mir auf die Lippe, um nicht vor Schmerz zu schreien, von dem Gefühl her muss ich da einen riesigen blauen Fleck

haben. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie oft ich dort in den letzen Stunden schon Schläge abbekommen habe.

„Leute, wir müssen uns beeilen, wenn Herr Moralez zurückkommt!“, bemerkt einer der Männer und sofort scheinen sie sehr beflügelt zu sein, uns auseinander zu bekommen.

Grob werde ich zurückgerissen und Nico bekommt einen Schlag zwischen die Rippen. Stöhnend sackt er ein Stück zusammen und wird ein ganzes Stück zur Tür gezogen, bis er wieder richtig auf die Beine kommt.

Seine dunklen Augen liegen auf mir, er lässt mich keine Sekunde aus den Augen.

Ein leises Schluchzen entweicht mir und jetzt kann ich es nicht mehr aufhalten: Die Tränen laufen mir über mein Gesicht und tropfen auf den Fußboden. Sofort fällt meine Nase zu.

„Ach Liz.“ Gequält sieht Nico mich an, was es nur noch schlimmer macht. Durch den Tränenschleier sehe ich nur noch verschwommen.

Plötzlich stampfe ich den beiden Typen die mich festhalten so fest ich kann auf den Fuß, die daraufhin etwas ihre Griffe lockern. Sofort habe ich mich losgerissen und renne los. Der Meter kommt mir furchtbar lang vor, ich habe ihn fast erreicht, als ich einen schmerzhaften Ruck an meinem Unterarm fühle. Ich spüre, wie jemand fest mein Handgelenk packt und ich nicht weiterkomme.

„Süße.“ Ich spüre Nicos Atem auf meinen Haaren und hebe den Kopf. Sein Gesicht ist so nah und für einen Moment vergesse ich den Schmerz an meinem Handgelenk.

Plötzlich beugt er sich noch so weit er kann zu mir herunter und küsst mich. Ganz sanft.

Meine Augen gehen automatisch zu, ich spüre nur noch seine Lippen, alles andere ist für diesen Moment egal. Mein ganzer Körper ist von dem Prickeln erfüllt.

Doch plötzlich bahnt sich ein gleißender Schmerz in die so angenehme Stille und ich reiße die Augen auf. Ich werde ein weiteres Stück brutal zurückgerissen und unsere Lippen berühren sich nicht mehr. Nico sieht mich mit glänzenden Augen an, dann beißt er die Zähne zusammen und ich sehe die Faust in seinem Rücken.

Eine Hand packt mich am Hals und ich bekomme keine Luft mehr.

Röchelnd taumel ich ein paar Schritte zurück, während Nico gerade durch den Türrahmen geschleift wird, schwer atmend und mit schmerzerfülltem Gesicht.

Ich will seinen Namen rufen, doch durch die Hand an meinem Hals bekomme ich keinen Ton heraus.

Alles um mich herum ist wie Watte, doch sie ist kratzig und hart. Mir ist eiskalt.

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