Chapter 36

„Doch kann man schon so sagen, aber das tut nichts zur Sache“, wirft Herr Moralez ein, streut noch etwas Salz in die Wunde, und verschränkt die Arme vor der Brust.

Nico dreht sich mit einem tödlichen Gesichtsausdruck zu ihm um, doch Herr Moralez hebt die Hand, bevor er etwas sagen kann.

„Elizabeth, du kommst jetzt mit mir mit“, sagt er doch ich bewege mich kein Stück vom Fleck.

„Eigentlich wollte ich das ja nicht tun, aber du lässt mir keine Wahl“, seufzt Moralez, doch das hinterhältige Lächeln auf seinem Gesicht straft seine Worte Lüge.

„Wenn du jetzt freiwillig herkommst, werden meine Leute etwas freundlicher mit deinen Freunden umgehen.“

„Das ist Erpressung“, rufe ich ärgerlich und richte mich in Mates Armen etwas auf.

„Ja, ich denke das ist die Definition davon.“ Herr Moralez zuckt mit den Schultern.

„Also?“

Es ist still, niemand bewegt sich. Ich werfe Mate einen verzweifelten Blick zu, doch er schüttelt den Kopf.

Herr Moralez Lächeln wird immer furchterregender. Dann winkt er mit der rechten Hand und die ersten zehn Angestellten schieben sich an ihm vorbei ins Zimmer, die anderen warten draußen, damit niemand abhauen kann.

Zügig kommen sie auf uns zu, und kurz bevor sie uns erreicht haben greifen sie an.

Sie laufen auseinander und jeder scheint sich jemanden ausgesucht zu haben.

Schon höre ich den ersten Schrei, als Nico dem Ersten, der ihn erreicht eine Faust in den Magen rammt.

Ich löse mich aus Mates Armen und springe einen groß gewachsenen Typen an, der gerade nach ihm greifen will.

Gezielt treffe ich ihn und er taumelt zurück, doch da ist schon wieder der Nächste.

Zwei auf einmal greifen Mate an, der blitzschnell den einen zu Fall bringt, dann aber von dem anderen einen Schlag ins Kreuz bekommt.

Mate flucht laut auf, doch bevor der Mann zum zweiten Mal ausholen kann schubse ich ihn zur Seite.

„Liz, Achtung!“, ruft Finja und tritt einem weiteren Angestellten, der mich gerade von hinten packen will gegen sein Schienbein.

Mein Blick streift Herr Moralez, der seelenruhig dasteht und wartet. Hass keimt in mir auf und ich strecke den nächsten Angreifer mit einem Schrei nieder.

Plötzlich werde ich am Arm gepackt und zurück gerissen. Mit einem dumpfen Knall krache ich gegen die Wand, doch bevor ich mich wieder richtig aufrichten kann, werde ich schon wieder geschnappt und bekomme einen Schlag in den Magen.

Ich keuche und krümme mich zusammen. Es fühlt sich an, als müsse ich mich übergeben.

In dem Moment höre ich einen unheimlich lauten, schmerzerfüllten Schrei.

Mühsam hebe ich den Kopf und sehe, wie Mate mit verzerrtem Gesicht zu Boden geht und der Idiot, der ihn angreift ihm zum zweiten Mal auf seine Verletzung schlägt.

Mate keucht auf und sackt dann reglos auf den Boden.

„Mate!“ Meine Stimme ist schrill, doch ich kann nicht zu ihm kommen. Gleich zwei halten mich fest.

Ich suche Finja und entdecke sie in einem Knäul aus Kämpfenden.

Obwohl sie die verletze Schulter hat, scheint sie sich sehr gut zu halten und immer wieder höre ich dumpfe Schläge und lautes Fluchen.

„Verdammt nehmt ihr endlich ihre Krücke weg!“, brüllt Herr Moralez.

Für eine Sekunde schleicht sich ein Lächeln auf mein Gesicht, was jedoch sofort verschwindet, als mir einer der beiden, die mich festhalten einen Schlag versetzt.

Ich fange an zu zappeln und trete ihnen gegen die Schienbeine, doch es bewirkt nicht viel. Für jeden Tritt bekomme ich zwei Schläge zurück.

Mein Kopf dröhnt und ich fühle mich schwach.

„Liz!“ Nico hat mich fast erreicht, doch wird wieder zurückgezogen. Blitzschnell wirbelt er herum und schubst den Mann ein ganzes Stück nach hinten, doch es sind schon wieder neue da, die ihn von allen Seiten angreifen.

Ich habe Kopfschmerzen und ein Gedanke wird immer größer, gräbt sich in meinen Kopf und lässt mich noch mehr Schmerz empfinden, als die Schläge, die mir die beiden Typen geben: Es ist meine Schuld. Ich hätte auch alleine gehen können. Wegen mir sind Mate und Nico …

„Liz!“ Nico reißt mich aus meinen Gedanken. „Wir schaffen das, vertrau mir!“, doch fast wie um seine Worte zu widerlegen, bekommt er in dem Moment einen Schlag auf den Kopf und sackt in sich zusammen.

„Hoppla.“ Herr Moralez läuft an ihm vorbei und packt Finja von hinten am Hals. Unsanft zerrt er sie von den Angestellten weg, die stöhnend auf dem Boden knien und egal wie Finja mit ihrer Krücke um sich schlägt, sie kann ihn nicht erwischen.

„Bringt Elizabeth in mein Büro!“, herrscht er die beiden an, die mich festhalten. „Ich komme gleich nach. Und noch was: Schafft die beiden weg und sperrt sie getrennt ein!“

Sofort werde ich noch fester gepackt und aus dem Zimmer gezogen. Ich werfe noch einen Blick zurück und sehe Finja, wie sie mir hinterher sieht.

Dann sind wir im Gang und ich kann sie nicht mehr sehen. Das Glücksgefühl der letzen Stunde ist verschwunden, stattdessen habe ich Angst, mir tut alles weh und ich fühle mich schuldig.

„Komm schon, stell dich nicht so an“, brummt der eine und zieht mich auf meine Füße. Vorher haben sie mich einfach hinter sich hergeschleift.

Ich stolper zwischen ihnen weiter, die Strecke zu Herr Moralez Büro erscheint mir erschreckend kurz und ich zappel schwach, als sie mich durch die Tür stoßen.

Dann machen sie die Tür zu und drücken mich auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Am liebsten würde ich kämpfen, Nico und Mate helfen, Finja befreien, doch ich fühle mich ausgelaugt und erschöpft. Dazu kommt, dass sowohl das Frühstück als auch das

Mittagessen ausgefallen ist, was ich seid ich bei Herr Moralez bin, erst recht nicht mehr gewöhnt bin.

Die beiden Bediensteten stehen rechts und links neben dem Stuhl, wie zwei Leibwächter und achten auf jede von meinen Bewegungen. Es ist absolut still, niemand bewegt sich.

Herr Moralez lässt ganz schön auf sich warten. Doch schließlich fliegt die Tür auf und er kommt hinein.

„Raus!“, knurrt er die beiden Männer an, die daraufhin sofort fluchtartig das Zimmer verlassen. Er setzt sich vor mich auf die Kante seines Schreibtisches und ich halte die Luft an. Deswegen ist er so schlecht drauf: Auf seiner rechten Wange ist ein feuerroter Abdruck eines Stabes zu sehen.

Mit Mühe kann ich ein Grinsen unterdrücken, doch Herr Moralez scheint es zu bemerken und gibt mir eine Ohrfeige. Man, der ist wirklich schlecht drauf!

„Was wollen Sie von mir?“, frage ich unwirsch und halte mir meine Wange.

Finster sieht er mich an. „Heute Abend findet wieder ein Abendessen statt“, erwidert er knapp, wobei er mich genau beobachtet.

Meine Gesichtszüge entgleisen. „Was?! Sind Sie irre? Nachdem die mit Messern nach Ihnen geworfen haben?“, frage ich entgeistert und lehne mich ein Stück nach vorne.

„Genau deswegen“, sagt Herr Moralez ungerührt. „Also, du wirst heute Abend da sein, Finja … ich werde Funkkontakt zu meinen Leuten haben. Benimmst du dich daneben, wars das.“

Ich muster sein Gesicht genau, versuche irgendwie herauszufinden, ob er lügt, doch er scheint es wirklich ernst zu meinen.

„Was genau verstehen Sie unter Benehmen?“ Kühl sehe ich ihn an.

„Das werde ich dir jetzt erklären. Der eigentliche Grund, warum du hier bist.“

„Also so etwas wie Benimmunterricht?“

„Genau.“

„Sie sind ein Idiot, und der Einzige, der sich darüber aufregt, dass ich ihm eine Schüssel auf die Hand gestellt habe, anstatt, dass Messer treffen zu lassen“, knurre ich.

„Nicht in diesem Ton!“, faucht er zurück. „Wenn die rausbekommen, dass du mehr als nur meine Tochter bist, dann kann ich dich nicht mehr mitnehmen!“

„Ich dachte es ist nur noch zwei Wochen“, konter ich aufgebracht.

Herr Moralez lacht seltsam. „Zwei Wochen, dann verschwinden wir, stimmt. Aber warum sollte ich dich gehen lassen?“

„Sie … Arrogantes ..“, fange ich an, doch er unterbricht mich.

„Halt die Klappe und hör mir zu!“

Wütend funkel ich ihn an.

„Dass Finja Sie erwischt hat, tut Ihnen recht“, knurre ich und bewege mich damit auf ziemlich dünnes Eis.

Herr Moralez kaltes Lächeln scheint zu gefrieren. „Glaub mir, du willst gerade nicht in ihrer Haut stecken“, erwidert er gefährlich leise und langsam. Ich muss schlucken.

„Was machen Sie mit ihr?“

„Geht dich nichts an, aber sicher nichts Erfreuliches. Damit sie weiß, dass sie sich besser nicht mit mir anlegt, und du solltest auch vorsichtiger sein!“

Ich sehe ihn finster an.

„Also gut.“ Er rutscht von der Kante, setzt sich auf seinen Stuhl und stützt sich auf seinen Schreibtisch.

„Das Wichtigste: Du musst dich umziehen, bevor die heute Abend kommen, das Kleid sieht schrecklich aus.“

Mein Blick wird finsterer. „Sie wissen ja, warum es so aussieht!“

Her Moralez zuckt mit den Schultern. „Selbst Schuld.“

„Sie haben einfach auf ihn geschossen!“, rufe ich empört und werfe die Arme in die Luft.

„Er hat nicht getan, was ich ihm geraten habe! Außerdem habe ich doch gesagt, dass sie dich nicht holen sollen“, erwidert er ruhig.

Eine Weile schweigen wir beide, doch wenn Blicke töten könnten, wäre Herr Moralez schon im Jenseits und ich bestimmt auf der Warteliste.

„Und da wir heute Abend Gastgeber sind, musst du sie willkommen heißen!“, sagt er plötzlich. Wir unterbrechen unseren Starrwettbewerb und ich verschränke die Arme vor der Brust.

„Und wie genau soll das aussehen?“, will ich unwirsch wissen.

„Du öffnest ihnen die Tür, wünscht einen schönen Abend, dann …“, erklärt er, als die Tür mit so einer Wucht aufgestoßen wird, dass sie auf der anderen Seite gegen die Wand donnert.

Ich drehe mich um und sehe Nico, der mit zerzausten Haaren und zwei Bediensteten, die an seinen Armen hängen, in der Tür steht.

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