Chapter 34
Natürlich gibt es einen dumpfen Rums und die Puppe wackelt leicht. Um den Schrank zu zumachen, in den ich vorher hineingesehen habe, reicht die Zeit nicht mehr.
Zum Glück steht die Puppe in einer Ecke und ich werde auf der Seite der Tür von einem kleinen Schrank verdeckt. Trotzdem ist es unangenehm eng.
Ich sehe die Schuhe von dem Mann, der hineingekommen ist. Und er ist nicht allein. Schlag leiser Herz!, bete ich und kauer mich zusammen.
Wenn die mich jetzt hier so erwischen, bin ich geliefert.
„Wer hat denn den Schrank aufgelassen?“, höre ich eine genervte Stimme.
„Keine Ahnung. Wir brauchen neue Verbände und Schmerzmittel“, meint eine andere.
„Schmerzmittel? Die hat sich doch geweigert so was zu nehmen, genau wie das Schlafmittel“, widerspricht der Erste und fängt an in einem der Regale zu wühlen.
„Wer ist denn das?“, fragt plötzlich der Zweite und macht einen Schritt auf mein Versteck zu. Ich zucke zusammen und die Puppe wackelt wieder leicht.
Erschrocken kneife ich die Augen zusammen. Das wars.
„Das ist doch nur diese blöde Puppe“, brummt der andere und kramt etwas heftiger, anscheinend findet er nicht das, was er sucht.
„Die hat sich aber bewegt!“, beharrt der andere.
„Klar hat sie das. Hör auf da so blöd rumzustehen und hilf mir. Wenn das Mädchen verblutet kriegen wir Ärger“, motzt die Stimme, die ich als Erstes gehört habe.
„Ach, das ist doch nur ein Stich. Nehmen wir einfach Betäubungsmittel und tun so, als ob es Vitamine sind. Die Kleine kann eh nicht lesen“, lacht der andere.
Die beiden reden eindeutig von Finja, schießt es mir durch den Kopf.
„Ok, aber dann such die Dinger gefälligst auch!“
„Man, warum bist du denn so schlecht drauf?“, beschwert sich der andere, und als ich die Augen wieder öffne, sehe ich, wie er an den Schrank tritt, neben dem ich kauer. Schnell ziehe ich den Kopf noch weiter ein.
Langsam fängt mein Rücken an wehzutun. Können die sich nicht ein bisschen beeilen?
„Warum? Na, weil Moralez uns schon den ganzen Tag anbrüllt, weil dieser schwer verletze Typ, das andere Mädchen und der Irre, der uns grün und blau geprügelt hat, entkommen sind.“
Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Niemand legt sich so einfach mit Nico an. Meine Angst ist irgendwie verflogen, obwohl ich nicht sagen kann, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Na ja, wenigstens klopft mein Herz nicht mehr so stark. Bestimmt würde man es sonst hören.
„Dann beeilen wir uns lieber, bevor diese Finja auch noch verschwindet, obwohl sie eigentlich fast tot ist“, bemerkt der Zweite und klappt den Schrank neben mir zu.
Von dem Knall zucke ich zusammen und stoße wieder gegen die Puppe.
„Siehst du sie bewegt sich“, flucht der Mann und weicht ein Stück zurück.
„Sag bloß, du hast Angst vor dem Ding“, kommentiert der andere spöttisch.
„Natürlich nicht, aber das Ding ist schon seltsam!“
„Klar. Komm, lass uns verschwinden.“
Die beiden verlassen den Raum und nach ein paar weiteren Sekunden sind noch nicht mal mehr ihre Schritte auf dem Flur zu hören.
Erleichtert atme ich aus und krieche auf allen Vieren hinter der Puppe hervor. Meine Kniee und mein Rücken tun weh, doch die Erleichterung, nicht entdeckt worden zu sein ist größer.
Ich gehe zu dem großen Schrank, den die beiden wieder geschlossen haben, und öffne die Tür.
Hoffentlich geht es Finja nicht ganz so schlecht, spukt es mir durch den Kopf. Einen Moment stehe ich wie erstarrt da, dann konzentriere ich mich auf den Schrank.
Mir gegenüber stehen Berge an kleinen Fläschchen, Tuben und Verbandszeug.
Ich schnappe mir drei Verbandsröllchen und etwas, dass man vorher auf die Wunde machen soll. Zumindestens steht das so da drauf. Dann lasse ich meinen Blick über die ganzen Tuben schweifen. Vielleicht gibt es hier ja noch etwas, das ich gebrauchen kann.
Es gibt mehrere Brandsalben, welche für Stiche und Kratzer. Beeindruckt stehe ich der gigantischen Sammlung gegenüber und entscheide mich schließlich noch für ein angeblich schmerzlinderndes Mittel aus einem Fläschchen.
Mit vollen Händen trete ich zurück und trete die Schranktür behutsam zu.
Zufrieden laufe ich zur Tür und verteile die ganzen Sachen, die ich in der rechten Hand halte auf meinen Armen um die Tür zu öffnen.
Ich lege gerade den letzen Verband oben drauf, als eins der Fläschchen anfängt zu rutschen. Fluchend beuge ich mich in die andere Richtung und platziere es wieder schön unter den anderen Sachen.
Vorsichtig stelle ich mich wieder gerade hin und öffne die Tür. Wenn jetzt einer im Gang steht, habe ich ein Problem, denke ich, als die Tür schon offen steht.
Doch ich habe Glück gehabt, und es ist weit und breit keiner, zu sehen.
Schnell ziehe ich die Tür wieder zu, husche zu der Eins weiter und schlüpfe hinein. Das Zimmer scheint leer zu sein.
„Mate, ich bin wieder da“, flüster ich und gehe auf das Sofa zu, wo ich ihn gefunden habe.
Ich höre ein leicht schabendes Geräusch und Mates Haare schauen über die Lehne. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, ich laufe um das Sofa herum und knie mich neben ihn. Mate schenkt mir ein erleichtertes Lächeln und hilft mir, das ganze Zeug auf den Fußboden zu stellen.
„Danke, Liz“, sagt er und zieht sich sein T-Shirt über den Kopf.
Ich riskiere einen Blick auf seine Wunde und schlucke ein paar Mal kräftig um die Übelkeit, die in mir hochsteigt, zu unterdrücken.
„Alles ok?“, fragt Mate und folgt meinem Blick. „Oh. Ist schon ok, ich kann das auch alleine machen.“
„Schon ok“, murmel ich und fange an den ersten Verband aus seiner Verpackung zu befreien. Mate schnappt sich eine der Salben und sieht sich dann um.
„Hast du auch ein Tuch oder so?“
Ich hebe den Kopf. „Sorry, hab ich vergessen.“
„Nicht schlimm.“ Er regt den Hals und deutet hinter mich. „Kannst du mir die Tischdecke geben?“
Ich drehe mich um und entdecke die schneeweiße Tischdecke, die er meint. Vorsichtig lehne ich mich ein Stück zurück, strecke den Arm aus und ziehe sie zu mir hin.
Dann gebe ich sie Mate.
Er wischt vorsichtig das Blut von seiner rechten Seite. Es ist ganz schön viel Blut und es wird immer mehr.
Besorgt sehe ich ihm ins Gesicht und muss mit Erschrecken feststellen, dass er noch blasser geworden ist.
„Wir sollten uns beeilen“, sage ich trocken und öffne die Tube.
Mate hat das meiste Blut abgewischt und die Decke ist mehr rot als weiß. Ich gebe ihm die Tube und er will gerade etwas Creme auf die Wunde schmieren, doch dann schüttelt er den Kopf.
Einen Moment scheint er zu überlegen und ich beobachte ihn.
„Nur ein bisschen“, murmelt er dann und schmiert ziemlich wenig von der Creme neben die Wunde. „Und jetzt der Verband.“
Ich öffne schnell die Verpackung mit dem Ding, was man vorher noch auf die Wunde legen soll und ein ziemlich dickes zusammengefaltetes Tuch fällt raus.
Ich gebe ihm einfach alles und Mate drückt es auf seine Wunde. Er beißt die Zähne zusammen und verzieht das Gesicht.
„Verdammt, wenn ich diesen Typen erwische, ich hasse es angeschossen zu werden!“, flucht er leise.
„Hat dich denn schon mal jemand angeschossen?“, frage ich entsetzt und fange an den Verband so fest wie möglich, um ihn herumzuwickeln, wobei sich ständig seine und meine Arme im Weg sind.
„Ruhig noch etwas fester“, meint er. „Ach so, ja. Ich glaube vor zehn Jahren oder so. Ziemlich lange her.“ Er lächelt schwach.
Ich bin so damit beschäftigt ihn einzuschnüren, dass ich keine weiteren Fragen stelle.
Es dauert etwas, dann bin ich mit dem Ersten fertig, doch es hält nicht richtig. Unglücklich sehe ich auf etwas Blut, dass als Mate das Desinfektionstuch loslässt, sofort dahinter hervor sickert.
„Ich glaube den Zweiten brauchen wir auch noch“, seufzt er und ich packe den Zweiten aus.
Nachdem ich noch den und den Dritten um Mate herumgewickelt habe, hält es endlich und ich weiche erleichtert ein Stück zurück.
Um Mates Bauch zieht sich ein dicker weißer Verband, wo ab und zu ein Knoten herausragt.
„Danke“, sagt er und strubbelt mir durch die Haare.
Ich lächel ihn glücklich an und er zieht sich wieder sein T-Shirt an. Plötzlich hören wir die Tür.
Während ich wie erstarrt dasitze, verschwindet Mate in Sekundenschnelle hinter dem Sofa, nicht ohne schmerzerfüllt das Gesicht zu verziehen.
Ich kann zwar nicht über das Sofa hinwegsehen, aber meine Haare sieht man bestimmt, und meine Beine.
Panisch sehe ich auf meine Füße, die ein gutes Stück hinter dem Sofa herausschauen.
Mate packt mich am Arm und zerrt mich neben ihn.
Die Tür fällt wieder zu und es ist für einen Moment totenstill. Mein Herz klopft bis zu meinem Hals und ich starre mit weit geöffneten Augen auf das Sofa, hinter dem wir uns verstecken, versuche jedes Geräusch wahrzunehmen.
Doch es passiert überhaupt nichts, und als ich meinen Kopf ganz vorsichtig zu Mate umdrehe, wirkt er auch nicht mehr so erschrocken.
Vielleicht hat ja nur jemand reingesehen und ist wieder gegangen.
Trotzdem bin ich vorsichtig beim Aufrichten und spähe über das Sofa hinweg zur Tür.
Am liebsten wäre ich einfach wieder zurückgekippt. Da steht ein groß gewachsener Typ, der mir in dem Moment zum Glück den Rücken zudreht. Sofort ducke ich mich wieder und sehe Mate mit angsterfüllten Augen an.
Er scheint sofort zu wissen, was los ist, und seufzt lautlos.
Plötzlich bekomme ich einen Gedanken. Dieser Typ soll Mate nicht bekommen, ich kann doch einfach so tun, als ob ich die Einzige bin, die sich hier versteckt.
Entschlossen knie ich mich hin, bereit hinter dem Sofa hervorzuspringen und den Mann anzugreifen.
Vielleicht kann ich es schaffen, an ihm vorbei zu der Tür zu kommen.
Plötzlich nimmt Mate meine Hand und schüttelt den Kopf. Seine Augen sagen Nein.
„Bitte“, forme ich mit den Lippen, doch er schüttelt nur wieder seinen Kopf.
„Sie werden uns beide finden“, flüster ich fast lautlos, doch es reicht, damit ich wieder einen Schritt hören kann, diesmal einen sehr deutlichen, und eindeutig in unsere Richtung.
Mate sieht mich kummervoll an. Sacht befreie ich mich aus seinem Griff und spanne meine Muskeln an.
Doch ich kann nichts mehr hören. Schleicht er sich etwa an? Aber wenn er zu nah kommt, ist die Gefahr, dass er Mate bemerkt ziemlich groß, überlege ich, und fühle mich plötzlich unsicher.
Wüten schüttel ich den Kopf, um die ganzen Gedanken zu verdrängen.
Mach jetzt endlich!, denke ich, doch mein Körper reagiert nicht.
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