9 | Niemand lacht über Draco Malfoy


Granger sah aus, als wäre nie etwas geschehen.

Am liebsten wäre Draco ihr quer durch den Klassenraum an die Gurgel gesprungen. Wie konnte sie am Montagmorgen so fit in Zaubertränke sitzen, ihm sogar noch als Begrüßung zunicken, und so tun, als wäre nichts zwischen ihnen passiert?

Er war froh, dass Theo heute sein Partner war. Der wusste zwar nicht, was passiert war, aber er stellte keine Fragen und arbeitete alleine am Trank, während Draco grimmig auf sein Blatt Pergament mit den abgeschriebenen Anweisungen starrte. Er hätte nicht gedacht, dass Sex haben sich so furchtbar anfühlen konnte.

Was bei Merlins verfluchter Unterhose hatte sie damit gemeint, dass sie sich nicht schämen musste? Würde sie sich schämen, offen dazu zu stehen, mit ihm geschlafen zu haben? Wäre das so unerträglich für sie? Weil sie die Kriegsheldin war und er der ehemalige Todesser, der nichts mehr wert war? Schämte sie sich ernsthaft für ihn?

Er bemerkte, wie er unbewusst seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Den ganzen Sonntag über hatte er versucht, sich abzulenken und nicht mehr daran zu denken. Aber kaum kam der Montag daher und die erste gemeinsame Stunde mit Granger, war all das vergebene Liebesmühe. Er sah sie, und sofort erinnerte sein Körper sich an den unfassbar guten Sex. Und dann folgte die Erinnerung an ihre kalte Abfuhr danach.

Tief holte er Luft und entkrampfte seine Hände. Es hatte keinen Sinn, sich über Granger aufzuregen. Wenn sie ihn wie ein schmutziges Geheimnis behandeln wollte, dann konnte sie ihm gestohlen bleiben. Sie war diejenige, die über ihn fantasierte. Er brauchte sie nicht.

„Was kann ich tun?", fragte er leise Theo, der neben ihm gerade dabei war, Zutaten zu zerstampfen.

„Ah, du bist aufgewacht?", wisperte Theo leise zu ihm. „Hattest du einen angenehmen Schönheitsschlaf?"

Getroffen starrte Draco seinen Freund an. Normalerweise war es Blaise, der ihn mit solchen Sprüchen aufzog. Von Theodore dasselbe zu hören, tat weh. „Tut mir leid, ich bin einfach nur ein bisschen neben der Spur."

Sein Freund ließ von den Zutaten ab und wendete sich ihm vollständig zu. Unter den braunen Locken, die ihm tief in die Stirn fielen, starrten zwei grüne Augen ihn intensiv an. „Draco. Was auch immer gerade los ist, es sollte nicht deine Leistung im Unterricht beeinflussen. Ich übernehme gerne deinen Teil der Arbeit, aber völlig abwesend vor dich hinzustarren, das geht nicht."

Frustriert fuhr Draco sich mit einer Hand durch sein Haar. „Ich weiß doch, Mann. Ich mach das nicht absichtlich."

Theos Augen verengten sich für einen Moment, dann drehte er sich achselzuckend wieder zur Arbeitsplatte um. „Ich weiß, dass das ein fremdes Konzept für dich ist, aber ich hab mal gehört, dass es hilft, auszusprechen, was einen beschäftigt."

Grimmig schnappte Draco sich ein Messer und begann, die Flubberwürmer für den letzten Schritt zu zerschneiden. Er hatte gehofft, dass Theo ihm keine Fragen stellen würde. Theo stellte nie Fragen, das schätzte er an diesem Freund. Er versuchte, sich auf die Arbeit vor ihm zu konzentrieren, doch er spürte zu deutlich, dass Theo ihn immer wieder von der Seite ansah.

Schließlich gab er mit einem genervten Seufzen auf. „Okay, schön, Herr Hobby-Therapeut, was wollen Sie wissen?"

Kurz dachte Draco, dass sein Freund ihn mit Schweigen strafen wollte, denn er blieb einen sehr langen Moment lang stumm. Dann, endlich, ohne zu ihm zu schauen oder seine Arbeit zu unterbrechen, fragte Theo: „Was läuft zwischen dir und Granger?"

Draco war froh, dass er das Messer zur Seite gelegt hatte. Mit so einem direkten Angriff hatte er von seinem sonst so zurückhaltenden Mitschüler nicht gerechnet. Und er hatte auch keine Antwort darauf, denn er wusste es ja selbst nicht.

Was lief zwischen ihm und Granger?

Unsicher wanderte sein Blick durch den Klassenraum zu ihr. Sie stand mit hochgekrämpelten Ärmeln an ihrer Arbeitsplatte, ihr zusammengebundenes Haar wirr von der feuchten Hitze der diversen Kessel. Unter der weißen Bluse zeichnete sich ganz leicht ihr BH ab, doch das schien sie nicht zu stören. Sie wirkte konzentriert, obwohl sie immer wieder ein paar Worte mit der jüngsten Weasley neben ihr wechselte.

Nichts deutete daraufhin, dass sie ein außergewöhnliches Wochenende gehabt hatte.

„Deinem mörderischen Blick nach zu urteilen, seid ihr wieder auf dem Kriegspfad?"

Ruckartig blickte Draco zu Theo. Er hatte gar nicht bemerkt, wie sich seine Augenbrauen zusammengezogen und seine Lippen zu einem dünnen Strich verengt hatten. Er konnte sich nicht helfen, wann immer er zu Granger schaute oder auch nur an sie dachte, wurde er maßlos wütend.

„Es läuft gar nichts zwischen uns", brachte er schließlich heraus. „Sie würde sich sowieso nur schämen, mit mir gesehen zu werden."

Augenblicklich wurde Draco klar, dass er damit zu viel gesagt hatte. Theo drehte sich langsam mit dem ganzen Körper zu ihm um, eine Augenbraue hochgezogen, eine Hand auf dem Tisch, die andere auf seinem Knie abgestützt. „Mit dir gesehen zu werden?"

„Das hab ich nicht so gemeint", versuchte er schnell abzuwiegeln. „Ich meine nur, Granger würde sich eh nie mit mir abgeben, also ist das eh alles egal."

Theo legte eine Hand an sein Kinn und tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Wange. „Aber du würdest dich mit ihr abgeben?" Er deutete mit den Fingern Anführungszeichen in der Luft an.

Innerlich verfluchte Draco sich. Er war doch sonst so gut darin, alles für sich zu behalten. Wieso musste er jetzt so eine große Klappe haben und so einen Blödsinn erzählen? Er versuchte, einen herablassenden Gesichtsausdruck anzunehmen, während er erwiderte: „Ich? Mit der? Im Traum nicht."

Theo starrte ihn nur sehr lange an, eine Augenbraue immer noch hochgezogen. Draco versuchte, dem Blick standzuhalten, um seinen Worten mehr Gewicht zu verleihen. Er würde niemals zugeben, dass er mit Granger geschlafen hatte, geschweige denn, dass er den Sex genossen hatte. Nur über seine Leiche.

„Na, wenn du das sagst."

Mit diesen Worten drehte Theo sich wieder zur Arbeitsplatte um und fuhr fort, die Zutaten zu zerkleinern. Für einen Moment noch schaute Draco ihn an. Er wusste, er wusste einfach, dass sein Freund ihm kein Wort glaubte. Er hatte es zwar jetzt fallen gelassen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass er ab jetzt jede seiner Bewegungen im Auge behalten würde, war hoch.

Eine Bewegung in seinem Blickfeld lenkte ihn ab. Am anderen Ende des Klassenraums hatte sich Granger umgedreht und offensichtlich bemerkt, dass er in ihre ungefähre Richtung schaute. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, ehe sie sich wieder ihrer Arbeit widmete.

Sie hatte ihn angelächelt.

Was zur heiligen Nimue sollte er damit anfangen? Machte sie sich lustig über ihn? Lachte sie insgeheim darüber, dass er sich auf sie eingelassen hatte, nachdem er sie jahrelang wie Abschaum behandelt hatte? War das am Ende ihre Rache für all die Jahre, in denen er zugegebenermaßen nicht sonderlich nett zu ihr gewesen war? War das etwa von Anfang an ihr Plan gewesen? Hatte sie darauf spekuliert, dass er ihr im Bad über den Weg laufen würde?

Wieder stieg Wut in ihm hoch. Er wusste inzwischen, wie unfassbar dumm und verachtenswert manche von seinen Taten gewesen waren. Er konnte verstehen, dass sie ihn nicht mochte. Er mochte sie ja auch nicht. Aber das gab ihr kein Recht, ihn jetzt auch wie Abschaum zu behandeln. Ihn einfach zu benutzen und dann in den Dreck zu stoßen.

Niemand lachte über Draco Malfoy.


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