7 | Nichts als Wut


Draco wusste nicht genau, womit er gerechnet hatte, als er sein Einstecktuch in der Umkleidekabine zurückgelassen hatte. Natürlich hatte er gehofft, dass Granger verstehen würde, dass es von ihm war. Und dass es ein Zeichen war, dass er mit ihr reden wollte. Er wusste, dass es ein Risiko war, und dass sie danach vielleicht nie wieder mit ihm sprechen wollte, weil sie sich schämte. Er kannte sie zu wenig, um ihre Reaktion abschätzen zu können.

Aber dass sie am Samstagmorgen beim Frühstück vor aller Augen mit dem Tuch in der Hand zu ihm an den Slytherin-Tisch kommen würde, das wäre ihm nicht im Traum eingefallen.

Er konnte Wut in ihren Augen sehen und vielleicht war es nur seine Einbildung, aber er meinte, dass ihr Haar noch wilder als sonst war. Sie hatte ihre Hände zu Fäusten geballt und die Kiefer so fest aufeinander gepresst, dass sich ihr ganzes Gesicht zu einer Maske mühsam unterdrückter Wut verformt hatte. Theo, Blaise und die meisten anderen Schüler am Tisch starrten sie erwartungsvoll an. Draco hingegen hatte plötzlich das Gefühl, aus Versehen ein gefährliches Biest geweckt zu haben.

Sie streckte ihre eine Faust aus und ließ das Tuch neben ihm auf den Tisch fallen. Überfordert schaute er zu ihr hoch, direkt in ihre braunen Augen, in denen das Feuer der Wut flackerte.

„Du. Ich. Heute Abend. Selber Ort, selbe Zeit."

Ohne ihm die Chance zu geben, darauf irgendetwas zu sagen, stapfte sie davon. Ihre hochgezogenen Schultern und geballten Fäuste verrieten ihm, dass sie noch immer kochte vor Wut.

„Bei Merlin, Draco, was hast du denn Granger angetan?", kam es von Blaise, der sich keine Mühe hab, sein Lachen zu verstecken.

Abwehrend hob Draco die Hände: „Gar nichts! Ich wollte ihr nur signalisieren, dass ich gerne mit ihr ... reden will. Über eine ... Sache."

Theo neben ihm stützte sein Kinn auf eine Hand und musterte ihn eindringlich. „Bist du dir sicher, dass das alles ist? Sie wirkte ein wenig angespannt auf mich."

„Ein wenig angespannt?", prustete Blaise. „Mich hätte es nicht gewundert, wenn sie sich vor unser Augen in einen Drachen verwandelt und Draco zum Frühstück verspeist hätte. Ich hab sie noch nie so wütend gesehen."

Draco schluckte. Er erinnerte sich nur zu gut daran, was das letzte Mal geschehen war, als sich Grangers Wut gegen ihn gerichtet hatte. Sorgfältig faltete er sein Einstecktuch zusammen und stopfte es sich in eine Hosentasche. Vielleicht hatte er die Wirkung seiner Nachricht falsch berechnet.

„Hoffen wir, dass sie nicht wieder versucht, mir die Nase zu brechen", murmelte er leise.

„Du willst dich mit ihr treffen?", wollte Theo verblüfft wissen. „Nach dem Auftritt? Hast du Todessehnsucht?"

Unwillig zog Draco die Augenbrauen zusammen. „Ich hab um das Gespräch gebeten. Ich ziehe jetzt nicht den Schwanz ein. Oder sehe ich aus wie ein Feigling?"

Sofort hob Blaise beide Hände und winkte ab: „Niemand hier hält dich für einen Feigling, Draco."

Grummelnd starrte er in seinen Kaffeebecher. Warum musste Granger so ein großes Theater um die Sache machen? Wie sollte er Theo und Blaise erklären, worum es zwischen ihnen ging? Er hatte die Sache geheim halten wollen, bis er wusste, woran er war. Jetzt hatte Granger früher als nötig vor aller Augen eine Szene gemacht. War das wirklich nötig gewesen?

Vielleicht sollte er lieber nicht hingehen. Wenn sie jetzt schon so wütend war, war es unwahrscheinlich, dass irgendetwas Gutes bei einem Gespräch rauskommen könnte.

Sofort schüttelte er den Kopf. Nein, er würde es bereuen, nicht hinzugehen. Er war trotz allem immer noch neugierig. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Granger ihm irgendeinen unbekannten Fluch auf den Hals hetzte, wenn er nicht erschien, war auch sehr hoch.

***

Ungeduldig wippte Hermine mit dem Fuß. Beide Arme vor der Brust verschränkt, die Beine überschlagen, saß sie auf einer der Bänke in der Umkleidekabine und starrte mürrisch auf die Eingangstür. Ein Teil von ihr war immer noch entsetzt, dass sie Malfoy so öffentlich herausgefordert hatte. Sie schämte sich und hatte Angst, dass er ihr Geheimnis ausplaudern würde. Aber zumindest heute hatte er den Tag über den Mund gehalten, denn keine fiesen Sprüche und geheimes Tuscheln drang zu ihr.

Sie würde sich nicht von ihrer Scham unterkriegen lassen. Mit allem, was sie hatte, klammerte sie sich an ihre Wut auf Malfoy, um sich für das Gespräch zu wappnen. Die Wut gab ihr das Selbstbewusstsein, ihm in die Augen sehen zu können.

Endlich ging die Tür auf. Malfoy trat ein, schloss die Tür hinter sich und legte leise einen Zauber gegen das Abhören darüber. Er verharrte für einen Moment zu lange mit dem Blick zur Tür, dann drehte er sich endlich zu ihr um.

„Granger", grüßte er sie umstandslos und so locker, als wäre nichts zwischen ihnen vorgefallen.

Aufgebracht sprang Hermine hoch und baute sich vor ihm auf. „Malfoy. Ich hätte nicht gedacht, dass du so tief sinken würdest. Ich wusste ja, dass du eine schleimige Schlange bist, aber sowas hätte ich selbst dir nicht zugetraut."

Sie sah, wie er die Augen aufriss und beide Hände hob, als wäre er überrascht von ihren wütenden Worten. Empört trat sie einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm einen Finger unter die Nase. „Glaub bloß nicht, dass ich klein beigebe. Glaub bloß nicht, dass ich mich schäme! Du kannst mir gar nichts!"

Die Verwirrung in seinem Gesicht machte sie nur noch wütender, doch Hermine hielt sich zurück. Sie musste ihn zu Wort kommen lassen, damit sie irgendwie vorankamen.

„Ich weiß nicht, was du glaubst, was das hier ist", fing Malfoy langsam an, immer noch beide Hände abwehrend erhoben. „Ich will gar nicht, dass du klein beigibst oder dich schämst."

Schnaubend wedelte sie mit einer Hand vor seinem Gesicht: „Oh, ich bitte dich. Tu nicht so. Ich weiß genau, was du willst. Du denkst, du kannst mich erpressen, richtig?"

„Erpressen?" Das Wort kam so überrascht aus seinem Mund, dass Hermine für einen kurzen Moment innehielt. War das wirklich nicht sein Plan? Misstrauisch kniff sie die Augen zusammen.

„Granger, ich hab keine Ahnung, was du dir in deinem hübschen Köpfchen ausgemalt hast, aber ich will dich ganz sicher nicht erpressen", sagte Malfoy langsam und betont. Er schaute ihr dabei direkt in die Augen ohne zu blinzeln.

Verwirrt ließ Hermine ihre Hand sinken. „Was willst du denn dann?"

Leise Hoffnung regte sich in ihr, dass sie eine friedliche Lösung für das Problem finden konnten. Wenn sie ehrlich war, hatte sie sowieso Probleme gehabt zu glauben, dass Malfoy so niveaulos war und sie erpressen wollte. Aber es war die einzig vernünftige Erklärung gewesen. Was also wollte er dann?

Plötzlich ging ihr auf, dass er ihr keine Antwort gegeben hatte. Stattdessen blickte er sie einfach nur an. Schaute ihr in die Augen, offen, forschend. Verlangend.

Sie standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Hermine erwiderte seinen Blick, den Kopf in den Nacken gelegt, um zu ihm aufschauen zu können. Ihr war, als hätte ihr Gehirn plötzlich aufgehört zu funktionieren. Sie verstand nicht, was er ihr sagen wollte mit seinem stummen Blick. Sie spürte nur, wie ihr Herz immer schneller klopfte und wie sie plötzlich Schwierigkeiten hatte zu atmen.

Als er einen kleinen Schritt auf sie zumachte, wich sie unwillkürlich zurück. Was hatte er vor? Was wollte er von ihr? Wieso antwortete er nicht auf ihre Frage?

Sie wich noch einen Schritt zurück und stieß dabei gegen die Wand. Er folgte ihr. Blieb direkt vor ihr stehen in seiner ganzen Größe. Einer seiner muskulösen Arme lehnte sich über ihrem Kopf an die Wand, während er sich langsam zu ihr beugte. Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Wollte er etwa ...? Hitze breitete sich in ihrem Körper aus und ein nervöses Flattern erfasste ihren Magen. Träumte sie?

Malfoys andere Hand kam wie zufällig auf ihrer Hüfte zum Liegen. Sachte zog er sie an sich, bis ihre Körper sich berührten. Sie konnte seinen Atem auf ihren Wangen spüren, und die Hitze seines Körpers, und die Härte seiner trainierten Brust. Sie roch seinen herben, männlichen Geruch. Erregung überrollte sie.

Und als sich seine Lippen auf ihren Nacken senkten, flattern ihre Lider wie von alleine zu. Ihre Hände griffen nach seinem Hemd und ein tiefes Seufzen entfuhr ihr. 

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