4 | Ungebetene Gedanken


Mit klopfendem Herzen lag Draco im Bett. Adrenalin raste durch seine Adern, während er sich verzweifelt darum bemühte, wieder zu Atem zu kommen.

War das gerade wirklich geschehen?

Hatte er das wirklich gehört?

Hatte Hermine Granger gerade wirklich ... seinen Namen gestöhnt?

Fluchend rollte er sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht im Kissen. Er hatte oft genug gehört, wie Mädchen seinen Namen stöhnten. Er mochte das. Wenn er mit Pansy in einem ungenutzten Klassenzimmer unterwegs war oder Tracey ihm zum See gefolgt war. Es war Beweis dafür, dass sie es ebenso genossen wie er. Es machte Sex zu einer berauschenden Erfahrung, wenn seine Partnerin sich so darin verlor, dass das einzige Wort, das sie noch rausbrachte, sein Name war.

Granger hatte seinen Namen ganz ohne sein Zutun gestöhnt.

Ein Teil von ihm fand das abstoßend. Dass ausgerechnet sie ihn in ihrer Fantasie zu solchen Zwecken missbrauchte, gefiel ihm gar nicht. Kein Stück. Sie hatte kein Recht dazu.

Aber trotzdem war ein viel größerer Teil gerade damit beschäftigt, das Szenario zu verändern. Bilder von ihr schwammen durch seine Gedanken. Unter ihm, die Augen geschlossen und genauso verzweifelt wie im Bad. Ihre Arme fest um ihn geschlungen. Ihr Mund offen, unfähig, mehr als Seufzen und Stöhnen von sich zu geben. Ihre Schenkel fest um ihn geschlungen. Und dann, auf ihrem Höhepunkt, seufzt sie seinen Namen direkt in sein Ohr. Zufrieden, gierig, verlockend.

Fluchend setzte Draco sich im Bett auf. Er war froh, dass Blaise und Theo schon tief und fest schliefen um diese Uhrzeit. Das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, waren neugierige Fragen.

Wie sollte er Granger morgen unter die Augen treten?

Zum Glück war jetzt Wochenende und er konnte ihr aus dem Weg gehen, ohne dass es auffiel. Er sah sie außerhalb des Unterrichts sowieso nicht. Außer im Zug hatte er dieses Schuljahr noch kein Wort mit ihr gewechselt. Es gab keinen Grund, das jetzt zu ändern.

***

„Deine Miene macht dem Blutigen Baron alle Ehre", grüßte Blaise ihn am Samstagmorgen mit übertriebener Fröhlichkeit. „Schlechte Nacht?"

Draco machte sich gar nicht erst die Mühe, von seinem Kaffee aufzuschauen, während sein angeblich bester Freund gegenüber von ihm an der Tafel Platz nahm. Erstens ließ er sich selten auf die Provokationen von Blaise ein, und zweitens gab es dieses Mal wirklich nichts, was er hätte erklären können. Oder wollen.

„Komm schon, Blaise", meldete sich stattdessen Theo neben ihm zu Wort, „Hab Mitleid mit dem armen Jungen. Er ist vermutlich einfach noch nicht darüber hinweg, Granger wieder für ein Jahr sehen zu müssen."

Draco verschluckte sich beinahe an seinem heißen Kaffee und beinahe hätte er die Tasse einfach losgelassen. Fluchend wischte er sich mit einer Serviette über den Mund, während den Kaffee zurück auf den Tisch stellte, wo sich sofort ein brauner Rand auf der weißen Tischdecke bildete.

„Hat er etwa ins Schwarze getroffen?", erkundigte Blaise sich lachend. „Was, warst du so eingenommen von Gedanken an Granger, dass du die ganze Nacht wachgelegen hast?"

Theo, der ein wenig schuldbewusst dreinschaute, bot Draco eine weitere Serviette an, um den verunglückten Kaffee von seiner Hose zu wischen. Kopfschüttelnden rieb er über seinen Schenkel, doch er ahnte, dass er die Hose nach dem Frühstück würde wechseln müssen. Der tiefschwarze Kaffee wäre auf seiner grauen Hose definitiv sichtbar.

„Ich hab mir nur den Mund am heißen Kaffee verbrannt", sagte er scharf. „Das hatte gar nichts mit Theos dämlicher Aussage zu tun. Als ob mein Leben sich um Granger drehen würde."

Er sah, wie sich seine beiden besten Freunde einen Blick zuwarfen, doch er war nicht gewillt, näher auf das Thema einzugehen. Das letzte, was er gebrauchen konnte, waren neugierige und wohlmeinende Freunde, die ihm am Ende doch noch die Wahrheit entlocken konnten. Er hatte heute Morgen sowieso beschlossen, den Vorfall aus seinem Gedächtnis zu streifen und nie wieder dran zu denken.

***

Doch natürlich hatte das Universum andere Pläne. Auf seinem Weg in die Bibliothek hatte er keine Sekunde daran gedacht, dass das der Lieblingsort von Hermine Granger war. Alles, woran er denken konnte, war, dass er dort ungestört von seinen Freunden und anderen Schülern nachdenken konnte, während er so tat, als würde er lernen.

Natürlich saß sie ausgerechnet an dem Tisch, der am besten versteckt hinten zwischen den Regalreihen stand. Draco bevorzugte diesen Tisch, weil er am ehesten unentdeckt bleiben konnte. Saß Granger nicht sonst immer weiter vorne, wo jeder sehen konnte, wie strebsam sie war? Wieso vergrub sie sich ausgerechnet heute so weit hinten?

„Kann ich dir irgendwie helfen?"

Schlagartig wurde Draco sich bewusst, dass er wie angewurzelt dastand und sie angestarrt hatte. Er kämpfte dagegen an, rot zu werden, doch als er für den Bruchteil einer Sekunde in ihre Augen schaute, war er verloren. Erinnerungen an die vergangene Nacht strömten vor seinem inneren Auge vorbei, ein wilder Mix aus echten Bildern und verbotenen Fantasien.

Er spürte, wie die Hitze ihm in die Wangen schoss. Verzweifelt suchte er nach irgendetwas, was ihn berechtigterweise ablenken könnte, damit er sie nicht länger ansehen musste. Ohne richtig zu sehen, was vor ihm war, trat er auf eines der Regale zu und wendete Granger damit den Rücken zu.

„Ich suche hier nur ein Buch", presste er mühsam hervor. „Kein Grund, mich mit deiner Hilfsbereitschaft zu belästigen."

Er hörte, wie sie hinter ihm ein Geräusch von sich gab, eine Mischung aus genervtem Stöhnen und unterdrücktem Fluch. Draco versuchte, sich auf die Titel auf den Buchrücken vor sich zu konzentrieren, doch es schien, als wollte sein Körper ihn betrügen. Alle Sinne waren auf die zierliche weibliche Person in seinem Rücken gerichtet. Er konnte hören, wie sie auf dem Stuhl hin und her rutschte, wie sie immer mal ein einzelnes Wort niederschrieb und dann eine Seite in einem der vor ihr liegenden Bücher umblätterte. Er meinte, die Wärme ihres Körpers spüren zu können, doch das war natürlich Unsinn.

„Ich will dich nicht unnötig belästigen", hörte er sie kurz darauf leise sagen, „aber vielleicht sagst du mir einfach, was du suchst? Du scheinst es nicht zu finden und ehrlich gesagt, du störst meine Konzentration."

Er störte ihre Konzentration? Gestern Nacht noch hatte sie ungeahnte Fantasien über ihn ausgelebt, und heute wagte sie es, ihn so abweisend zu behandeln? Draco spürte, wie kalte Wut in ihm hochstieg.

„Weißt du was?" Er drehte sich abrupt zu ihr um, stellte sich vor den Schreibtisch und beugte sich über sie, seine Hände auf der Tischplatte abgestützt. „Du kannst deine arrogante Attitüde sein lassen. Du musst hier keinem von uns etwas vormachen."

Er sah, wie Granger empört den Mund öffnete, um etwas zu erwidern, doch er ließ ihr keine Zeit dazu. Schwungvoll stieß er sich vom Tisch ab, wandte sich um und ging mit langen Schritten davon.

Für einen kurzen Moment hatte er gestern Nacht darüber nachgedacht, ob sie vielleicht inzwischen anders über ihn dachte. Ob ihr freundlicher Gruß im Zug darauf hindeutete, dass sie ihm vergeben hatte. Ob die Tatsache, dass er ihr während der Schlacht keinen Fluch auf den Hals gehetzt hatte, ihre Einstellung zu ihm verändert hatte. Als er seinen Namen aus ihrem Mund gehört hatte, hatte er kurz wirklich gedacht, dass sie ihn nicht länger ablehnte.

Aber offensichtlich dachte sie immer noch genauso wie vorher über ihn. Als Fantasie war er gut genug, aber für auch nur ein freundliches Wort offensichtlich nicht.

Hasserfüllt stapfte er die Stufen Richtung Kerker hinunter. Er würde keinen weiteren Gedanken an diese Frau verschwenden.



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