19 | Ein erstes Date


Es hatte sich definitiv etwas geändert zwischen ihnen. Draco konnte nicht genau den Finger darauflegen, aber er spürte es jedes Mal, wenn sie sich trafen. Vielleicht lag es an der Art, wie Hermine ihn berührte. Vielleicht war es die Offenheit, die sie ihm zeigte. Vielleicht lag es an ihrem Blick, der immer wieder den seinen suchte und ihn anschaute, als würde er ihr etwas bedeuten.

Ihr Sex hatte sich jedenfalls nicht verändert. Es war immer noch die schnelle Nummer in einem ungenutzten Klassenzimmer, beide nur auf das Nötigste ausgezogen, wie vorher größtenteils schweigend. Wenn es nach Draco gegangen wäre, hätten sie sich Zeit genommen und vielleicht auch gemeinsam nach einem schöneren, wärmeren Ort gesucht. Aber sie war diejenige, die den Ton angab, und er würde sie nicht wieder von sich stoßen. Er würde alles tun, damit er sie nicht vertrieb. Sie hatten sich in der letzten Woche täglich getroffen.

Genau deswegen spürte er gerade auch eine innere Unruhe. Der Montag war fast vorbei, sie saßen beim Abendessen in der Großen Halle, und Hermine hatte ihn zu keinem Zeitpunkt aufgesucht, obwohl er sich wie an den Tagen zuvor Mühe gegeben hatte, viel alleine im Schloss unterwegs zu sein und immer mindestens einmal den bevorzugten Korridor langzugehen.

Immer wieder wanderte sein Blick zum Gryffindor-Tisch. Er konnte sehen, dass Hermine sich kaum an den Gesprächen beteiligte und ihr Essen beinahe nicht anrührte. Sie schaute auch nicht zu ihm.

Der Yorkshire Pudding lag ihm plötzlich schwer im Magen. Hatte sie ihn heute absichtlich gemieden? Wollte sie ihn loswerden, traute sich aber nicht, das zu sagen?

Verärgert rieb er sich mit einem Finger über den Nasenrücken. Er reagierte schon wieder über. Vielleicht ging es ihr heute einfach nicht gut. Es war viel wahrscheinlicher, dass es eine vernünftige Erklärung für ihre Abwesenheit gab. Er sollte nicht so schnell an Katastrophe denken.

Trotzdem, er konnte sich nicht helfen. Ein letzter Rest Unwohlsein blieb.

***

Es war definitiv irgendetwas nicht in Ordnung. Heute war schon der zweite Tag in Folge, an dem Hermine sich nicht in seiner Nähe hatte blicken lassen. Angespannt umklammerte Draco Messer und Gabel, ohne sein Essen anzurühren.

Er hatte wiederholt versucht, im Unterricht ihren Blick aufzufangen, aber sie hatte nie in seine Richtung geschaut. Er hatte jede freie Minute in dem Korridor verbracht, der die Woche zuvor fast immer ihr Treffpunkt gewesen war. Trotzdem war er ihr nie über den Weg gelaufen.

Sie mied ihn absichtlich, es gab keine andere Erklärung.

Sie wollte ihn loswerden. Sie hatte keine Verwendung mehr für ihn.

Finster starrte er quer durch die Große Halle zu ihr. Heute wirkte sie nicht einmal mehr krank. Sie aß ganz normal, unterhielt sich mit anderen wie immer, und lächelte sogar hin und wieder. Es ging ihr definitiv nicht schlecht. Es musste an ihm liegen, dass sie ihn mied.

Mit einem inneren Fluch ließ er das Besteck los. Er würde heute sowieso keinen Bissen runterbringen. Was hatte er getan? War er zu aufdringlich gewesen? Hatte er zu sehr gezeigt, wie sehr er ihre kurzen Momente zusammen genoss? War sie angewidert davon, dass er mehr in ihr sah als bloß eine Bekanntschaft?

Er konnte sie nicht verlieren.

Starr blickte er zum Gryffindor-Tisch. Es war ihm egal, ob sie seinen Blick bemerkte. Es war ihm egal, ob andere sein Starren bemerkten. Er musste rausfinden, was das Problem war.

Als hätte sie seinen Blick gespürt, schaute sie plötzlich direkt zu ihm. Dracos Herz setzte einen Schlag aus. Sie lächelte ihn an. Sie zwinkerte ihm zu.

Er konnte das Lächeln nicht erwidern. Immer noch fühlte er sich wie erstarrt. Was hatte das zu bedeuten? Wieso mied sie ihn und lächelte ihn an? Das passte doch nicht zusammen. Machte sie sich lustig über ihn?

Er atmete tief ein. Er interpretierte schon wieder zu viel in ihre Handlungen. Sie wollte freundlich zu ihm sein, mehr steckte nicht hinter dem Lächeln.

Warum vermied sie ihn dann?

Theo und Blaise neben ihm ignorierten ihn ebenfalls. Seit sie sich offenbar nachts ausgesprochen hatten, waren sie unzertrennlich. Eigentlich war es Draco mehr als Recht so, denn beide versuchten nicht länger, ihn nach seiner Beziehung zu Granger zu fragen. Aber er fühlte sich auch ausgeschlossen.

Wieder wanderte sein Blick zum Gryffindor-Tisch. Gerade rechtzeitig, wie er bemerkte, denn Hermine erhob sich gerade und verließ frühzeitig das Abendessen. Ohne richtig darüber nachzudenken, was er tat, sprang Draco auf und folgte ihr.

„Granger!", rief er ihr nach, kaum dass die großen Türen hinter ihm zugefallen waren.

Sie drehte sich um, offensichtlich überrascht, ihn nach ihr rufen zu hören.

„Malfoy", erwiderte sie, immer noch ein Lächeln auf den Lippen.

„Was bei Merlin soll das?", fuhr er sie an. Augenblicklich verschwand ihr Lächeln und Dracos Herz setzte einen Schlag aus. Er sah sie gerne lächeln, vor allem wenn es ihm galt.

„Was soll was?", fragte sie. Ihr Gesicht war ausdrucklos, doch Draco hörte in ihrer Stimme, dass sie auf der Hut war.

Fluchend fuhr er sich durch seine langen Haare. Warum fingen ihre Gespräche nur immer als Streit an? Er atmete tief ein und wieder aus, um seine Wut zu dämpfen.

„Vielleicht sollten wir nicht hier reden", schlug er schließlich vor. „Es könnte jederzeit jemand vorbeikommen. Wollen wir in das Klassenzimmer dahinten gehen?"

Kurz befürchtete er, dass sie ablehnen würde, so grimmig schaute Hermine drein. Doch dann nickte sie zu seiner Erleichterung und folgte ihm in das leere Zimmer. Sorgfältig schloss er die Tür hinter ihnen und drehte sich zu ihr um.

Hermine war gerade dabei, ihre Bluse aufzuknöpfen. „Sex ist gerade schwierig, aber wenn du willst, kann ich ... mit meinem Mund ..."

Sie schaute ihn nicht an, während sie diese Worte sagte. Ihre Stimme klang leise und klein in dem leeren Raum. Dracos Blick ruhte auf ihren Brüsten, die von einem schlichten schwarzen BH perfekt in Form gehalten wurden. Er liebte es, ihre Brüste in den Händen zu halten. Unwillkürlich machte er einen Schritt nach vorne und streckte eine Hand aus.

Bevor er sie berührte, unterbrach er die Bewegung. Das war nicht, weswegen er hier war.

„Scheiße, Granger!", fluchte er laut. „Ich will nicht immer nur Sex! Hör auf damit!"

Mit großen Augen blickte sie zu ihm auf. Ihre Bluse war inzwischen gänzlich aufgeknöpft, so dass Draco sehr mit sich zu kämpfen hatte, ihr in die Augen zu schauen.

Röte breitete sich auf Hermines Wangen aus. „Tut mir leid, dass ich ... da war ich zu voreilig. Natürlich willst du nicht ... tut mir leid."

Wofür entschuldigte sie sich jetzt? Wie so oft hatte Draco das Gefühl, dass sie völlig aneinander vorbeiredeten. Wieder spürte er Wut in sich hochsteigen, doch er zwang sich, Hermine das nicht spüren zu lassen. So ruhig wie möglich erklärte er: „Ich will wirklich nur reden. Oder besser, dich etwas fragen."

„Oh", machte sie überrascht. „Okay."

Abwartend schaute sie zu ihm auf. Mehrfach setzte Draco zum Sprechen an, doch immer wieder wanderte sein Blick nach unten. So wurde das nichts. „Knöpfe deine verdammte Bluse wieder zu!"

Hermine zuckte ob seiner Worte zusammen und sofort bereute Draco, dass er sie angefahren hatte. Sie konnte ja nichts dafür, dass er sich in ihrer Nähe kaum unter Kontrolle hatte. Mit einem tiefen Seufzen zog er einen Stuhl ran und ließ sich darauf sinken.

Nachdem Granger es ihm gleichgetan hatte, fing er noch einmal an: „Ich will einfach nur wissen, was los ist. Hab ich was falsch gemacht? Ich hab das Gefühl, dass du mich meidest."

Kurz starrte sie ihn einfach nur an, dann brach sie zu seinem Entsetzen in schallendes Gelächter aus. Am liebsten wäre er aufgestanden und gegangen. Er war nicht hier, um sich auslachen zu lassen. Hatte sie irgendeine Vorstellung davon, wie schwer es ihm fiel, diese Frage zu stellen? Was gab es da zu lachen?

„Sorry, sorry!", sagte sie eilig, während sie sich Tränen aus den Augen wischte. „Ich wollte nicht auslachen, aber das war gerade einfach ... ich hab sonst was erwartet, und dann war es nur das."

„Schön, dass du lachen kannst", knurrte Draco. „Beantwortest du jetzt meine Frage?"

Wieder breitete sich Röte auf ihren Wangen aus, doch sie grinste immer noch. „Ich bin gerade einfach nicht für Sex zu haben."

„Nicht zu haben?", hakte Draco verwirrt nach. Die Formulierung war so seltsam. Wenn sie gerade keine Lust auf Sex hatte, warum sagte sie das nicht einfach?

Hermine rollte mit den Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Muss ich es wirklich ausbuchstabieren? Ich hab gerade ... Frauenprobleme."

Irgendwo in Dracos Gehirn schien sich eine Synapse falsch verkabelt zu haben. Für einen langen Moment konnte er sie nur anstarren, ehe ihre Worte wirklich bei ihm ankamen.

Dann verfiel er selbst in Gelächter.

„Das ist alles?", fragte er schnaufend. „Warum hast du das nicht einfach gesagt?"

Mit blitzenden Augen schlug sie nach ihm. „Als ob ich das so an die große Glocke hängen will. Warum seid ihr Männer alle solche Backsteine?"

Immer noch lachend duckte Draco sich zur Seite. „Tut mir leid, tut mir leid. Ich bin einfach gar nicht auf die Idee gekommen! Mein Fehler, vergib mir!"

Sie schlug noch einmal nach ihm, aber er konnte sehen, dass sie selbst nur mühsam ein Grinsen unterdrücken konnte. Ihre Mundwinkel zuckten und schließlich stimmte sie in sein Lachen ein. „Schön, ich vergebe dir."

Lächelnd schaute er sie an. Es tat gut zu wissen, dass sie tatsächlich auch ganz normal miteinander reden konnten. Und lachen. Er hatte so lange nicht mehr wirklich gelacht. Bevor er wusste, was er da tat, beugte er sich vor und griff nach Hermines Hand. Augenblicklich hörte sie auf zu lachen.

„Ich mag vielleicht ein Mann sein", erklärte er leise und ernst, „aber selbst ich will nicht immer nur Sex. Wenn es gerade nicht geht, ist das okay. Wir können auch...", fing er an, doch sofort brach er ab. Was wollte er denn sagen? Konnte er das überhaupt vorschlagen?

Suchend schaute er ihr in die Augen. Hermine lachte nicht mehr, aber sie schaute ihn abwartend an. Offen. Neugierig. Ihre Wangen waren gerötet, ob vom Lachen oder wegen etwas anderem, vermochte er nicht zu sagen. Sie hatte ihm ihre Hand nicht entzogen. Vielleicht war das ein gutes Zeichen.

Mit klopfendem Herzen fuhr er fort: „Wir können uns auch einfach nur so treffen."

„Einfach nur so?", hauchte sie.

Draco schluckte. Vielleicht war das doch eine dumme Idee gewesen. Vielleicht wollte sie wirklich nur Sex und hatte ihn gemieden, weil sie ihn ansonsten nicht gebrauchen konnte. Er ließ ihre Hand los und lehnte sich zurück. „Vergiss es, war nur so eine Idee."

Augenblicklich beugte Hermine sich wieder vor und ergriff mit ihren beiden Händen seine Hand. „Nein! Nein, das ist sogar eine sehr gute Idee. Wir können uns gerne auch nur so treffen. Also, wenn du wirklich willst. Ich hab da nichts gegen."

Am liebsten wäre Draco aufgesprungen und hätte sie ihn eine Umarmung gezogen. Oder sie leidenschaftlich geküsst. Er konnte nicht glauben, dass sie Ja gesagt hatte. Sein Herz schlug ihm immer noch bis zum Hals, doch er versuchte, sich das nicht anmerken zu lassen. „Cool", war alles, was er rausbrachte.

Mehrere Herzschläge lang schauten sie sich nur gegenseitig an. Da war wieder diese Wärme in Hermines Blick, die er schon öfter im Verlauf der letzten Woche gesehen hatte. Als ob sie ihn wirklich mochte. Als ob sie wirklich gerne Zeit mit ihm verbrachte. Sie schaute ihn an, als ob sie auf irgendetwas warten würde. Vielleicht sollte er sein Glück einfach versuchen und sie zu sich auf den Schoß ziehen? Er konnte sie zu sich ziehen und seine Arme um sie schlingen und sie würde ihre Arme um ihn legen und sie könnten einfach so dasitzen, minutenlang, ohne etwas zu sagen.

Hitze breitete sich auf Dracos Wangen aus. Vielleicht war das auch zu viel des Guten. Sie hatte ja nicht gesagt, dass sie ihn mochte. Er sollte sein Glück nicht provozieren.

Langsam entzog er ihr seine Hand und stand auf. Vielleicht konnten sie sich wenigstens konkret verabreden? Unentschlossen vergrub er seine Fäuste in den Hosentaschen. Sollte er einfach was vorschlagen? Sein Blick flackerte zu Hermine, die immer noch auf dem Stuhl saß und ihn erwartungsvoll anschaute. Wollte sie, dass er etwas vorschlug?

„Gehst du gerne spazieren?", fragte sie plötzlich, ein Lächeln auf ihren Lippen, das ihm irgendwie das Gefühl gab, als hätte sie ihn durchschaut.

Unschlüssig zuckte er mit den Schultern: „Naja, ich hab da nichts gegen."

„Wollen wir morgen ein bisschen am See entlang spazieren?", schlug sie vor. „Es ist kalt, aber wenn wir uns warm anziehen, ist das bestimmt schön."

Wenn Draco ehrlich war, gefiel ihm die Aussicht auf einen eiskalten Spaziergang wenig. Doch er würde ihr das gewiss nicht sagen. Wenn es das war, was sie wollte, dann würde er das tun. Er erwiderte ihr Lächeln: „Gern. Vorm Abendessen, so gegen fünf?"

Mit einem breiten Grinsen sprang sie auf: „Ja, klingt gut. Ich warte einfach unten am Ufer auf dich."

Ihr Grinsen war ansteckend. Draco konnte sich nicht helfen, er grinste sie an wie ein Idiot. Wieder spürte er das Verlangen, sie an sich zu ziehen und zu küssen, doch er beherrschte sich. Sie wollte sich alleine mit ihm treffen, um wirklich Zeit mit ihm zu verbringen. Das war schon viel wert.

„Dann bis morgen!", sagte Hermine fröhlich, packte ihre Tasche und ging an ihm vorbei aus dem Klassenzimmer.

Nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war, ballte Draco eine Faust und riss sie in die Höhe. Das war so viel besser gelaufen als geplant.

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