0 | Ein unerwarteter Moment im Bad


Draco wusste, dass er gerade im Begriff war, etwas sehr, sehr Falsches zu tun. Schon alleine, dass er hier war, brach alle Regeln. Er war kein Vertrauensschüler, also hatte er in diesem Bad nichts verloren. Es war weit nach zehn Uhr abends, also hatte er nichts außerhalb des Gemeinschaftsraums zu suchen. Das alles war schon schwerwiegend genug.

Doch die wichtigste Regel würde er erst brechen, wenn er diese Tür öffnete. Betrete niemals das Bad, wenn du Klamotten anderer Schüler in der Umkleide findest. Nur durch diese Regel war es möglich, das Bad der Vertrauensschüler gemeinschaftlich zu nutzen.

Normalerweise würde er sich an diese Regel halten, immerhin hatten die Vertrauensschüler von Slytherin schon selbst eine gebrochen, indem sie ihm das Passwort verraten hatten. Er würde ihnen diese Freundlichkeit nicht heimzahlen, indem er die Regeln brach und von anderen beim Spannen erwischt wurde - zumindest theoretisch.

Sein erster Instinkt, als er den kleinen Haufen Kleidung gesehen hatte, war es entsprechend auch gewesen, wieder umzukehren.

Aber dann war sein Blick an dem Handtuch mit den eingestickten Buchstaben HG hängen geblieben.

Offensichtlich hatte Granger ihren Status als Kriegsheldin ausgenutzt, um unerlaubterweise an das Passwort für das Bad zu kommen. Denn Vertrauensschülerin war sie in diesem Jahr nicht. Wie er holte sie das siebte Jahr nach und war somit nicht für diese Position oder die des Schulsprechers in Frage gekommen.

Wie festgefroren starrte Draco auf die Milchglastür, die die Umkleide von dem eigentlichen Bad trennte. Es war dunkel auf der anderen Seite - offensichtlich hatte Granger nur das eine kleine Licht direkt über dem Becken angemacht. Alles in ihm schrie danach, umzudrehen und sich auf leisen Sohlen wieder davon zu stehlen.

Tief holte Draco Luft. Dann, mit neu gewonnener Entschlossenheit, griff er nach der Klinke und bewegte sie so leise wie möglich nach unten. Geräuschlos öffnete sich die Tür eine Spalt. Langsam ließ Draco den angehaltenen Atem entweichen.

Wärme, feuchte Luft kroch durch den Spalt. Er musste schnell hindurch schlüpfen, ehe Granger durch einen kühlen Luftzug bemerkte, dass die Tür aufgegangen war. Ebenso leise wie zuvor öffnete Draco die Glastür gerade soweit, dass er hindurch passte, dann schloss er sie wieder hinter sich.

Geduckt lehnte er sich an die kleine Mauer, die als zusätzlicher Sichtschutz zwischen der Tür und dem großen Becken lag. Sie war nur etwa einen Meter hoch, doch das genügte, um seine Anwesenheit zu verbergen.

Heiß und schwer lag die feuchte Luft im Raum. Nur ein ganz leises Plätschern deutete daraufhin, dass überhaupt jemand im Becken lag. Nicht einmal Musik füllte die Stille. Nur das Plätschern der sanften Wellen.

Und ein leises Seufzen.

Draco erstarrte. Er kannte diesen Ton. Sofort schüttelte er den Kopf. Das war unmöglich. Vermutlich hatte sie nur geseufzt, weil sie das Bad so genoss. Er wusste selbst, wie wohltuend es war, statt einer einfachen Dusche ein richtiges Bad hier in dem großen Becken zu nehmen.

Ein weiteres Seufzen erklang.

Mit einem Mal wurde Draco sich bewusst, wie heiß es hier war. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er hatte Granger nur einen Streich spielen wollen. Nicht mehr. Nur erschrecken und sie zur Rede stellen wollen, was sie hier zu suchen hatte. Das war alles, was er im Sinn gehabt hatte. Er hatte nicht ihre Privatsphäre so sehr verletzen wollen. So verdorben war er nicht, selbst wenn es um Granger ging.

Wieder vernahm er ein Seufzen, lauter diesmal.

Er sollte einfach wieder gehen. Er hatte hier nichts verloren. Er benahm sich schäbig, überhaupt hier zu hocken und zuzuhören. Hart presste er seine Kiefer aufeinander. Alles an dieser Situation war falsch.

Ohne darüber nachzudenken, was er vorhatte, beugte Draco sich vor und spähte in Richtung des Beckens.

Nur wenige Meter von ihm entfernt lag Hermine Granger im flachen Wasser, umgeben von dichtem Schaum, den Kopf auf dem Beckenrand abgelegt. Ihre Augen waren geschlossen und der Lichtstrahl der kleinen Lampe war gerade hell genug, dass Draco sehen konnte, dass sie ihre Augenbrauen angestrengt verzogen hatte.

Sie bewegte sich leicht im Wasser und sandte damit kleine Wellen über die Oberfläche, die schnell vom Schaum verschluckt wurden.

Innerlich fluchend zog Draco seinen Kopf zurück. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich an die Mauer. Es war unzweifelhaft, was sie dort gerade tat. Hitze stieg in ihm hoch. Eine andere Körperregion machte sich auf unerwünschte Weise bemerkbar.

Ein Seufzen, das schon eher einem Stöhnen glich, erklang. Das Plätschern wurde lauter, schneller.

Plötzlich wurde Draco sich bewusst, dass seine Atmung viel zu schnell ging. Entsetzt über sich selbst presste er beide Hände über seinen Mund, um jeden Laut zu ersticken. Und um zu verhindern, dass seine Hände zu einem anderen Körperteil wanderten, das nach seiner Aufmerksamkeit schrie.

Er sollte wirklich gehen. Was er hier tat, war falsch. Er verletzte Granger Intimsphäre. Wenn die Situation umgekehrt wäre, wäre er außer sich vor Wut. Doch er konnte sich nicht bewegen. Wie festgefroren verharrte er an derselben Stelle.

Grangers Laute wurden höher, verzweifelter. Schamesröte trat Draco in die Wangen. Er verabscheue sich selbst dafür, dass er hier im Dunkeln saß und zuhörte. In seinen Gedanken tauchte immer wieder das Bild von Grangers Gesicht auf, von ihr im Becken - aber ohne Schaum.

„Draco..."

Es war beinahe nur ein Hauchen. Eine Hitzewelle raste durch seinen Körper. Hatte er sich verhört? Sie konnte ihn nicht gesehen haben. Sie konnte nicht wissen, dass er hier war.

„Draco!"

Ihr leiser Schrei, gefolgt von einem langen, tiefen Stöhnen, versetzte ihm den Todesstoß. Er musste hier weg, sofort. Es war egal, ob sie ihn jetzt hörte.

Panisch sprang er auf, öffnete die Tür und zog sie unter Aufbringung seiner letzten Selbstbeherrschung wieder zu. Dann gab es kein Halten mehr.

Als wäre der Teufel hinter ihm her, sprintet Draco aus dem Bad, durch die dunklen Gänge des Schlosses, hinab in den Gemeinschaftsraum der Slytherins.

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