Kapitel 8 - Der Nachmittag
,,und jetzt folgt er mir einfach auf Insta und sagte ich soll ihm heute Abend gerne mal schreiben, wenn ich Lust habe."
Während ich Mary alles erzählt habe, waren ihre Blicke einfach nur goldig. Sie sah mich wie ein Kind an, das gerade völlig von einem Disney Film gefesselt ist.
,,Ahhhh Nathan, ahhhh", schreit sie plötzlich auf, packt mich an beiden Armen und schüttelt mich durch. Kurz darauf springt sie vom Bett und macht im Kreis drehende Freudensprünge. Ich realisiere kaum, was hier geschieht, ich weiß nur, dass Mary aus dem Häuschen ist.
,,Komm Nathan, das müssen wir feiern."
,,Wie? Was denn feiern? Den Typen?", frage ich etwas unbeholfen.
,,Na du weißt schon, deinen Zukünftigen Liam", spricht sie zu mir, als sie stehen bleibt und mich lächelnd ansieht.
,,Meinen Zukünftigen?"
,,Ja, deinen Zukünftigen", antwortet sie jedes Wort betont, springt wieder auf das Bett und setzt sich vor mich. ,,Er ist bestimmt unglaublich süß, du musst ihn definitiv anschreiben."
Mit voller Begeisterung und Elan sieht sie mich mit großen Augen an, während sie auf ihren Knien sitzt.
,,Oh Mary, er ist doch nicht mein Zukünftiger. Ich meine klar, ich habe von ihm geträumt und ja ich bin ihm begegnet. Aber das heißt nichts, eine Freundschaft wäre mit ihm schön, da ich nicht einen männlichen Kumpel habe. Außerdem, in dieser Stadt, wird er bestimmt nicht homosexuell sein, falls er das überhaupt ist", gebe ich erklärend von mir. Mary jedoch sieht mich mit einem genervten Blick an.
,,Spaßverderber." Sie verdreht die Augen und seufzt. ,,Wirst du ihn denn wenigstens anschreiben?"
Diese Frage stelle ich mir, seitdem ich hier bin. Irgendwie will ich ihm schreiben, aber keine Ahnung, warum ich mich nicht wirklich traue. Ich habe auch irgendwie Angst davor, dass er, falls er es nicht schon ahnt, herausfindet, dass ich homosexuell bin.
,,Nathan, denk nicht wieder so lange nach, schreib ihm einfach", unterbricht sie meinen Gedankengang und stupst mich an. ,,Wenn du ihn schon nicht haben willst, dann zeig mir wenigstens ein paar Bilder von ihm, schließlich will ich wissen, wer sich Nachts in deinen Kopf schleicht."
Sie setzt sich direkt neben mich und legt ihren Kopf auf meine Schulter. Jetzt habe ich wohl keine Wahl mehr, dennoch will ich aber auch wissen, was er für Bilder hat.
,,Na gut, ich zeige ihn dir", antworte ich leicht grinsend.
Ich nehme daraufhin mein Handy und öffne Instagram. Ich folge ihm zurück und klicke auf sein Profil. Er ist 19 Jahre alt, interessant.
Ein ,,Uhhh", entfährt plötzlich Mary und sie drückt hektisch auf ein Bild. Sofort beiße ich mir auf die Unterlippe. Ich kann es mir kaum verkneifen, auf diesem Bild sieht er so verdammt gut aus. Dass ich ihn so schnell Oberkörper frei sehen würde, hätte ich jetzt nicht gedacht, vor allem glänzt sein Sixpack im Sonnenlicht, während er an einer weißen Wand steht. Dieses Bild sieht definitiv nach einem Urlaub aus.
,,Ich kann schon verstehen, dass du ihn wiedersehen wolltest, das würde ich auch, wenn ich so träumen könnte wie du", gibt Mary ganz verlegen von sich.
,,Hallo?", gebe ich empört von mich.
,,Was denn? Jetzt tue doch nicht so, du findest ihn genauso hot."
Ich beiße mir wieder auf die Unterlippe und gebe etwas nach. ,,Du hast ja recht, er ist wirklich hot."
Diesen Fakt kann man einfach nicht verleugnen. Ich beginne durch seine ganzen Bilder zu scrollen und alle sehen unglaublich süß aus, es sind zwar nur zehn Stück, aber mehr braucht es auch nicht. Wie es aussieht, war das eben wohl das einzige Oberkörper freie Bild. Am liebsten hätte ich es ja geliket, aber das wäre schon komisch gekommen. Er scheint auch wohl eine Katze zu haben, denn mit der liegt er oft kuschelnd auf einem Sofa. Ich sage es ja immer wieder, einmal im Leben eine Katze sein. Aber gut, sonst scheint sein Profil sehr trist zu sein, mehr als sein Alter konnte ich nicht wirklich in Erfahrung bringen. Wenn ich mehr wissen will, muss ich ihm wohl einfach schreiben.
Ich tippe auf den Nachrichten Button. Oh man, was schreibe ich denn jetzt. Nachdenkend blicke ich kurz hoch zur Decke. Ich habe es.
,,Hey, hier ist Nathan"
,,Dein Ernst?", gibt Mary plötzlich von sich, als sie von mir abgeht. ,,Hey hier ist Nathan. Mehr nicht? Oh man, du machst dich aber auch ganz schön rar." Sie sieht mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an und schüttelt daraufhin ihren Kopf.
,,Was denn? Ich will das langsam angehen", antworte ich verteidigend.
,,Ja ist ja gut, ist schließlich dein Boy, vielleicht bin ich auch nur neidisch, denn seine Bilder brachten mich schon eben ins Schwitzen."
Wir beide können einfach nicht mehr ernst bleiben und fangen schlagartig an zu lachen. Sie ist echt ein Knaller, aber verübeln kann ich ihr es nicht, denn bei den Bildern wurde mir aber auch schon ganz warm.
,,Ach ja, ist das schön, so gut habe ich wirklich schon lange nicht mehr gelacht."
,,Das freut mich, na komm, lass uns jetzt irgendwas machen", antwortet sie mir grinsend. Sie steht auf und geht zu ihrer Kommode auf der anderen Seite des Zimmers neben ihrer Zimmertür. Sie scheint schon irgendwas vorzuhaben, aber darauf kommen, tue ich nicht.
Sie dreht sich um und streckt mir, stark am Grinsen, etwas entgegen. Verwundert stehe ich flott auf, worauf sie auf mich zu kommt.
,,Ist es das, was ich denke?", frage ich sie ganz erschrocken.
Sie nickt.
,,Aber woher? Wie? Weißt du, wie gefährlich das ist, dass du das besitzt?"
Ich drücke die DVD mit ihren Händen runter und schaue ihr ernst ins Gesicht.
,,Man jetzt hab dich nicht so." Mit verdrehten Augen geht sie von mir ab und geht zum Fernseher. ,,Ich habe sie ausgeliehen und dachte, du würdest dich freuen."
,,Tut mir leid, ich freue mich ja, wirklich nur...", ich setze ab und setze mich aufs Bett. ,,Ich weiß auch nicht, ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir wegen sowas, etwas zustoßen würde."
,,Hey, ist schon okay, mir passiert schon nichts, versprochen. Ich habe die nur von einer Freundin ausgeliehen, mach dir wirklich keinen Kopf", entgegnet sie mir aufmunternd und setzt sich zu mir, dabei streichelt sie mir mehrmals über den Rücken.
,,Ich kann es einfach nicht glauben." Ich nehme die Packung der DVD und blicke auf sie. ,,Diesen Film wollte ich schon immer sehen. Du hast einfach Love Simon, ich kann es gar nicht glauben. War es das, was du nach der Schule noch erledigen wolltest?"
Sie nickt. Kurz darauf kommen mir sogar ein paar Tränen, die ich nicht mal aufhalten wollte.
,,Oh nein, weine bitte nicht, du bist so süß."
Sie schließt mich in eine Umarmung. ,,Danke", flüstere ich ihr etwas aufgewühlt ins Ohr.
,,Na komm, lass uns den Film ansehen, ich bin selber schon ganz gespannt."
Sie macht den Fernseher an und startet den Film. Ich kann es gar nicht glauben, dass wir uns den jetzt echt ansehen. Ich könnte wirklich schreien. Nachdem was heute Morgen war, erlebe ich gerade den besten Tag seit langem, abgesehen von der Aktion mit meiner Mutter und der Therapiesitzung. Ich weiß auch nicht, ob das Glück ist oder ein Verdienst meiner Taktik. Ich wurde nämlich noch nicht einmal diese Woche gemobbt. Na gut, ich hatte gerade zwei Tage Schule, aber dennoch, bis jetzt ist es ruhig und das ist gut. Darüber nachdenken, was die nächsten Tage passieren könnte, will ich im Grunde aber auch nicht. Jetzt kann ich endlich entspannen und das komplett Sorgenfrei.
Bereits gefesselt an dem Bildschirm, obwohl noch gar nichts passiert ist, kommt mir plötzlich ein Gedanke. Irgendwas wollte ich doch noch tun. Warte mal. Oh nein, meine Mutter. Verdammt, ich wollte ihr doch noch schreiben. Ganz hektisch nehme ich mein Handy in die Hand und öffne ihren Chat auf WhatsApp.
,,Hey, ich wollte dir nur sagen, dass ich bei Mary übernachte, daher mach dir keine Sorgen."
Nachdem ich diese Nachricht abgeschickt habe, kommt mir ein Gedanke, als ich die Nachricht nochmal lese. Als ob sie sich Sorgen machen würde? Wie komme ich überhaupt darauf, ich könnte ihr nicht egaler sein. Und dass sie mich geschlagen hat, auch wenn ich vielleicht nicht die besten Aussagen getätigt habe, werde ich ihr nie verzeihen.
Da das endlich erledigt ist, lege ich mein Handy zur seit, lehne mich an Mary und genieße den Film. Ich freue mich unglaublich sehr auf diesen Film, ich hätte echt nicht gedacht, dass dieser Traum schneller in Erfüllung gehen würde als erwartet.
,,Ich dachte, du würdest nicht kommen?", fragt Simon überrascht.
,,Dachte ich auch. Ich dachte ich packs nicht, bis ich endlich auf dich zugegangen bin."
Oh nein, das Ende ist so nah, ich kann es spüren. Es ist so unglaublich, dass die beiden endlich im Riesenrad sitzen. Mir kommen schon fast die Tränen. Es soll nicht enden, ich liebe diesen Film unglaublich sehr. Oh mein Gott, das Riesenrad bewegt sich. Die zwei fahren immer höher. Ich zerdrücke schon beinahe Mary ihre Hand, was sie aber nicht stört, da sie genauso vom Film gefesselt ist wie auch ich
,,Bist du enttäuscht, dass ich es bin?"
Nein", spricht er verlegen, bewegt sich daraufhin auf Bram zu und küsst ihn mit einer unglaublich leidenschaftlich.
Ich kann einfach nicht anders, mir kommen gerade die Tränen. Das ist unglaublich, die beiden sind endlich zusammen, ich liebe es. Nachdem der Film zu Ende ist und der Abspann über den Bildschirm läuft, sehe ich zu Mary und bemerke das sie gerade genauso emotional ist, wie auch ich.
,,Mary... danke... dieser Film war unglaublich...", schluchze ich ganz aufgewühlt.
,,Gerne und ja, das fand ich auch", antwortet sie mir und wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. ,,Ich schwöre dir Nathan, genau sowas wird auch dir passieren, dafür sorge ich, ich würde alles tun, damit du dieses Glück zu spüren bekommst."
Mir fehlen gerade jegliche Worte. Ich sehne mich in diesem Moment wirklich nach nichts anderem als das. Und ehe ich mich versehe, habe ich Mary bereits fest in meinen Armen.
,,Ich sage das tatsächlich echt selten, aber ich danke dir, ich danke dir für alles. Du bereicherst mein Leben auf eine unglaubliche Art und Weise, wie es niemand kann. Du gibst mir Kraft und bist immer für dich da, ich liebe dich und wüsste nicht, wo ich ohne dich wäre, danke, danke das du mir Hoffnung gibst, auch wenn ich oft am Weinen bin und vor Negativität nur so trotze... was wahrscheinlich, vor allem für dich echt belastend ist... nur ohne dich... ich würde wahrscheinlich gar nicht mehr... du bist einfach der beste Mensch, den ich kenne..."
,,Oh Nathan, nicht weinen, sonst muss ich umso mehr weinen. Was du gerade gesagt hast... ich bin einfach nur noch sprachlos... ich... ich liebe dich auch und werde immer für dich da sein... du bist ein unglaublich starker Mensch und ich weiß, dass du irgendwann die große Liebe finde wirst. Halte einfach durch, ich bin bei dir und werde dir immer zur Seite stehen...", flüstert sie genauso aufgelöst wie auch ich zu mir zurück.
,,Best friends forever?", spricht sie etwas lachend, entfernt sich aus der Umarmung und formt mit ihren Fingern ein kleines Herz.
,,Best friends forever", erwidere ich auch etwas Lachen und mache auch mit meinen Fingern ein Herz.
,,Mary, kommst du mal runter", unterbricht uns plötzlich eine rufende weibliche Stimme.
,,Ja ich komme", ruft sie laut zurück und wischt sich die Tränen aus den Augen. ,,Ist dir mal aufgefallen, dass wir, wenn wir zusammen sind, immer weinen?", fragt sie ganz lachend.
Ich zucke Grinsend, ahnungslos die Schultern. Ich weiß echt nicht, was sie meint.
Kurz darauf verdreht sie ihre Augen und seufzt. ,, Warte kurz hier, okay, ich bin gleich wieder da, mal, schauen, was meine Mutter will."
Mary verlässt das Zimmer und sprintet die Treppen herunter, was ich förmlich bis hier hören kann. Ob sie das immer so macht? Bei meinen Eltern hätte ich schon längst das Testament schreiben müssen, wenn ich so die Treppen herunterlaufen würde. Aber das ist auch einfach Mary, ihre aufgekratzte und etwas rebellische Art kann man auch einfach nur lieben, sie lässt sich auch nie etwas sagen. Jedoch, als ich gerade mein Handy entsperren wollte, höre ich jemanden brüllen. Was ist denn jetzt los? Erschrocken stehe ich langsam auf und gehe Richtung Tür. Das Gebrüll wird immer lauter, je mehr ich mich der Tür näher. Das hört sich an, als würde sich da jemand streiten. Vorsichtig und langsam gehe ich den Flur zur Treppe entlang, immer mehr kann ich verstehen, was hier gebrüllt wird. Bei der Treppe angekommen verstehe ich alles Glas klar, da wohl die Küchentür offen steht.
Und jetzt höre ich auch Mary schreien. Das hört sich nach einem heftigen Streit mit ihren Eltern an. Nie hat mir Mary erzählt, was bei ihr zu Hause eigentlich los ist, ich habe immer geahnt, dass etwas nicht ganz stimmt. Zwar sagt sie immer, ihre Eltern haben Probleme, aber das hier mitzubekommen, lässt gerade echt mein Herz höher schlagen.
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