Kapitel 4 - Mars

Ich öffne meine Augen und schnell durchströmt mich Panik, als ich aus dem Fenster sehe. Ich näher mich in einer hohen Geschwindigkeit dem Mars. Immer wieder durchzuckt die Kapsel heftige Vibrationen, die die gesamte Kapsel erzittern lässt. Mein Herzschlag beschleunigt sich schlagartig, und ich klammere mich an die Bedienelemente. Wie konnte das passieren, verdammt. Ich dachte, die Verbindung wäre nicht beschädigt, warum zum Teufel stürzen ich ab, scheiße. Die Instrumente vor mir zeigen alarmierende rote Lichter. Die Lage der Kapsel verschlechtert sich rapide. Das war echt eine blöde Idee, ich hätte es einfach lassen sollen, verdammt. Hektisch laufe ich umher, um die Kapsel irgendwie wieder in den Griff zu kriegen, aber Fehlanzeige. Die Zeit scheint sich immer mehr zu dehnen, und ich kann nichts anderes mehr tun, als zusehen, wie der Mars immer näher kommt.

In diesem augenblicklichen Schreckmoment begreife ich, dass der Absturz unausweichlich ist. Ich bin nur noch Sekunden von der Oberfläche entfernt, und die Schwerkraft des Roten Planeten zieht mich erbarmungslos an. Meine Gedanken rasen, während die Umgebung um mich herum chaotisch wird. Kann ich überhaupt im Traum sterben? Was mache ich nur, aufwachen kann ich jetzt auch nicht.

,,Verdammt", schreie ich auf und schlage wiederholt auf das Kontrollpanel. Ich habe keine Wahl, ich muss einfach beten, dass dies gut ausgehen wird. Schließlich kann im echten Leben nichts passieren, das hoffe ich zumindest. Ich lehne mich in den Sitz zurück und ziehe den Gurt noch fester zu, dabei kralle ich mich am Sitz fest, als ich sehe, dass ich dem Boden des Mars immer näher komme. Mit geschlossenen Augen bete ich dass alles gut werden wird und dass ich Mary, in meinen Armen haltend, alles erzählen kann.

Ein ohrenbetäubender Aufprall erschüttert plötzlich die Raumkapsel, und ich werde gegen meinen Sicherheitsgurt geschleudert. Der Staub und die Trümmer fliegen durch die Kabine, und die Welt um mich wird zu einem Wirbelsturm aus Chaos und Verwüstung. Das metallische Ächzen der Kapsel und das Knistern elektronischer Geräte füllen die Luft, wodurch meine Augen aufspringen und kurz darauf ein lautes ,,Ahhh" meine Kehle entfährt, als ich sehe, worauf ich zu geschleudert werde. Reflexartig schließe ich wieder meine Augen und kralle mich mit voller Kraft fest an den Sitz. Ich kann den Aufprall schon förmlich spüren, Gott bitte lass das gut ausgehennnnnn. ,

,Ahhhhh."

,,Ahh, verdammt", gebe ich schmerzerfüllt von mir. ,,Mein Kopf, verdammt, er dröhnt." 

Ich kann irgendwas Warmes auf meiner Stirn spüren, was ist das nur. Ich fühle mich irgendwie benommen und desorientiert. Schwerfällig versuche ich, meine Augen zu öffnen. Alles ist verschwommen, aber nach einem Moment wird alles klarer. Verdammt, ich hänge Kopf über im Sitz, der Gurt hat mich festgesetzt, scheiße, ich kriege ihn nicht auf. Langsam hebe ich meine Hand an die pochende Stelle an meinem Kopf. Das ist also das warme, ich blute, mist. 

,,Ich wusste nicht mal, dass ich im Traum bluten kann", räuspere ich etwas lachend, aufgrund dieser verwunderung, vor mich hin. Okay, Lachen ist keine gute Idee. Mein Körper fühlt sich an, als wäre er eben fast zerquetscht worden. Ich muss hier irgendwie raus, ich muss schauen ob noch irgendwas heile ist. Doch Fehlanzeige, überall um mich herum sind Instrumente zersplittert, Trümmer verstreut und elektronische Geräte in Rauch und Qualm gehüllt. Die ganze Kapsel ist völlig deformiert, die kann ich jetzt ganz vergessen, sie wird mir nicht mehr helfen. Nur sollte ich schleunigst hier raus, nicht dass sie noch gleich explodiert. Aber dafür muss ich diesen Gurt aufkriegen.

,,Verdammt, warum geht er nicht auf", meckere ich laut beim Versuch sie zu öffnen. Das muss doch gehen. Mit aller Kraft versuche ich sie weiterhin zu öffnen, bis sie schließlich aufgehen. Mit einem dumpfen Aufprall lande ich dann schnell auf dem Boden der Kapsel, wobei mir ein unbekannter Schmerz in meinem Körper deutlich wird, der wohl durch den Druck der Gurte unterdrückt wurde.

Jeder Atemzug ist plötzlich schmerzhaft, und ich taste immer wieder meine Stirn, um den Blutfluss zu stoppen, während ich mich weiter umsehe. Es ist wirklich alles hinüber, verdammt, wie konnte das nur so schiefgehen. Ich war doch bestens drauf vorbereitet, vielleicht sorgte ja doch der letzte Traum für mehr Schaden als mir bewusst war. Ich muss es aber positiv sehen, ich habe es auf den Mars geschafft und oh, der Kreisel, jetzt sehe ich ihn wieder, er dreht sich immer noch. Irgendwie muss ich dadurch Grinsen, dass er sich wirklich noch dreht ist einfach genial. Außerdem habe ich ihn diesmal nicht gebraucht, was wohl an den Absturz auf den Mars liegen könnte. Was sagt eigentlich meine Uhr? 

Ich hebe meinen Arm und stelle schnell fest, dass auch der schmerzt. Das gibt echt blaue Flecken, zumindest im Traum. Schwerfällig gelingt es mir auf die Uhr zu blicken, sie zeigt die Zahl fünf an. Dann habe ich ja noch genug Zeit. Plötzlich muss ich feststellen, dass mir die Beine und Füße wehtun, als ich mich einen Schritt bewege. Dabei wird mir auch ganz schwummrig. Ich fühle mich als hätte mich ein LKW überfahren. Doch es nützt nichts, ich muss hier raus und das schnell.

Mit jedem schmerzhaften Schritt, den ich Richtung Ausgang mache, kämpfe ich mich durch die Trümmer in der Kapsel, die sich zu einem gefährlichen Hindernisparcours entwickelt haben. Meine Hände sind blutverschmiert, und der pochende Schmerz in meinem Kopf droht, mich immer mehr zu überwältigen. Doch ich darf keine Zeit mehr verlieren, ich habe nur noch die Hälfte und durch den Absturz weiß ich, einen dritten Versuch zu wagen sollte ich definitiv nicht erwägen.

Nach einem endlos scheinenden Kampf erreiche ich die beschädigte Ausstiegsluke der Kapsel. Sie steht halb offen und gewährt einen Blick auf die raue, unwirtliche, sandige Marsoberfläche. Zögernd rutsche ich durch die schmale Öffnung und pralle mit meinem Hintern auf dem Boden. Was für einen Moment echt wehtut, trotz der niedrigen Höhe und geringeren Schwerkraft. Der Anblick ist auch wie beim ersten Mal überwältigend, stelle ich fest, nachdem ich mich mit dem Rücken an die Kapsel gesetzt habe. Die Landschaft ist von roten Staub und felsigen Formationen geprägt, und in der Ferne erstreckt sich eine lebensfeindliche, öde Wüste. Ich bin aber auch echt froh diesen Absturz überstanden zu haben, ich kann einfach nicht anders als zu Lachen. Niemand anderes als ich kann so verrückt sein und sich über einen Absturz auch noch amüsieren, auch wenn das Lachen echt Schmerzen tut, aber das ist mir egal. Vielleicht muss ich einfach aus Erleichterung lachen. Ich meine, ich habe es tatsächlich geschafft, scheiße ja, wenn ich hier bin, kann mich die ganze Welt mal gerne haben.

,,Wuhhhh", schreie ich laut in die Weiten der Landschaft, es tut einfach gut, es ist wie ein Kick. Vielleicht sollte ich öfters mal Abstürzen. Aber gut, Spaß beiseite, ich habe schließlich eine Mission. Ich muss diesen Typen finden, ich frage mich nur, ob er auch diesmal auftauchen wird und was frage ich ihn eigentlich, wenn er da ist? Ich hätte da eigentlich mal drüber nachdenken müssen, ist ja nicht so das ich kaum Zeit habe und noch dazu, das ich nach eben, einen dritten Versuch definitiv nicht wagen werde. Eine kleine Ewigkeit sitze ich nun an der Kapsel und denke nach, währenddessen blicke ich immer wieder auf die Uhr, denn zulange herumsitzen darf ich mir auch nicht erlauben. Falls es wie beim letzten Traum sein wird, dürfte er wieder zur acht auftauchen. Nur diesmal muss ich dieser Verbindung zur Traumwelt standhalten, sofern er natürlich auftaucht. Ein bisschen unbehaglich wird mir allerdings schon bei der Sache, da es wirklich nicht möglich sein kann. Warte mal, auch wenn es wissenschaftlich gesehen unmöglich ist, wer behauptet, dass es das denn auch sein muss? Das menschliche Gehirn ist derartig komplex, irgendwo gibt es immer etwas, wodurch es funktionieren könnte. Gruselig wäre das aber dennoch, wenn wir alle verbunden sein könnten, was würde das nur bedeuten? Allein diese Vorstellung lässt mein Kopf explodieren, es gibt einfach zu viel, was wir noch nicht über uns wissen, aber macht das das nicht gerade interessant? Diese Gedanken lassen mich echt einiges hinterfragen, was ich über das Luzide Träumen bisher gewusst habe, denn was mich noch mehr verwundert, ist der Punkt, wie zur Hölle kann ich mich im Traum derartig schmerzhaft verletzen, das ist doch genauso ein Ding der Unmöglichkeit? 

Überfordert von den ganzen Gedanken sitze ich an der Kapsel und blicke in den roten Himmel, während ein leichter Windzug über mein Gesicht weht und sich meine Nackenhaare aufstellen. Es ist so still hier, wie in meinem Zimmer. Wenn die Erde dauerhaft so still wäre, würde doch alles viel besser sein, zumindest glaube ich das, da ich dann mir nichts mehr anhören müsste. Obwohl, nein, dann würde jeder alles aufschreiben, na super, also müsste jeder noch dazu blind sein oder wie? 

Ich sollte aber langsam aufstehen, nicht dass die Kapsel gleich noch Feuer fängt und explodiert, falls es nicht schon in der Kapsel bereits brennt. Mit einem starken Ruck, drücke ich mich von der Kapsel ab und stehe dabei mit Schwung auf, was direkt ein schmerzliches Stechen in meinen Körper auslöst. Mist, meine Beine und Brust, sie schmerzen echt sehr, aber wenigstens fühlt sich mein Kopf etwas besser an, was mich wundert, da ich dort eigentlich noch bluten müsste. Schritt für Schritt bewege ich mich von der Kapsel weg, dabei halte ich meine Hand an meine Stirn, da sie plötzlich dank der Bewegung wieder weh tut. Durch die veränderte Schwerkraft, fühlt es sich zum Glück leichter an, zu laufen, wodurch die Schmerzen in den Beinen nicht ganz so stark sind. 

Ich bin jetzt gefühlt schon hundert Meter über den roten Planeten gelaufen und nichts, auch meine Uhr zeigt mittlerweile die acht an. Ich hätte es wissen müssen, es hätte einfach nicht real sein können, es wäre auch eigentlich zu schön gewesen, um wahr zu sein. Keine Ahnung, warum ich mir dennoch, auch wenn ich wusste, dass unmöglich wäre, gewünscht habe, dass es real sein würde. Irgendwie habe ich mir es gewünscht, auch wenn ich Mary habe, wäre es einfach schön noch jemanden bei mir zu wissen, einen weiteren Freund, der mich akzeptiert, wie ich bin und mit mir sogar zusammen durch diese Träume reisen könnte, was ich leider mit Mary nicht kann. 

Ich kann spüren, wie ich langsam auf die Knie gehe und eine Leere sich in mir ausbreitet. Verdammt, diese blöden Tränen, wie konnte ich nur derartig blöd sein. Da hab ich mal einen Tag, wo mein Kopf voll ist, weil ich über einen schwulen Kronprinzen und seinen Freund erfahre, einen Traum von einem Typen habe, der mich völlig aus der Bahn wirft und nebenbei echt süß ist und somit meinen Wunsch jemanden bei mir zu haben verstärkt, weil ich mich so einsam fühle und endlich aus dieser Stadt entkommen will. Das Ende vom Lied, ich stürtze auf diesem einsamen Planeten und werde meiner Enttäuschung vom eigenen Leben bewusst. Ich kann einfach nicht mehr, die letzten Wochen seit dem Vorfall auf der Brücke, ließ ich nichts mehr zu, nicht mal Emotionen und jetzt bin ich wieder am Ende, weil alles dennoch seinen Weg gefunden hat.

,,Scheiße", schreie ich verzweifelt in die weiten der Mars Landschaft und schmeiße dabei meinen Helm in die Ferne. Ich wünschte ich könnte nur einmal aufhören zu denken, dann wäre mein Leben viel einfacher und ich wäre keine Enttäuschung, für niemanden, nicht mal für meine Eltern.

,,Piep Piep"

,,Ach verdammt", flüstere ich schluchzend vor mich hin, als ich auf meinen Arm zur piependen Uhr blicke. Es ist neun, es war wirklich alles umsonst, ich habe nichts herausgefunden. Mary wird wahrscheinlich total enttäuscht sein, sie wollte unbedingt das dieser Typ echt ist, aber das wollte ich irgendwie auch. Es sieht aber danach aus, als wäre er wohl nur eine Projektion meines Unterbewusstseins gewesen, im Grunde hatte ja jeder schon mal so einen Traum, in dem man sich nach der Liebe sehnt. 

,,Na gut, dann mal zurück in die Wirklichkeit", seufze ich vor mich hin und lege meinen Finger auf den Seiten Knopf der Uhr. Ich schließe meine Augen und atme noch einmal tief ein und aus, dabei fließt mir noch eine Träne an der Wange herunter. 

,,Warte", flüstert plötzlich eine sanfte Stimme hinter mir, welche mein Herz zum Rasen bringt. Das kann nicht sein, das ist unmöglich. Mit großen geschockten Augen blicke ich nach vorne und beginne mich langsam umzudrehen. Je mehr ich mich drehe, desto höher wird mein Herzschlag, er hämmert regelrecht gegen meine Brust, doch dann bleibt es stehen und meine Augen werden noch größer. 

,,Wer bist du? Ich habe deine Kapsel abstürzen gesehen und bin dir bis hierher gefolgt", spricht er sanft zu mir und legt dabei verwundert seinen Kopf auf die Schulter. 

,,I-ich habe d-dich gesucht", bringe ich stotternd vor Aufregung hervor.

Verwundert legt er jedoch seinen Kopf auf die andere Schulter und sieht mich fragend an. ,,Aber wir kennen uns doch gar nicht?"

,,I-ich war bereits gestern h-hier", antworte ich hektisch, da ich bereits spüre, wie sich der Traum immer mehr zum Ende neigt.

,,Gestern?", fragt er ganz irritiert von meiner Aussage.

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