Kapitel 3 - Zuhause

Nach etwas weg, kann ich auch schon mein Haus sehen. Ich habe den ganzen Weg nur an diesen Blaine, seinen mysteriösen Freund und an meinen Traum denken müssen. Ich weiß nicht wieso, aber so voll war mein Kopf schon lange nicht mehr, es ist, als würde sich gerade jede Routine in mir ändern. Seit ich den Traum hatte, fühle ich mich einfach anders. Und kurz darauf, noch am selben Tag, gibt es einfach einen höchstwahrscheinlich schwulen Kronprinzen, über den weltweit berichtet wird, das ist doch crazy. Ich bin auch noch immer unentschlossen, ob ich wirklich diesen Traum replizieren sollte? Ich will eigentlich nichts mit diesem Typen zu tun haben, aber innerlich, will ich ihn einfach wiedersehen, auch wenn er nicht echt ist, ich will ihn wiedersehen. Irgendwie habe ich es ja auch Mary versprochen. Ach was solls, was habe ich schon zu verlieren. 

Vor der Haustür meines kleinen, bescheidenen Hauses angekommen, krame ich den Haustürschlüssel aus meinem Rucksack. Als ich ihn habe, stecke ich ihn in das Schloss und öffne die Tür. Drinnen angekommen, lasse ich vorsichtig die Tür hinter mir ins Schloss fallen und ziehe meine Schuhe aus. Bin ich froh, dass meine Eltern noch nicht da sind, dann kann ich mir ja in Ruhe etwas zu essen machen und muss somit auch nicht heute mit meinen Eltern speisen. Wenigstens muss ich mir dann nicht wieder irgendwas anhören. Freudestrahlend alleine zu sein, begebe ich mich in die Küche, welche sich auf der anderen Seite des Flurs befindet. Wie schön wäre das nur, wenn ich ganz alleine in diesem Haus wohnen würde, das wäre echt ein Traum. Apropos Traum, ich muss noch schauen wie ich den Vorbereite, schließlich wird das nicht so einfach sein den zu replizieren.

Erstmal aber mache ich mir etwa zu essen. Ich nehme mir daher eine Tiefkühlpizza Speziale aus dem Gefrierschrank und heize den Backofen vor. Wartend, dass er vorheizt, lehne ich mich an den Herd und hole mein Handy hervor und öffne WhatsApp. Ich sollte Mary noch schreiben das ich zuhause bin, denn sonst macht sie sich noch mehr Sorgen, als sie es ohnehin schon tut.

,,Hey sweetheart, ich wollte dir nur sagen, dass ich zu Hause bin und es mir gut geht. Was hast du eigentlich Frau Smith erzählt?"

Ehe ich aus dem Chat gehen kann, antwortet Mary mir bereits, sie hat wahrscheinlich die ganze Zeit auf eine Nachricht von mir gewartet.

,,Freut mich sehr das du gut zu Hause angekommen bist, ich hatte mir ehrlich gesagt echt Sorgen gemacht und Frau Smith, ja, es war, als wüsste, sie bereits was los sei, ich musste ihr nicht mal etwas sagen. Ich glaube wirklich, du kannst ihr vertrauen, wenn etwas ist."

Nett ist Frau Smith definitiv, da hat sie schon recht, aber ihr zu vertrauen? Ich weiß nicht. Zu oft vertraute ich anderen Menschen und wurde erbarmungslos verletzt. Sie ist eine Lehrerin in einer intoleranten Stadt, auch wenn sie sagte dass sie Homosexualität schön findet, weiß ich nicht, wie weit ich ihr das glauben kann. Warum hatte sie mir nie geholfen oder war für mich da? Oder hatte sie einfach Angst, mir zu helfen? Ich meine, diese Schule ist wirklich verkorkst und jeder Lehrer erzittert vor dieser Gang. Vielleicht sollte ich zumindest darüber nachdenken, schließlich würde auch Mary sonst keine Ruhe geben.

,,Ich weiß nicht, sie wirkt eigentlich ganz nett,  ich werde darüber nachdenken."

Seufzend mache ich mein Handy nach der letzten Nachricht aus und lege es neben die Herdplatte. Kurz darauf ertönt auch schon das Piepen des Backofens. Perfekt, dann mal rein mit der Pizza. Ich packe die Pizza aus und lege sie aufs Blech und stelle einen Timer auf zwölf Minuten.

Hunger habe ich definitiv, denn heute Morgen hatte ich mir nur ein Toast gemacht, weil ich einfach keine zeit mehr hatte und vom Frühstück meiner Eltern war auch nichts mehr übrig. Das ist aber auch wieder ein gutes Beispiel, woran man es gut merkt. Sie haben sich nicht gewundert, wo ich den ganzen Morgen geblieben bin, genauso wenig haben sie mir etwas zu essen übrig gelassen. Ich bin ihnen einfach schlichtweg egal, ich meine, sie wollen nie, was über mich wissen, wenn wir reden, es geht immer nur um meine Therapien. Mich wundert es überhaupt, dass sie mich noch nicht rausgeworfen haben, wahrscheinlich wäre mir das sogar lieber.

Ich könnte dann einfach bei Mary leben und hätte auch einen guten Grund dies zu tun. Sie würde mich nie abweisen, sondern mit einer Umarmung ins Haus lassen. Während ich weiter auf die Pizza warte und immer wieder mit meinen Gedanken abschweife, plane ich wie ich das heute Abend nur mit dem Traum mache. Im Grunde werde ich es nur Mary zur liebe tun, da sie es genauso wie ich interessant findet. Ach man, wenn ich sie nur mitnehmen könnte, dann wäre alles viel cooler. Nachdem ich mir mehr oder weniger einen Plan zusammen gereimt habe, ertönt auch das Geräusch des Timers. Die Pizza ist fertig. Ich schnappe mir schnell zwei Ofenhandschuhe, hole das Blech raus und schalte den Backofen aus. Jetzt noch ein Teller, die Pizza schneiden, alles wieder wegpacken und für den restlichen Tag mich in meinem Zimmer verkriechen. Schnell, mit dem saftigen Geruch der Pizza Speziale in der Nase, welche mit Schinken, Champignons und Salami belegt ist, laufe ich die Treppe zu meinem Zimmer hoch. Dieser Geruch betäubt regelrecht meine Sinne und lässt das Wasser in meinem Mund zusammen laufen. Sie ist einfach meine Lieblingspizza.

In meinem Zimmer angekommen, verschließe ich die Tür, setze mich auf mein Bett und mache den Film Harry Potter und der Feuerkelch an. Ich liebe einfach Harry Potter, die Filme zählen für mich zu den besten Überhaupt. Leider kann ich mir keine Filme wie Royal Blue, Love Simon oder Serien wie Élite, Young Royals, wo ich direkt an Blaine denken muss oder Heartstopper ansehen, von denen ich so viel positives gehört habe. Denn selbst mit der besten VPN komme ich in dieser Stadt nicht an diese Inhalte, denn solche Serien und Filme sind hier einfach schlichtweg verboten und warum? Weil es dort hauptsächlich um LGBTQ+ Inhalte handelt. Es gibt welche, die es probiert haben und trotzdem erwischt wurden und was mit denen passiert ist, kann man sich ja denken. Wegen homosexueller Handlungen und des Konsums von LGBTQ+ Inhalten, droht einem hier eine Haftstrafe, die sehr unterschiedlich ausfällt. Außerdem werden auch die täglichen Therapiesitzungen mit dieser Strafe verbunden, welche man sich dann jeden Tag über sich ergehen lassen muss. Wenn man so darüber nachdenkt, ist das doch einfach nur krank.

Jetzt aber Schluss mit solchen Gedanken, ich denke da viel zu viel drüber nach, sonst kommen mir gleich wieder die Tränen und außerdem läuft ja Harry Potter. Da kann ich dann auch straflos zum Beispiel Cedric ganz süß finden und meine angestaute Wut an Umbridge im nächsten Teil auslassen. Diese Gedanken bringen mich einfach zum Grinsen und retten mir den Tag, ich meine, wer kann denn auch bitte Umbridge leiden? Jedoch ist es traurig, dass Cedric im vierten Teil stirbt, der Arme, er hat wirklich etwas besseres verdient als so einen frühen Tod zu sterben, nur leider kann ich da nichts gegen tun. Gebannt am Film, esse ich nebenbei meine Pizza und sitze im Schneidersitz auf dem Bett. 

,,Tief in Ihrem Inneren wissen Sie, dass Sie eine Bestrafung verdienen. Nicht wahr, Mr. Potter?"

,,Ey du pinke Mondkalbs-Matratze, lass Harry zufrieden", gebe ich wütend von mir und werfe ein Kissen Richtung Fernseher. Gott wie ich Umbridge hasse, sie ist wirklich eine blöde Pute. Wer die leiden kann, hat echt Lack gesoffen. Wahrscheinlich können nur andere Schreckens-Omis die leiden, denn das sind genau diese Omis, die immer an den Fenstern sitzen und jeden und alles beobachten. Wie komme ich nur immer auf diese Beleidigungen? Die sind ja an Kreativität nicht zu übertreffen.

,,Jungen und Mädchen dürfen sich nicht näher als acht Zentimeter nähern"

,,Haha du blöde Stute, ich bin Gay, was willst du jetzt tun? Hmm?", frage ich laut an Umbridge gerichtet. An die Gays unter den Jungs und Mädchen hatte sie wohl nicht gedacht. Schön das sie die Jungs und Mädchen verzaubert hat, aber Jungs und Jungs können sich dennoch nähern, genauso wie Mädchen und Mädchen. Dann haben ja Harry und Draco wohl echt keine Wahl mehr, hihi. Okay Spaß beiseite, das wird leider eh nie passieren, denn dann dürfte auch der Film in dieser Stadt nicht mehr gezeigt werden, irgendwie schade. Aber na ja, da bleibt mir wohl nur noch meine Fantasy, dagegen kann man nichts machen. Ich bin aber bestimmt nicht der einzige mit dieser Fantasy.

Jetzt läuft auch schon der Abspann über den Bildschirm. Das war echt toll und oh, es ist schon Abends. Langsam muss ich anfangen, alles vorzubereiten für die anstehende Nacht. Nachdem ich gerade zwei Teile Harry Potter gesehen habe, bin ich mittlerweile echt aufgeregt und optimistisch. Luzides Träumen ist schließlich schon fast wie Magie. Und wie zu erwarten, wurde ich bis jetzt nicht einmal runter gerufen, denn meine Eltern sind schon seit fast drei Stunden da, aber ich bin denen einfach schlichtweg egal. Aber besser für mich wenigstens muss ich mir nichts anhören. Dennoch macht mich das irgendwie traurig, ich wünschte ich hätte Eltern, die mich lieben, wie ich bin, doch das Schicksal meinte es wohl nicht gut mit mir. Das verstehe ich sowieso nicht, wieso kriegen die meisten Menschen Kinder, wenn sie doch genau wissen, dass auch dieses Homosexuell oder sogar trans sein könnten? Das zum Thema nicht mehr darüber nachdenken. Ist aber auch egal, jetzt muss ich langsam echt anfangen den Traum vorzubereiten. 

Ich setze mich auf den Bettrand und nehme mein Traumtagebuch aus meinem Nachttisch. Ich blättere es auf die Seite 476. 

,,Erstmal muss ich mir den Traum von letzter Nacht aufschreiben, wie mache ich das am besten, hmm?", frage ich nuschelnd an mich selbst gerichtet und kaue dabei etwas auf meinem Stift herum. Dabei blicke ich zum Fenster heraus. Ich hatte ehrlich gesagt noch nie eine derartige Situation gehabt. Ich darf wirklich nichts falsch machen, wenn das heute Nacht gelingen soll. Ich hoffe nur meine Traumbindung zu dieser Art von komplexen Träumen, wurde nicht zu sehr gestört vom Vorfall letzter Nacht. Hmm, jetzt habe ich es. Stück für Stück schreibe ich nun meinen Traum auf, bewusst erwähne ich diesen Typen nicht. Denn wenn das funktionieren soll, darf ich mich definitiv nicht auf ihn konzentrieren. Das hat einfach den Grund, wenn er nämlich echt ist, dürfte er dennoch auftauchen, obwohl ich mir ihn nicht vorstelle. Obwohl das echt zu einer Schwierigkeit werden könnte, da ich den ganzen Tag schon an den Traum denke, andererseits dürfte es dadurch etwas leichter werden dorthin zu gelangen. Naja, eigentlich denke ich ja nur an den Typen und nicht an den Mars, upps. 

Jetzt habe ich es, das muss ich mir dann durchlesen, wenn ich mich schlafen lege. Dadurch wird mein Bewusstsein für die Traumwelt verstärkt, außerdem fördert das allgemein die psychologische Vorbereitung auf den Traum. Ich muss auch einen Schlüsselgegenstand in meinem Traum finden. Es ist sehr wichtig, denn wenn ich Träume und ihn sehe, muss ich mir sofort zu hundert Prozent klar werden, dass ich mich in Traum befinde. Was in meinem Fall, wie ich es auch schon oft gelesen habe, ein Kreisel ist, denn normalerweise, wenn man ihn dreht, fällt er ja irgendwann um, doch im Traum dreht er sich bis ins Unendliche weiter. Das praktische an einem Kreisel ist auch, aufgrund seiner Größe, kann er den Traum auch nicht stören, wodurch er problemlos weitergeht.

Da ich jetzt mit dem Tagebuch fertig bin, ist als nächstes die Meditation wichtig, damit ich mich auch auf den Traum einstimmen kann. Das ist eine Methode, die für mich wirklich gut funktioniert. Zur Vorbereitung auf diese Meditation, muss ich erstmal das Rollo heruntermachen, damit der Raum schön dunkel wird und natürlich auch das Licht ausschalten. 

Nachdem ich das getan habe, kann es auch schon losgehen. Ich setze mich wieder in den Schneidersitz auf mein Bett und schließe meine Augen. Ich lasse meinen Atem gleichmäßig fließen, und finde langsam zu meiner inneren Ruhe. Mit jeder Einatmung spüre ich, wie frische Energie in mich strömt, und mit jeder Ausatmung lasse ich Anspannung und Gedanken los.

Ich beginne mir vorzustellen, wie ich mit einer Rakete schwebend im Weltraum umherschwebe. Mein Körper fühlt sich leicht an, als ob die Schwerkraft keine Rolle mehr spielt. Die Sterne funkeln um mich herum, und der Mars erscheint in der Ferne als roter, faszinierender Planet.

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Mars und visualisiere, wie ich langsam auf seine Oberfläche zusteuere. Mit jedem Atemzug komme ich dem Planeten näher. Ich spüre die Aufregung, die in mir aufsteigt, während ich mich mit der Rakete immer mehr nähere.

Ich lande sanft die Rakete auf den roten Boden und verlasse sie durch die Luke. Die Atmosphäre fühlt sich anders an, leichter und kühler. Ich beobachte die rauen Landschaften, die Mars Berge und die rote Umgebung. 

Während ich mich auf dem Mars bewege, spüre ich die Freiheit und die Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen. Mit einem letzten tiefen Atemzug beende ich wieder die Meditation und öffne meine Augen. Ich fühle mich gestärkt und abgestimmt auf den Traum. Ich kann spüren, dass meine Bindung genauso stark wie letzte Nacht ist, trotz des Abbruchs. Ich blicke auf mein Handy um die Uhr zu lesen, es ist zwanzig Uhr und ich fühle mich bereit. Es kann losgehen. Mit einem leichten Lächeln stehe ich auf, mache das Licht wieder an und ziehe mich aus. Zur Sicherheit stelle ich mir noch einen Wecker, da man nie weiß, was passieren kann, und kurz darauf bereite ich alles für die Schule vor und mache meinen Rucksack fertig. Nachdem alles erledigt ist, kann es losgehen. Ich lese nochmal mein Traumtagebuch, mache das Licht aus und lege mich in mein Bett. Ich schließe meine Augen und fange an, die MILD-Technik (Mnemonic Induction of Lucid Dreams/Mnemonische Induktion von luziden Träumen) anzuwenden, mit der ich mir immer wieder sage, gleich im Traum luzide zu sein.

Ich werde gleich im Traum luzide sein...
Ich werde gleich im Traum luzide sein...
Ich werde gleich im Traum luzide sein...

Die Dunkelheit umgibt mich immer mehr, als ich beginne mich auf das zu konzentrieren, was vor mir liegt. Mein Atem verlangsamt sich, und ich spüre, wie mein Körper leichter wird, als ob er schwebt. Der Übergang beginnt.

Die Geräusche der realen Welt verblassen allmählich, während ein sanftes Summen in meinen Ohren auftaucht. Es ist, als würde die Wirklichkeit in den Hintergrund treten, und ich merke, wie mein Bewusstsein sich verlagert.

Plötzlich fühle ich ein Kribbeln, als ob tausend kleine Funken durch meinen Körper strömen. Es ist, als würde die Energie in mir erwachen, bereit, die Grenzen der Realität zu sprengen. Ich spüre, wie ich mich von meinem Bett löse, meinen Körper verlasse, und in die Leere eintauche.

Die Dunkelheit um mich herum wird durchdrungen von leuchtenden Farben und Formen, die sich vor meinen geschlossenen Augen entfalten. Mein Herzschlag beschleunigt sich vor Aufregung.

Mit einem plötzlichen Bewusstseinsblitz und ein immer stärker werdenen ruckeln, begreife ich, dass ich mich nicht mehr in der realen Welt befinden kann...




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