4. Hedwig
Ich rekelte mich unter der Bettdecke und gähnte laut, nachdem ich aufgewacht bin. Die Matratze war überraschender Weise gar nicht so ungemütlich, wie ich anfangs geglaubt habe, und geschlafen habe ich auch ganz gut.
"Du machst witzige Geräusche wenn du schläfst."
Ich zuckte zusammen und fuhr erschrocken hoch, wodurch ich in der Tür meinen Entführer sehen konnte. Aber irgendwie war es auch nicht mein Entführer.
Im Gegensatz zu Dennis und Patricia wirkte er fröhlich und so überhaupt nicht bedrohlich. Er saß grinsend im Türrahmen und trug einen gelben Trainingsanzug, seine Stimme wirkte leicht beknackt und er lispelte.
"Ich bin Hedwig. Ich habe rote Socken an."
Einen Moment war die ganze Situation so verrückt, dass ich mir nicht mehr sicher war, ob ich nur träumte. Aber nein. Als ich die Augen zu- und wieder aufmachte, saß 'Hedwig' noch immer da. Ich zögerte und fragte dann leise:
"Wie alt bist du?"
Er machte eine Art Dehnübung, stretchte sein Arme und meinte stolz: "Neun."
Ich starrte ihn mit großen Augen an. Ich war sprachlos.
"Er ist auf dem Weg."
Ich stockte. "Wer?"
"Das darf ich nicht sagen. Aber er hat schlimme Dinge mit Leuten gemacht und er macht schlimme Dinge mit euch."
Alles klar. Ein neunjähriger Erwachsener und irgendein Ding das mich höchstwahrscheinlich umbringen will. Obwohl ich ein wenig Panik bekam, zwang ich mich ruhig zu bleiben und an meine Flucht zu denken. Ich sagte Hedwig, ich wolle ihm etwas zuflüstern und er kam neugierig auf mich zu. Ich sagte leise in sein Ohr:
"Er wird auch dich holen. Dieses Mal will er auch einen Jungen haben, weißt du?"
Hedwig sah mich erschrocken an und seine Augen wurden feucht. "Nein, das kann nicht sein Ms. Patricia und Mr. Dennis meinten, nur euch will er haben. Ms. Patricia sagte, sie ist nicht mehr sauer auf mich."
Ich schluckte und fühlte mich etwas mies dabei praktisch einen Neunjährigen zu verarschen, aber was blieb mir schon anderes übrig? "Sie ist wohl doch noch etwas böse auf dich." Sobald ich das gesagt hatte, kullerte eine kleine Träne aus dem Augenwinkel von Hedwig und er rannte traurig aus dem Zimmer, verschloss die Tür hinter sich und ignorierte meine Rufe.
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Am nächsten Tag kam ich gerade aus dem Badezimmer, als Dennis plötzlich herein kam. Er trug einen Eimer voller Putzsachen in der Hand und erklärte irgendwie genervt, welche Farbe für was gedacht war, ehrlich gesagt hörte ich kaum zu, bis er angewidert ins Bad und gleich wieder zurück schaute. "Das...Das ist ja widerwertig, ich weiß, du siehst das hier nicht als dein Zuhause, aber musst du denn so ein Chaos machen?"
Er hielt mir auffordern den Eimer hin und ich nahm ihn nach kurzem Zögern entgegen und ging ins Bad, auf die Knie, und begann zu putzen. Es würde nicht besonders lange dauern, mein Onkel zwang mich auch immer zu Hausarbeiten, also war ich für mein Alter ein echter Profi.
Dennis stand im Türrahmen und sah mir einfach nur zu, wodurch ich irgendwie nervös wurde. Dann sagte er: "Hedwig hat erzählt du hättest ihm Angst gemacht. Es gehört sich nicht ein Kind zu ärgern. Das zeigt wer man wirklich ist." Mist. Hedwig war eine Petze. Dennis fuhr drohend fort, während ich die Putzsachen wieder zurück in den Eimer stellte. "Eigentlich müsste ich dich bestrafen." Meine Augen weiteten sich vor Angst.
".... Aber fürs erste reicht es, wenn du mir dein Shirt gibst, es ist staubig."
Ich zog es teilweise erleichtert aus und gab es ihm, dann schritt er zur Tür. Kurz bevor er rausging, musterte er mich durchdringend mit seinen grauen Augen und ein Schauer lief mir über den Rücken.
"Aber vergiss nicht, du bist mir etwas schuldig."
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