Kapitel 4

Scheinbar war ich eingeschlafen, denn ich schlug die Augen auf, als sich neben mir jemand (oder etwas) regte. Zunächst erschrocken blickte ich mich um, aber nachdem ich die braunen Locken Leos neben mir erkannt hatte, beruhigte ich mich sichtlich und schloss noch einmal die Augen. "Destiny? Bist du wach?", flüsterte der Braunhaarige mir zu. Grummelnd schüttelte ich den Kopf und kuschelte mich enger an den Wärmespender, was diesem ein leichtes Lachen entlockte. Schwach schlug ich in seine Seite, um ihn zum Schweigen zu bringen, doch das verstärkte seine Lacher nur. "Was willst du, Leoooo?", langsam und sehr schwerfällig richtete ich mich auf. Jetzt sah der Latino gar nicht mehr so erfreut aus. Sein Gesicht wurde ernster und ich erkannte, dass er sich sehr verändert hatte, seit er hier angekommen war. "Ich brauche deine Hilfe", seine Stimme war durchzogen von Bitterkeit, als würde es ihm nicht passen, jemanden um Hilfe zu bitten. Ich legte meinen Kopf zur Seite und wartete auf weitere Erklärungen, doch Leo schwieg und starrte nach vorne. Sein Blick wirkte leer, mir war, als schaute er sich etwas an, das nicht existierte. "Bei was brauchst du meine Hilfe?", fragte ich leise. Dies holte ich scheinbar aus seiner Trance. "Ich will Calypso von dieser Insel herunterholen, aber ich hab' keine Ahnung wie, nichts funktioniert", gestand er mir. Das Fangirl in mir war kurz vorm Sterben und ich musste den Siegestanz echt zurückhalten. "Es wird funktionieren, das verspreche ich dir! Komm! Steh auf!", ich sprang auf und zog an seinem Arm. Mit verwirrtem Blick folgte er mir aus Percys Kabine, in der nebenbei bemerkt noch alle schliefen, obwohl wir uns nicht bemüht hatten, leise zu sein.

"Wohin gehen wir?", fragte Leo atemlos, aber ich ignorierte seine Fragen gekonnt. Ich musste mit meiner großen Schwester aufwachsen und irgendwann hatte ich dann gelernt, Kommentare und dumme Fragen zu ignorieren. Leider wollte der Sohn des Hephaistos sich nicht so recht darauf einlassen und kurzerhand blieb er einfach stehen und zog mich zurück. Natürlich stolperte ich und riss ihn mit mir zu Boden. Nun lagen wir zusammen im Dreck und ich kriegte mich nicht mehr ein vor Lachen. Leos Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Durch leicht geweitete Augen und mit offenem Mund starrte er mich an. Ihm war anzusehen, dass er zwischen Überraschung, Verwirrung und Wut entschied.
"Jetzt vertrau mir doch einfach mal", ich verdrehte meine Augen, bevor ich mich aufrappelte und dem Lockenkopf meine Hand entgegen hielt. Er zögerte einen kurzen Moment, doch schließlich seufzte er und ließ sich von mir nach oben ziehen. Seine braunen Augen musterten mich kurz, weil ich nicht sofort wieder los stürmte. Stattdessen zog ich ihn sanft aber bestimmt hinter mir her zu einem ihm sehr bekannten Ort.
"Hier wären wir! Mach auf", grinsend deutete ich auf die Tür von Bunker 9. Der Sohn des Hephaistos zog eine Augenbraue hoch (ein Talent, das ich selbst unglücklicherweise nicht beherrschte) und blickte mich fragend an. Ohne ihm irgendeine Antwort auf seine Fragen zu geben, deutete ich direkt auf die Tür. Endlich gab er sich geschlagen und öffnete diese für uns. Innerhalb der Tage nach dem Krieg hatte sich vieles verändert. Nun verbrachte die komplette Hütte ihre meiste Zeit hier und dementsprechend unordentlich und voller Geräte war der Raum auch. Beeindruckt blickte ich zwischen den technischen Geräten und den Plänen hin und her. Es war wundervoll, wie verbunden man mit seiner Arbeit sein konnte. Plötzlich räusperte sich Leo neben mir. Irgendwie hatte ich ihn vor lauter Staunen schon wieder vergessen.
"Also?"
"Also, lass dich inspirieren! Bau etwas total Abgefahrenes, wie du es immer tust umd hör auf, verdammt nochmal, in der Ecke rumzuheulen wie ein Schlosshund, weil es nicht auf Anhieb klappt! Zeig mal ein bisschen Ehrgeiz", ich breitete meine Arme aus, um ihm zu zeigen, mit was er hier alles arbeiten konnte.
"Es ist unmöglich, Destiny...es gibt Regeln, Grenzen", er schüttelte mit leidendem Ausdruck den Kopf. Wenn ich einen Eimer Wasser zu Hand gehabt hätte, wäre mein Gegenüber jetzt klatschnass. So musste er sich mit einer alten Weisheit begnügen.
"Es gibt keine Grenze außer die, die wir selbst ziehen", ich nahm seine Hand und führte ihn an den Plänen vorbei. Dabei zeigte ich ihm Dinge, die mich daran faszinierten wie zum Beispiel einen Roboter, der seine Gestalt in eine bestimmte andere verwandeln soll oder ein Stromsicherheitsnetzwerk, das von einem seiner Geschwister entwickelt wurde. Dann begann ich, ihn über verschiedene Teile und Zusammenhänge auszufragen. Währenddessen spürte ich die Freude, die von ihm ausging, sobald er in seinem Element war. Er redete und fing an, Pläne zu machen. Einer verrückter als der andere, jedoch half ich ihm dabei. Zusammen überlegten wir, welche Möglichkeiten es für uns gab.
Am Schluss saßen wir in einer dunklen Ecke im Bunker, die nur durch das Feuer in Leos Hand erhellt wurde. Diese zog mich in einen Bann und ich beobachtete, wie sie sich bewegte und flackerte.
"Glaubst du, wir können es wirklich schaffen?", fragte der Braunhaarige nachdenklich. Sein Blick war so hoffnungsvoll. Er musste Calypso wirklich lieben. Lächelnd nickte ich.
"Für jedes Problem gibt es eine Lösung", vielleicht machte ihm das nicht unbedingt mehr Hoffnung, aber ich wusste, wenn einer das schaffen konnte, dann war es Leo. Das, was ihm fehlte, war das Vertrauen in seine Fähigkeiten und sich.
"Danke, Destiny, nach heute bin ich dir wirklich etwas schuldig..."
"Warum denn, Quatschkopf?", lachend schlug ich ihm gegen den Arm. Er stimmte kurz mit ein, wurde dann aber ernster.
"Weil du dir mein Gelaber angehört hast, obwohl du höchstens die Hälfte verstanden hast", er legte seinen freien Arm und zog mich in eine halbe Umarmung, weil er in der anderen Hand immer noch die Flamme hielt.
"Immer wieder gerne", ich zwinkerte ihm zu und er lachte ein weiteres Mal.
"Destiny? Leo?", ich schreckte auf. Wie lange waren wir schon hier?


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