Kapitel 10 [Eve]
Mein Blick war leicht verschwommen, als ich mit kühler Miene den Gemeinschaftsraum betrat. Im Augenwinkel sah ich Daisy bereits wieder an ihrem Platz sitzend, doch ich vermied es, ihr in die Augen zu blicken. Die Papierschnipsel wogen in meiner Hosentasche schwer wie Steine, doch ich wagte, es nicht, sie wegzuschmeißen. Vielleicht schmeiße ich sie einfach in den Kamin, wenn niemand hinsieht...
Ich versuchte möglichst unauffällig am Tisch vorbeizugehen, um den die anderen immer noch quatschend saßen, doch Cuinn lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, um mich am Vorbeigehen zu hindern.
Seine Augen sahen mich fragend an. Ich legte den Kopf schief, als wisse ich nicht, wieso er mich aufhielt, und quälte mir ein Lächeln auf die Lippen. Trotz Cuinns skeptischem Blick, zwängte ich mich an seinem Stuhl vorbei und murmelte etwas von Kopfschmerzen, ehe ich zur Treppe stakste und sie mit zittrigen Knien erklomm. Ich widmete den schönen Gemälden an den Wänden nur einen kurzen Blick, denn sie erschienen mir auf einmal düster und böse. Das breit lächelnde Rotkäppchen, welches über die Blumenwiese lief, kam mir gekünstelt vor und auch Schneewittchen, die mit den sieben Zwergen um einen runden Tisch Apfelkuchen aß, wirkte kalt und hinterlistig.
Im zweiten Stock angekommen, stürmte ich in mein Zimmer und atmete tief durch, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen hatte. Erst als ich im Bad auf dem kleinen Hocker saß und in den Spiegel starrte, kamen die Tränen. Wie Flüsse strömten sie über meine geröteten Wangen und landeten tropfend auf dem keramischen, kalten Waschtisch. Mein Blick bohrte sich in die roten Augen meines Spiegelbilds. Diese verdammte Ähnlichkeit zu ihm...
Das Pochen in meinem Kopf übertönte das Rauschen des Wasserhahns, während ich mir mein Gesicht wusch. Immer und immer wieder befeuchtete ich mein Gesicht, als könnte ich dadurch meine Erinnerungen abwaschen, doch alles blieb gleich.
Schluchzend erhob ich mich und verließ das Bad, denn ich konnte es nicht mehr ertragen. Meine Augen richteten sich aus dem Fenster, starrten die weiße Schneelandschaft an, die so ruhig und gelassen dalag. Ich verspürte den Drang, die sanften Schneeflocken auf meiner Haut zu spüren, die endlose Stille in meinem Kopf zu hören. Frische Luft in meiner Lunge, die mir endlich das Gefühl gab, wieder zu atmen.
Ich wischte mir noch einmal über das Gesicht. Hoffentlich sind die anderen bereits auf ihrem Zimmer...ich will nicht, dass mich jemand in diesem Zustand sieht.
Einen kurzen Moment zögerte ich, ob ich wirklich raus wollte, doch meine Sehnsucht nach der frischen Luft war größer als die Angst, jemand könnte meine verweinten Augen sehen, weshalb ich mir einen noch wärmeren Pulli überwarf und noch einmal einen kurzen Blick in den Spiegel warf. Nur noch leicht gerötete Wangen und ein trüber Blick deuteten darauf hin, dass ich geweint hatte.
Zufrieden verließ ich das Zimmer und stieß im nächsten Moment mit Seraya zusammen. Sie vermied es, mir in die Augen zu blicken und murmelte eine Entschuldigung. Ich verharrte im Gang und beobachtete, wie sie an Zimmer 15 vorbeilief, obwohl es ihres war, und schnurstracks weiterlief. Sie klopfte bei Daisys Zimmer 17 an und als diese nicht öffnete, wandte sie sich an mich. „Weißt du, was gerade mit ihr los war?", wollte sie von mir wissen und ihre braunen Augen sahen mich besorgt an. Ich schluckte und versuchte möglichst unbeschwert zu klingen.
„Nein. Ist etwas mit ihr passiert?"
„Naja, nachdem sie von der Toilette zurückgekehrt ist, war sie nervös. Und dann ist sie mit roten Augen auf ihr Zimmer gegangen." Wie gut, dass Seraya weit genug von mir steht, um nicht auch meine roten Augen zu sehen.
Ich zuckte unwissend mit den Schultern und lächelte ein wenig. „Aber ich denke, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen", meinte ich, woraufhin Seraya die Augen zusammenkniff und mich forschend musterte. Dann erwiderte sie das Lächeln, was ihre schönen, weißen Zähne aufblitzen ließ. Ich winkte ihr zu und drehte mich um, um rasch nach unten zu gehen. Ich wollte keine Fragen beantworten. Ich brauchte Stille. Zeit zum Nachdenken.
Der Gemeinschaftsraum war glücklicherweise schon leer bis auf Paul, der sich ausgiebig mit Juna unterhielt. Sie schienen mich kaum zu bemerken, worüber ich mehr als froh war, denn Juna konnte gefühlt selbst in tiefster Dunkelheit, jeden Gesichtsausdruck deuten.
Im Korridor schlüpfte ich in meine Stiefel und den schwarzen Mantel und trat nach draußen. Es fühlte sich an, als hätte ich die ganze Zeit über die Luft angehalten und würde erst jetzt wieder aufatmen. Die Kälte strömte in meine Lunge und erfüllte mich mit einer Klarheit, wie ich sie lange nicht mehr verspürt hatte. Die Schneeflocken tanzten im blassen Licht der Sonne, die zwischen ein paar Wolken hervorlugte. Ich musste mehrmals blinzeln, um mich an das Licht zu gewöhnen, doch schon kurz darauf, konnte ich mit einem ehrlichen Lächeln durch den Schnee stapfen, die winzigen Schneekörperchen auf meiner trockenen Haut spüren und die Stille genießen.
Ohne, dass ich es bemerkte, trugen mich meine Beine über das schneebedeckte Feld, bis hin zu dem Abgrund, der uns von allen Seiten umgab. Trotz des Gefühls von Harmonie und Frieden, spürte ich einen Stich in meinem Herz, denn durch die gestürzte Brücke fühlte ich mich eingesperrt und eingeengt. Wir kommen hier nicht weg.
Ich schüttelte den Kopf und versuchte, meine Gedanken zu befreien. Rationalität war gefragt, ich konnte mich nicht von Angst und Panik leiten lassen. Mein Blick schweifte über die weiße Weite und ich schritte langsam am Abgrund entlang, nach einer bestimmten Stelle suchend. Meine zusammengekniffenen Augen wanderten an der Kante entlang, und hellten sich unwillkürlich auf, als ich an der Stelle ankam, an der ich das letzte Mal gestanden hatte. Hier ist die einzige Stelle an der man hinabklettern könnte.
Doch weiter als der Theorie war ich auch das letzte Mal nicht gekommen, denn wenn man ganz unten im Abgrund angekommen wäre, gab es keinen Weg auf der anderen Seite wieder hochzuklettern. Ich wandte mich um und entdeckte Kai und Cuinn, die bestimmt zwanzig Meter weiter, am Abgrund standen und wie ich in die Tiefe blickten. Suchen sie wie ich nach einem Weg über den Abgrund? Wahrscheinlich.
„Hey, kommt mal hierher und schaut euch das an!", rief ich ihnen kurz entschlossen zu und winkte sie zu mir.
Ihre Blicke schossen zu mir und auch wenn ihre Mienen undefinierbar waren, entging mir ihr kurzer Blickwechsel nicht. Ich vermied jeglichen Blickkontakt, als sie zu mir getreten waren, und deutete in die Tiefe vor mir. „Falls niemand kommt, und uns hilft, wäre das die letzte Alternative", sagte ich. Cuinn beugte sich leicht vor und starrte hinab, skeptisch blickte er wieder zu mir. „Ja, theoretisch könnte man da runterklettern", meinte Kai, der ebenfalls den steilen Abhang musterte. Diese Stelle war nicht ganz so steil wie die Anderen und an den leichten Erhebungen konnte man sich möglicherweise festhalten.
„Das Problem ist, wie man von dort dann wieder auf der anderen Seite hochkommt", warf Cuinn ein und ich hob nickend den Blick. „Darüber habe ich auch schon nachgedacht", sagte und seufzte. „Vielleicht gibt es einen Weg, den wir von hier aus einfach nicht sehen können."
„Aber dafür müsste einer von uns da runter und nachsehen", beendete Kai meinen Satz, woraufhin wir alle schwiegen.
„Nur im Notfall", erklärte ich. „Das machen wir nur, wenn uns nichts anderes mehr übrigbleibt." Cuinn lachte auf und richtete seine dunklen, stechenden Augen auf mich. „Und was genau bedeutet für dich ‚wenn uns nichts anderes mehr übrigbleibt'? Wenn die Vorräte aufgebraucht sind? Wenn wir hier fünf Jahre verbracht haben?"
„Wenn wir hier so lange verbracht haben, dass wir fast mit hundertprozentiger Sicherheit sagen können, dass uns niemand helfen wird", erwiderte ich spitz und machte nicht einmal mehr die Anstalten, Blickkontakte zu vermeiden.
„Und wer wird klettern?", fragte Cuinn deutlich leiser und ich biss mir auf die Lippen, denn genau diese Frage hatte ich befürchtet. „Niemand wird dazu gezwungen", sagte ich kühl. „Irgendjemand von uns wird sich freiwillig melden."
„Und ich nehme an, dieser jemand wirst nicht du sein, oder?", fragte Cuinn fast schon sanft, doch ich konnte den Vorwurf in seinen Augen sehen. „Ich meine das nicht böse. Aber es ist naiv zu glauben, jemand würde sich dafür freiwillig melden. Dieser Weg ist viel zu riskant."
„Vielleicht sollten wir erst einmal abwarten, ob das überhaupt nötig sein wird", schaltete sich Kai ein, was Cuinn und mich gleichermaßen wunderte, denn Kai war normalerweise der letzte, der eine Diskussion beenden wollte.
Doch nun blickten seine braunen, gereizten Augen zwischen uns hin und her, als würde er nur darauf warten, dass einer von uns ihm widersprach. „Wir warten jetzt erstmal, verstanden? Das hast du selber vorhin gesagt, Eve!" Seine Stimme klang zornig, doch ich vernahm in ihr ebenfalls ein Zittern.
Ich entspannte meine Schultern. „Du hast Recht", sagte ich und warf Cuinn einen warnenden Blick zu. Sein funkelnder Blick verharrte noch einen Moment auf mir, ehe auch er seine Haltung lockerte und selbstbewusst lächelte. „Natürlich."
Kai nickte uns zu und begann, ohne weitere Worte, in Richtung Haus zu gehen. Cuinns und meine Augen folgten ihm, bis er die Haustür des Rubinpalasts öffnete und in der Wärme verschwand. Schweigend standen wir da, ohne den Blick vom Haus abzuwenden, doch meine Gedanken waren woanders. Weit, weit weg, in einem kleinen Appartement in dem es außer einem alten Badezimmer und einer Küche nur ein winziges Kinderzimmer und ein Schlafzimmer gab. Alte Tapeten hingen von der Wand, doch die junge Frau und der Junge waren sorglos. „Ich habe eine Überraschung für dich, Stevie", sagte die junge Frau. „Aber du musst versprechen, dass du Mama und Papa nicht davon erzählst." „Aber wieso denn, Eve?" Die junge Frau in meinen Erinnerungen lächelte breit, doch ich wollte schreien, sie anflehen, zu schweigen. „Du musst dir darüber keine Gedanken machen. Mama und Papa verstehen es nicht." „Was verstehen sie nicht?", wollte der Junge wissen, seine Augen strahlten so unglaublich schön. „Dass du wundervoll bist, so wie du bist." Der Junge umarmte die junge Frau. Ich spürte sie noch immer, seine warmen Arme, die mich umschlungen hatten, als wäre ich die einzige Person, die ihn halten könnte.
„Eve", flüsterten die Erinnerungen in meinem Kopf. „Eve, du hast doch nicht geglaubt, du könntest davor wegrennen, oder?"
„Weißt du, Eve", riss mich Cuinns Stimme wieder ins Jetzt, ließ mich nach Luft schnappen, als die Bilder von dem kleinen Zweizimmer-Appartement verblassten. „Ich finde, du bist es mir schuldig, zu sagen, was du im Büro gefunden hast." Mein Blick, der eben noch auf der Haustür gelegen hatte, schoss zu Cuinn, der mich gelassen ansah. Ich straffte die Schultern und erwiderte seinen Blick ungerührt, wobei ich hoffte, dass man mir meine Tränen nicht mehr ansah.
„Bitte erspar es dir, zu leugnen, dass du im Büro warst", erwiderte Cuinn etwas genervt, als ich ihm einen scheinbar irritierten Blick zuwarf. „Noah wollte euch vorhin folgen und ich habe ihn abgelenkt, damit du und Daisy euch in Ruhe im Büro umsehen konntet." Ich hob eine Augenbraue. „Und wieso wolltest du nicht, dass er uns folgt? Er hat doch genauso ein Recht darauf, zu erfahren, was im Büro ist wie Daisy und ich." Cuinns Mundwinkel zuckten. „Es würde dich also nicht stören, ihm zu erzählen, was ihr gefunden habt? Wieso habt ihr dann noch nicht alle zusammengerufen, um uns darüber zu berichten?"
„Weil wir nichts nützliches gefunden haben!", erwiderte ich, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Ich finde es beunruhigend, wie gut du lügen kannst, Eve", meinte Cuinn und rieb sich die Schläfen. „Meinst du, niemandem ist aufgefallen, wie blass du und Daisy wart, nachdem ihr zurückgekommen seid? Daisy ist gerade auf ihrem Zimmer und heult sich vermutlich die Augen über irgendetwas aus und du...", sein Blick huschte über mein Gesicht und er brauchte seinen Satz nicht zu beenden, denn ich wusste bereits, was er meinte.
Es kostete mich viel Kraft, ruhig zu bleiben. „Na gut", sagte ich zögernd und suchte nach Worten, die die Wahrheit möglichst grob beschrieben. „Wir haben Akten gefunden, in denen sehr vertrauliche Informationen über uns stehen." Cuinns Gesicht war unverändert und er bedeutete mir, weiterzusprechen, während wir uns in Bewegung setzten und am Abgrund entlang schlenderten.
„Daisys Daten müssen sie wohl sehr erschüttert haben", fuhr ich fort und musste unwillkürlich schlucken. „Ich frage mich, woher sie diese Informationen haben."
„Du hast sie gelesen?"
„Nur meine natürlich", sagte ich wahrheitsgemäß und spürte Cuinns forschenden Blick auf mir. „Deine Akte war die erste. Wir haben aber schnell umgeblättert", erklärte ich ihm und grinste. „Das einzige, was ich jetzt über dich weiß, ist, dass du vierundzwanzig bist und bei der Rowan & Son Company arbeitest." Cuinn nickte mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und ich bemerkte, wie sich seine Gesichtsmuskeln merklich entspannten. Dann wurde sein Blick wieder ernst.
„Was sind das wohl für vertrauliche Informationen, die Daisy so fertigmachen", überlegte er laut, doch ich schwieg nur. Hinterlistige Informationen. So privat, dass sie nicht hier sein sollten.
„Irgendetwas stimmt hier nicht", flüsterte ich. „Schon wieder passiert etwas seltsames." Ich schluckte und verfluchte mich selber für die Angst, die in meinen Worten schwang. „Was sollen wir nur machen?"
„Ich schätze, dieser Moment, in dem selbst du keine Antwort mehr hast, zeigt, wie ernst die ganze Sache ist", sagte Cuinn und auch, wenn seine Worte humorvoll gemeint waren, klang er hilflos.
„Wir sollten uns noch einmal im Büro umsehen", meinte Cuinn nach einigen Minuten, in denen wir nur schweigend durch den Schnee stapften. Mir missfiel der Gedanke, doch ich wusste selbstverständlich, dass mich meine Gefühle dazu verleiteten, so subjektiv zu denken.
Ich nickte zustimmend. „Und wir...sollten allen Bescheid geben, was wir gefunden haben", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, was mir sichtlich schwer fiel. Cuinns sonst spöttische Augen zeigten einen Hauch von Mitgefühl. „Ja, das sollten wir", pflichtete er mir bei. „Aber, vergiss nicht, was ich dir gesagt habe."
„Dass einer von uns möglicherweise schlechte Absichten hat und die Liste versteckt hat? Dass einer von uns das alles hier eingefädelt haben könnte?", fragte ich und auch wenn ich es nicht glauben wollte, wusste ich, dass wir alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen mussten. Cuinn nickte kaum merklich. Ich seufzte. „Trotzdem müssen wir es allen erzählen", sagte ich.
„Sie werden doch sowieso nichts über dich herausfinden, nehme ich an", sagte Cuinn und ich blickte ihn fragend an, was er nur mit hochgezogenen Augenbrauen quittierte. „Ich kenne dich nicht, Eve. Aber ich wäre blind, wenn ich nicht sehen würde, dass auch in deiner Akte etwas steht, was du niemanden wissen lassen willst."
Seine Stimme wurde leiser und er beugte sich mit einem Lächeln nach vorne. „Du hast sie zerstört, nicht wahr? Oder in deinem Gepäck verstaut oder im Schnee vergraben – völlig egal." Die Papierfetzen fühlten sich glühend heiß in meiner Hosentasche an, während ich nur starr Cuinns erwartungsvollen Blick erwiderte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und wandte den Blick ab. „Wie auch immer. Ich glaube kaum, dass man deine Akte noch in dem Ordner finden würde, wo die Anderen noch sind."
Ich wollte nichts sagen, doch selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich nichts außer einem Krächzen herausgebracht. Schritte erklangen hinter uns, doch wir verharrten auf der Stelle, mit den Augen auf die Gipfel gerichtet, die uns so nah waren und doch unerreichbar. Es begann, noch mehr zu schneien und die Flocken landeten auf meinem kalten Gesicht, worauf sie langsam schmolzen. „Danke, dass du mir davon erzählt hast, Eve", sagte Cuinn, ohne den Blick von der Aussicht zu reißen. Ein kalter Wind sauste über unseren Köpfen hinweg, während unsere Gedanken sonst wo waren. „Als hättest du mir irgendeine Wahl gelassen", murmelte ich, aber Cuinn lächelte trotzdem.
Die Schritte hinter uns wurden lauter und ich stellte plötzlich fest, dass wir genau an der Stelle standen, an der vor wenigen Tagen, die Brücke vor unseren Augen eingestürzt war.
„Cuinn! Eve!", erklang eine laute Stimme hinter uns und mein Herz begann zu rasen, als ich den panischen Klang heraushörte. Ich warf Cuinn einen raschen Blick zu, den er mit weit aufgerissenen Augen erwiderte. Wir fuhren herum und entdeckten Seraya, die auf uns zu lief. Obwohl sie noch relativ weit weg war, konnten wir beide die Angst in ihren Augen geschrieben sehen. Ohne zu zögern, lief ich ihr entgegen, dicht gefolgt von Cuinn, dessen blonde Haare vom Wind zerzaust waren.
Was ist passiert, formten meine Lippen und Seraya starrte und beide an. Für einen kurzen Moment stand ich in Gedanken wieder vor der einstürzenden Brücke, völlig hilflos, sah ich zu, wie Seraya in die Tiefe stürzte, wie ihr Körper auf dem Boden zerschellte, wie...
„Daisy", flüsterte Seraya nach Luft schnappend, als wir mitten auf dem verschneiten Feld aufeinander getroffen waren. „Sie ist weg."
Der Schnee fiel unaufhörlich und der Wind johlte weiter, als wäre nichts geschehen. Als wäre das hier ein ganz gewöhnlicher Urlaub im Schnee, als wäre alles wie es sein sollte. Doch das war es nicht. Natürlich nicht.
Der tiefe Abgrund schwieg und der blasse Himmel weinte.
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