Kapitel 7
Genya beugte sich langsam zu mir herunter, seine Hand schon an dem verdammten Ast, der wie ein lebenslanger Fluch in meinem Mund steckte. Ich spürte, wie die Hoffnung in mir aufkeimte – endlich würde ich wieder sprechen können! Doch bevor er überhaupt richtig zugreifen konnte, flog Sanemis Hand blitzschnell nach vorne und traf Genya so hart, dass er rückwärts stolperte.
„Was glaubst du, was du da machst?!" schnauzte Sanemi ihn an und funkelte ihn mit diesem typischen „Ich bin der große Bruder und weiß alles besser"-Blick an. Genya hielt sich die getroffene Wange und sah ihn fassungslos an.
„Ich wollte ihm helfen, Sanemi! Der Ast ist doch nicht nötig!" protestierte Genya und versuchte aufzustehen, aber Sanemi stellte sich vor ihn wie eine lebende Wand.
„Der Ast bleibt schön da, wo er ist", sagte Sanemi in einem Ton, der keine Widerrede duldete. „Wer weiß, was er anstellt, wenn er reden kann. Der Kleine ist jetzt ein Dämon. Wir können nicht riskieren, dass er durchdreht."
Ich starrte ihn mit großen, wässrigen Augen an. Meine einzige Möglichkeit zu protestieren war jetzt mein Trumpf: Tränen. Die ultimative Waffe eines jeden Kindes. Also öffnete ich meine Augen noch weiter, ließ die Lippen zittern, und dann... dann begann ich zu weinen.
Nicht leise, nicht zurückhaltend – ich legte alles rein, was ich hatte. Ein ohrenbetäubendes Schluchzen, das selbst den härtesten Stein hätte brechen können. Meine Tränen flossen wie ein Wasserfall, und ich trommelte mit meinen kleinen Fäusten auf Mitsuris Arm, um noch dramatischer zu wirken.
„Oh nein, er weint!" rief Mitsuri entsetzt und hielt mich noch fester an sich. „Sanemi, wie kannst du nur so gemein sein?!"
Genya setzte ebenfalls an: „Jetzt sieh doch, was du angerichtet hast! Er ist doch nur ein Kind!"
Sanemi verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. „Er ist ein Dämon. Und wenn ihr beide nicht bald aufhört, werde ich euch auch einen Ast in den Mund stecken."
Ich verstärkte mein Geheule. Ich schniefte laut, ließ mein Gesicht rot anlaufen und versuchte, dabei so bemitleidenswert wie möglich auszusehen. Mitsuri begann, mich zu wiegen und mir beruhigend über den Kopf zu streicheln.
„Schsch, alles wird gut, Muichiro", flüsterte sie, aber sie sah Sanemi dabei mit einem Blick an, der deutlich machte, dass sie ihn am liebsten erwürgen würde.
Gyomei, der die ganze Zeit still geblieben war, ließ ein schweres Seufzen hören. „Sanemi, vielleicht solltest du nachgeben. Sein Verhalten wirkt nicht bedrohlich. Er scheint nur überfordert zu sein."
Sanemi warf Gyomei einen ungläubigen Blick zu. „Überfordert? Er ist ein Dämon! Er könnte uns alle in einer Sekunde zerreißen, wenn er die Kontrolle verliert."
Ich unterbrach ihn mit einem besonders lauten Heulkrampf, ließ meinen Kopf zurückfallen und strampelte mit den Beinen. Sanemi sah so aus, als würde er sich gleich in Luft auflösen, nur um meinem Gejammer zu entkommen.
Obanai hingegen... sah aus, als hätte jemand einen Meteoritenschauer direkt auf ihn losgelassen. Er wirkte, als könnte er nicht entscheiden, ob er mich verachten oder bemitleiden sollte. Seine Augen huschten zwischen mir und Mitsuri hin und her, und jedes Mal, wenn Mitsuri mich etwas fester an sich drückte, schien er noch ein Stückchen mehr innerlich zu sterben.
„Das ist nicht auszuhalten", murmelte Sanemi schließlich und presste die Finger gegen seine Schläfen. „Muichiro, hör sofort auf zu weinen, sonst–"
Ich heulte noch lauter. Wenn ich nicht sprechen konnte, würde ich meine Gefühle eben so mitteilen. Es war schließlich mein Recht als... als Dämonenkind! Mitsuri versuchte, mich zu beruhigen, indem sie sanft auf meinen Rücken klopfte, aber ich nutzte den Moment, um Sanemi direkt anzustarren – mit großen, tränenüberströmten Augen.
„Du bist so herzlos", schienen meine Augen zu sagen, während ich ein weiteres, herzzerreißendes Schluchzen von mir gab.
Sanemi knurrte genervt. „Das ist lächerlich."
Genya trat einen Schritt vor und hielt sich immer noch die Wange. „Vielleicht solltest du ihm einfach den Ast rausziehen. Er hat doch nichts getan, oder?"
„Noch nicht", entgegnete Sanemi. „Aber das liegt nur daran, dass er den Ast im Mund hat. Ich rette uns allen das Leben."
„Rette uns vor deinem Ego", murrte Genya und funkelte ihn an.
Mitsuri schüttelte den Kopf und sah zu Gyomei. „Gyomei-san, was denkst du? Sollten wir es riskieren?"
Gyomei legte die Hände vor sich zusammen und dachte einen Moment nach, während ich weiter schniefte und versuchte, Mitsuri mit meinen kleinen Händen an mich zu ziehen. „Ich denke, wir sollten die Situation abwägen. Aber wenn sein Verhalten weiterhin kindlich bleibt, könnten wir es wagen, den Ast zu entfernen."
Sanemi starrte Gyomei an, als hätte der gerade vorgeschlagen, dass wir alle eine Teeparty mit Muzan veranstalten sollten. „Das ist Wahnsinn. Ihr werdet es bereuen."
Ich nickte eifrig – zumindest innerlich. Natürlich war es keine schlechte Idee! Der Ast musste raus! Mitsuri streichelte weiter meinen Kopf, während Genya sich zu mir hinunterbeugte.
„Wir kriegen das hin, Muichiro", flüsterte er leise und lächelte mich an.
Sanemi seufzte genervt. „Wenn er jemanden beißt, bin ich nicht schuld."
Ich heulte noch ein letztes Mal, um meinen Punkt klarzumachen: Der Ast musste raus.
Sanemi knurrte genervt, seine Hände um den Ast fest umklammernd, während er so kräftig daran zog, dass ich dachte, er würde mir den Kopf gleich mit abreißen. Ich wollte ihm helfen und den Ast loslassen, wirklich – aber meine Zähne hatten sich wie eine Schraubzwinge fest darin vergraben. Keine Chance, dass der Ast sich rührte.
„Verdammt, Muichiro!" fluchte Sanemi, seine Stimme gereizt. „Lass endlich los!"
Ich sah ihn mit meinen großen, unschuldigen Augen an, die ganz klar sagten: „Denkst du, ich mache das mit Absicht?!" Ich brummte durch den Ast und bewegte meine Hände, um ihm irgendwie klarzumachen, dass ich genauso genervt war wie er.
„Vielleicht solltest du vorsichtiger sein, Sanemi!" rief Mitsuri besorgt, die immer noch in sicherer Entfernung stand. „Du könntest ihm wehtun!"
„Das ist ein Dämon, Mitsuri!" schnappte Sanemi zurück und stemmte einen Fuß gegen meinen Brustkorb, um mehr Hebelkraft zu haben. „Ein verdammt nerviger Dämon! Wenn ich ihm wehtue, heilt das sowieso sofort wieder."
Ich brummte wieder, dieses Mal etwas wütender. „Ich bin immer noch hier!" wollte ich ihm sagen, aber der Ast blockierte jegliche Möglichkeit, meinen Standpunkt klarzumachen.
Genya, der das Ganze mit verschränkten Armen beobachtete, schüttelte nur den Kopf. „Du machst es nur schlimmer, Nii-san. Vielleicht solltest du es einfach lassen."
„Ich lasse gar nichts!" entgegnete Sanemi stur. „Dieser Ast kommt raus, ob er will oder nicht."
Er zog erneut mit brutaler Kraft, aber der Ast rührte sich keinen Millimeter. Stattdessen spürte ich, wie meine Zähne noch tiefer in das Holz gruben, weil Sanemis Zug meinen Kiefer nach vorne riss. Mein Kopf wurde regelrecht nach hinten geschleudert, und ich brummte panisch. „Hör auf, bevor du mir den Kiefer ausrenkst!"
Gyomei, der die ganze Szene mit seiner üblichen Ruhe beobachtete, sprach schließlich mit seiner tiefen Stimme. „Sanemi, vielleicht sollten wir einen anderen Ansatz wählen. Gewalt scheint nicht zu funktionieren."
„Was soll ich sonst tun?" keuchte Sanemi, der mittlerweile außer Atem war. „Das Ding sitzt fest wie ein verdammter Anker!"
Mitsuri trat näher und legte ihre Hände besänftigend auf meine Schultern. „Vielleicht hilft es, wenn wir Muichiro beruhigen. Je mehr er verkrampft, desto fester beißt er sich fest."
Ich brummte zustimmend. „Ja, bitte, mehr Mitsuri und weniger Sanemi!" Mitsuri war immer freundlich zu mir, und ich fühlte mich sicher in ihrer Nähe.
„Beruhigen?" fragte Sanemi ungläubig. „Willst du ihm etwa ein Schlaflied vorsingen, während er uns alle irgendwann anfällt?"
„Wenn es funktioniert, warum nicht?" erwiderte Mitsuri mit einem leichten Lächeln.
Sanemi verdrehte die Augen, ließ den Ast los und schüttelte die Hände aus, als hätte er gerade einen Baum entwurzelt. „Dann viel Spaß. Ich bin raus."
Mitsuri kniete sich zu mir hinunter und strich mir sanft über den Kopf. „Schsch, alles wird gut, Muichiro. Du musst einfach nur loslassen, okay? Wir wollen dir doch nur helfen."
Ich entspannte mich ein wenig, ließ meinen Kiefer lockerer werden und versuchte, die Zähne zu lösen. Mitsuris beruhigende Worte wirkten tatsächlich, und der Druck in meinem Mund ließ nach.
„Ich glaube, es klappt!" sagte Mitsuri aufgeregt und sah zu Gyomei. „Er lässt langsam los!"
„Guter Junge, Muichiro", lobte Gyomei ruhig. „Du schaffst das."
Genya trat wieder näher und beugte sich zu mir herunter. „Komm schon, Muichiro. Lass uns den Ast loswerden. Ich weiß, dass du das kannst."
Ich nickte leicht, brummte zustimmend und öffnete langsam meinen Mund – aber genau in dem Moment griff Sanemi mit einem plötzlichen „Jetzt oder nie!" wieder nach dem Ast und zog mit aller Kraft.
Ein lautes Knacken erfüllte die Luft, und der Ast flog schließlich heraus... zusammen mit einer gehörigen Portion Sabber, die direkt auf Sanemis Gesicht landete.
„Ihhh!" rief Sanemi angewidert und ließ den Ast sofort fallen, während er sich das Gesicht wischte. „Das ist widerlich!"
Ich spuckte die restlichen Holzsplitter aus und konnte endlich wieder reden. „Sanemi, du Idiot!" brachte ich heraus, meine Stimme ein Mix aus Erleichterung und Ärger. „Hättest du nicht warten können?!"
Sanemi funkelte mich an, während Mitsuri ein lautes Kichern unterdrückte. Selbst Gyomei lächelte leicht, und Genya hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen.
„Das ist nicht lustig!" rief Sanemi wütend, seine Wange zuckend. „Ihr seid alle gegen mich, oder was?!"
Ich sah zu Mitsuri, dann zu Genya, und schließlich zu Gyomei. „Vielleicht ein bisschen", sagte ich mit einem unschuldigen Grinsen, das bei Sanemi nur weiteres Augenrollen hervorrief.
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